Brief 190

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Hallo Peter

Weshalb schreibt man ein Testament? Ich meine, du hattest doch keinen wirklichen Grund dafür - oder hast du schon dein tausendstes graues Haar entdeckt?

Ja, wie bei einem Kind - nur ein bisschen verständnisvoller - ich darf die Nachrichten wenigstens fertig schreiben.

Nachher werden Sie mich auf einen Spaziergang schicken, die Schwester muss mir noch eine Infusion abhängen, dann darf Werner mich entführen. Kurz raus, raus aus dieser stieren Welt, raus aus dem monotonen, raus in die Freiheit - zumindest für einen Moment, mit Werner. Er lächelt mich schon wieder an, er schenkt mir viel mehr Aufmerksamkeit. Er müsst doch Arbeiten - glaube ich. Welchen Wochentag haben wir heute - es ist doch Dienstag?

Du merkst, das Zimmer macht mich noch Fix und Fertig - bald werde ich Patient mit chronischen Beschwerden, werde hin und her geschoben, kann nicht mehr ankommen und mich erholen, bin dann nur noch ein Element einer Studie - oder eine weitere Mutter ohne Zukunft. Ich verliere mich, auch ohne Karussell, ich sehe nur noch diese sterilen Räume, Tag ein, Tag aus. Sie werden mein Alltag, das darf nicht zulassen, denn ich habe mehr verdient, ich habe ein eigenes Leben. Ich werde aufstehen, werde in deine Richtung kommen, werde freier sein. Nicht Absolut, nur ein bisschen, ein Schritt - einfach ein Schritt in die richtige Richtung. Bald. Aber erst, wenn wir dein kleines Problem gelöst haben und du nicht zum Jupiter fliegst. Ok?

Knuddel, deine Maya

Briefe vom MarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt