Brief 476

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Hallo Maya,

jetzt ist der Zeitpunkt, dir etwas zu sagen – etwas – zu erklären?

Ich dürfte gar nicht mehr leben. Die Ärzte haben mir gar nicht mehr so lange gegeben. Ja. Ich bin Krank. Sie haben es kurz vor dem Start festgestellt. Eigentlich hätte ich gar nicht mehr starten dürfen – sie wollten mich in eine Behandlung stecken – es hätte mein Leben verlängern sollen. Ich wollte aber starten – denn einmal im Weltraum sein ist besser als ein paar Monate mehr unter Qualen und ständigen Terminen zu leben. Man hat es mir erlaubt. Als Reservemannschaft. Mein Team wusste davon, die anderen Teams auch. Ja.

Was dann geschehen ist, das weisst du ja. Mir war es – mir war wichtig, dass die anderen überleben, denn alle haben mehr Leben vor sich als ich. Deshalb war ich nicht in einer Schlafkapsel – es hatte ja auch nur vier.

Ich dachte, ich würde den Mars nie sehen. Ich – ich hatte eine Tablette dabei, ich habe sie immer noch – wann immer ich merken würde, dass ich es wirklich nicht mehr aushalte – dann hätte ich gehen können. Ich hatte immer diese Option. Aber – es ging mir bisher nicht schlecht genug.

Für den unmöglichen Fall, dass ich bis hier hin überlebe, wurde beim Versorgungsschiff ein kleines Einmannschuttle angehängt. Nur für mich. Denn – egal was kommt, wir waren nie auf fünf Personen ausgelegt, es war immer aller für vier geplant. Die ersten vier Menschen, welche den Mars betreten, Elisa, Ràul, Carolina, Rocco. Ich war nie Teil dieser – dieser auserwählten. Ich – ich hatte das Glück, dass ich sie bis hierhin begleiten durfte. Ich – ich glaube, ich habe meinen Teil für eine erfolgreiche Mission beigetragen. Das war das einzige, was ich wollte. Jetzt muss ich das Team in der MMS01 zurücklassen, denn mein Fenster ist klein. Ja – mein kleines Shuttle fliegt zurück zur Erde. Ja, ich komme nach Hause. Ich weiss nicht, ob ich die Erde nochmals sehen werde – aber – dieses Shuttle transportiert alle Videos von unserem Flug. All das Material, alles was wir aufgenommen haben. Aber auch einen Brief für den Sohn von Ràul. Ja, ich bringe Post nach Hause.

Weshalb ich? Weil die anderen eine bessere Überlebenschance auf dem Mars haben. Weshalb gehe ich von Bord? Weil ich eine Behinderung wäre – und – weil ich nicht weiss, ob sie mich hätten gehen lassen können. Ich weiss es nicht. Ich wäre – ich werde ein Pflegefall werden. Ich weiss das. Ich – ich werde auf mein Ende hin nicht angenehm sein. Das wollte ich ihnen ersparen.

So fliege ich jetzt mit der Hoffnung zurück. Ich bin, ich war Kommandant der ersten Marsmission. Ich – ich werde – ich – nein. Ich bin ein Held. Held für mich selber. Ich habe etwas erreicht, etwas, worauf ich stolz bin. Es ist nicht viel – aber ich habe es geschafft.

Ich – ich bin jetzt noch schneller Unterwegs als vorher – ich musste in diesem Zeitfenster raus, Swing by am Mars. Als erster Mensch. Ja. Ich.

Bald wird die Rakete gezündet, ich komme.

Bis bald,

dein Peter


Briefe vom MarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt