Brief 167

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Hallo Kleine,

Emil?

Es freut mich, dass bei dir inzwischen Abend ist, bei mir geht die Sonne mehrmals unter in den 24 Stunden, die du Tag nennst. Wir haben hier oben kein Tag und Nacht mehr, nur noch Uhren, welche einem die Zeit diktieren. Ich weiss aber immer noch nicht, welche der Uhren die genaue Zeit angibt. Meine mechanische Armbanduhr ist ein bisschen daneben – aber als grobe Referenz sollte sie doch noch reichen – wenn nicht – Mist. Ich darf wohl nicht darüber nachdenken, wann ich eine Uhr das letzte Mal an hatte – möglicherweise blieb sie ja stehen. Irgendwie will mir keine Uhr die genaue Zeit verraten. Ich gehe schlafen, wenn ich müde bin, erwache, wenn der nächste Alarm anschlägt, hangle mich hin und her, versuche mich zu beschäftigen.

Wann Michelle zurückkommt? Keine Ahnung, Frag sie doch, du hast ja ihre Nummer. Und sonst darfst du bei Noëlle ein bisschen Mutter sein üben. Auch wenn Sie vermutlich viel braver ist als jedes deiner Kinder jemals sein wird. Obwohl – da kommt es ja auch noch auf den Vater an. Hmmmm…

Und wie schon gesagt – Pate liegt nicht drin, ich kann zur Taufe nicht anwesend sein. Das sehe ich als einen Hinderungsgrund – und wie soll ich einem Kind dienen, wenn ich nicht mal in der Nähe bin? Das ist doch die Aufgabe eines Paten? Natürlich ist es cooler, einen Astronauten als Paten zu haben als nur einen ganz normalen Menschen. Wir Astronauten sind ja so viel wichtiger… nicht?

Briefe vom MarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt