Brief 312

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Die Welt ist zum Kotzen. Ehrlich. Wie? Weshalb? Sind nur noch Idioten auf diesem Planeten? Scheisse.

Nein, ich habe keine Neuigkeiten erfahren. Nein, mir wurde ein Dienst gegen Werbeanrufe angeboten. Das am Morgen kurz nach sechs Uhr - auf meinem Privaten Handy. Wenn ich diese Kerle erwische - ich mache Hackfleisch aus ihnen. Ehrlich - ich kann die so nicht mehr ausstehen. Ich bin Wütend, ich schäume - auch ein bisschen von der Zahnpasta - ich schäume, koche.

Tief durchatmen.

Immer noch nichts von Werner. Richard hat sich auch nicht gemeldet. Jetzt bin ich der einsamste, alleinigste Mensch auf der Welt. Nur noch Werbeanrufe erreichen mich, sonst interessiert sich keiner mehr für mich. Ich bin - allein.

Ja, ich habe die Zähne geputzt, fühle mich nun ein bisschen frischer, hatte mich ausgekotzt, körperlich und seelisch. Der Mund schmeckt jetzt wieder nach Minze, nicht nach Galle. Angenehmer. Auch wenn mich keiner Küssen wird. *Für immer Allein*

Und ich rege mich auf. So mit einer aufgestellten Stimme, gegen Werbeanrufe - als ob es selber kein Werbeanruf wäre - nein, wie auch. Ich meine, klar, ich rufe auch wild fremde Menschen früh am Morgen an. Vielleicht hätte ich so mehr Vertragsabschlüsse - da mag man doch gar noch nicht telefonieren, da sagt man eh ja um ruhe zu haben - ist das die Taktik? Funktioniert das so? Ist unsere Welt so krank?

Ich will zu dir, Peter, ich will weg von dieser Welt. Nimm mich mit! Bitte. Nimm mich in den Arm. Bitte.

Immer noch nichts, nur die Kirchenglocken, immer wieder. Der Tag rast, ich habe Angst. Ich hab meinen Kopf auf den Deckel der Schüssel gelegt. Ich darf nicht einschlafen, ich will hier nicht weg, ich will hier weg. Ich halte es nicht mehr aus.

Ich bin weich, wirklich, mein Arm ist kuschelig. Ich - ich finde mein Haar weich.

Ich weine. Wo ist Werner? Weshalb ist er nicht hier bei mir? Was - ich vermisse ihn. Ich, er, mein Leben hat sich so verändert. Die Zukunft war nie ganz klar - aber immer war Werner in meinen Gedanken an meiner Seite - oder, ja, oder vielleicht auch mal noch Richard. Aber jetzt, jetzt stehe ich alleine da, weine, halte mein Kind an der Hand, schaue in die Welt hinaus. Die Glockenschläge werden mehr, wieder eine Stunde vorbei. Wieder eine Stunde gewartet. Weshalb nur?

So viele Fragen, so keine Antworten. Ich hasse den Moment, ich hasse das reissen. Kopfschmerzen, Übelkeit - aber Minzegeschmack im Mund. Seltsam. Es passt gar nichts mehr. Wie wenn man die Teile aus verschiedenen Puzzles zusammenwirft.

Und dann Werner wegnimmt, und Richard - und dich

Ich bin ein Puzzleteil - aber keiner passt mehr zu mir.

Scheisse - ich - was schreib ich da nur. Ichsollte das löschen. Mist - wirklich? Maya? Ich sollte mich zusammenreissen. Ach- was? Ich weine. Immer noch. Tränenschleier. Will einfach absenden, nicht mehrlesen. Antworte mir!

Briefe vom MarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt