Kapitel 504

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Mir fiel es so schwer in diese Praxis zu gehen, ich kam mir richtig schlecht vor, während Wincent einfach dort reinspazierte. Für ihn war es einfach nur Reden, ihm tat diese Therapie gut, aber ich hatte einfach nur Angst. Wincent redete kurz mit der Dame an der Anmeldung, bevor er mich ins Wartezimmer schob. „Hey, das ist nichts Schlimmes.", flüsterte er und griff nach meiner Hand. „Ich weiß.", murmelte ich und spielte mit Wincents Fingern. Wenig später kam ein Mann und bat uns ihm zu folgen. Ich musste erstmal meine Krücken ordnen und stolperte den beiden dann hinterher. Der Raum war hell und gemütlich eingerichtete und wir setzten uns jeweils auf Sessel. Wincent lächelte mich aufmunternd an, während ich gar nicht so wusste, wie mir geschah. „Hallo, entschuldigt die Verspätung.", kam dann eine Frau rein und begrüßte uns. Ich war ein bisschen irritiert, dass hier jetzt zwei Therapeuten waren, ich wollte nie so im Mittelpunkt stehen. „Wie hättet ihr es gerne, du, sie?", fragte sie. „Du bitte, so alt sind wir nicht.", lachte WIncent. „Gut, ich bin Maria.", sagte die Therapeutin und ließ sich ebenfalls in einen Sessel fallen. „Ich bin Wincent, das ist Isa.", sagte er. Ich war immer noch total eingeschüchtert und wusste nicht, was ich tun sollte. „Gut, Wincent kenn ich ja schon länger und ich hab das hier auch vorgeschlagen.", sagte dann der Therapeut. „Ja, genau.", erwiderte Wincent. „Also ich merke gerade, dass Isa sich hier überhaupt nicht wohl fühlt. Wollen wir zwei mal raus gehen? Spazieren ist ja scheinbar schwierig, aber im Hinterhof ist eine schöne Bank.", sagte Maria. „Gerne.", sagte ich leise und stand auf. Ich zog mir meinen Jacke an und ging dann mit ihr runter. „Es ist alles gut, wir müssen erstmal gar nicht übers Essen reden.", sagte sie, als wir uns setzten. „Danke. Ich weiß einfach gerade noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Wincent kam gestern mit diesem Termin um die Ecke.", begann ich dann. „Du möchtest also gar nicht hier sein?" „Das nicht, aber ich hab mich ein bisschen vor vollendete Tatsachen gestellt gefühlt. Ich weiß, dass ich so nicht weiter machen kann, aber irgendwie..." „Okay. Also erstmal würde ich dich hier auch gar nicht groß ausquetschen und sonst was. Ich möchte mich einfach ein bisschen mit dir unterhalten." „Dann ist das schon mal gar nicht so schlimm, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich war als Jugendliche schon mal bei einem Therapeuten und der hat mich immer mit Fragen gelöchert und mir am Ende doch nicht geholfen." „Solche Erfahrungen sind natürlich immer schädlich. Ich hoffe ich kann es besser machen." „Es ist jetzt schon besser und irgendwie bin ich froh, dass Wincent nicht dabei ist. Also ich habe keine Geheimnisse vor ihm, aber irgendwie hätte ich es trotzdem komisch gefunden. Was das Thema angeht bevormundet er mich immer so sehr. Ich weiß ja, dass ich essen muss, aber er sagt es mir immer wieder. Irgendwann hat er mich sogar mal gezwungen zu essen. Irgendwie hatte ich da eher das Gefühl er ist mein Bruder oder mein Vater und nicht mein Partner." „Das ist nicht schön, auch wenn er sich nur Sorgen macht. Pass auf, du darfst jederzeit sagen, wenn du das Thema wechseln möchtest, ja?" „Okay." „Wann hattest du das erste Mal bewusst Probleme mit dem Essen?" „Als mein kleiner Bruder Krebs hatte, da hab ich irgendwann die Trauer und den Druck mit Essen, beziehungsweise nicht essen, kompensiert, aber das hatte ich überwunden. Letztes Jahr ist er dann an Corona erkrankt und es war ähnlich. Seitdem hab ich das Gefühl nicht mehr so richtig gesund zu essen. Es kam immer irgendwas, was mich seelisch bedrückt hat." „Du hast gerade gesagt du kompensierst damit Druck und Trauer. Inwiefern?" „Ich hab früher mal gesagt ich bestrafe mich selbst dafür, dass ich damit nicht umgehen kann. Aber mittlerweile hab ich nicht das Gefühl mich zu betrafen. Ich hab einfach keinen Hunger und dann esse ich eben auch nicht." „Das verstehe ich, ich glaube das macht jeder so.". Wir redeten noch eine ganze Weile, aber ich hatte nicht das Gefühl, wir würden über mein Essverhalten reden. Mittlerweile stand Wincent schon dort und wartete mit einigem Abstand auf mich. „Sehen wir uns wieder?", fragte Maria. „Auf jeden Fall. Soll ich nochmal mit hochkommen zum Termine machen?", erwiderte ich. „Ich hab Wincent damals ein paar mehr gegeben. Schau, welche passen und sag die anderen einfach ab." „Danke.", lächelte ich und humpelte dann zu Wincent. „Hey.", lächelte er schüchtern. Ich ließ mich einfach gegen ihn sinken und legte meinen Kopf an seine Brust. Wincent strich mir über den Rücken und gab mir irgendwann einen sanften Kuss auf den Kopf. „Wollen wir?", fragte er dann irgendwann. „Ja, sorry.", murmelte ich. Wir gingen zum Auto und ich ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. Irgendwie war die Stimmung zwischen uns immer noch komisch und ich wusste, dass wir noch reden mussten, aber das überforderte mich gerade. „Ich hab Hunger.", schmunzelte ich dann. „Was darfs sein?" „Ungesund.", erwiderte ich nur. Wincent startete den Motor und stellte sich wenig später in die Schlange vom McDrive. Ich sagte ihm, was ich haben wollte und drei Minuten später hatte ich eine gut duftende Tüte auf dem Schoß. „Ich fahr noch ein Stück und da können wir essen.", sagte Wincent. Er hielt wenig später an einem Aussichtspunkt und wir aßen im Auto. Nach etwas mehr als der Hälfte meiner Portion war ich aber einfach satt. „Wär ja auch zu schön gewesen, wenn das direkt was gebracht hätte.", schmunzelte ich. „Hey Süße, darum gehts doch gar nicht. Wichtig ist, dass irgendwas passiert, auch wenn du gestern echt sauer warst.", begann er dann das Gespräch. „Ich weiß. Ich will das auch nicht mehr und gestern... das war einfach zu bevormundend und hat mich so überrumpelt." „Ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen.", gestand Wincent. „Du hast alles richtig gemacht, aber das war gestern einfach zu viel.", murmelte ich. „Lass uns jetzt nach Hause fahren.", erwiderte er dann. „Ich will kuscheln.", schmunzelte ich. „Zu Hause.", grinste Wincent und startete den Motor.

Pläne oder Träume // Wincent Weiß FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt