Die Zeit läuft ab

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Ilka

Ich ächzte und setzte mich ein wenig in dem gepolsterten Sitz zurecht, aber ich fand einfach keine bequeme Position. Natürlich konnte man das mit der Tatsache erklären, dass mein Bauch angeschwollen war wie ein Gymnastikball, aber es war etwas anderes. Schon seit Tagen fühlte ich mich unwohl und hielt andauernd Ausschau nach Armina oder Thorin zu halten. Von keinem hatten wir eine Botschaft erhalten, seit der König gegangen war.

Mit besorgtem Gesicht sah ich auf meinen Bauch herab. Ich hatte schon seit Monaten keine wirkliche Vision gehabt, nur vereinzelte Bilder, die keinen Sinn ergaben. Ich fragte mich, ob das an meiner Schwangerschaft lag. Ob meine Gabe blockiert war, weil die Anstrengung einer Vision in meinem gegenwärtigen Zustand zu groß wäre. Zum ersten Mal in meinem Leben betete ich jeden Tag um eine Vision, die mir das Schicksal meiner Familie zeigte.

Was ist, wenn Armina nicht kommt? War meine Vision richtig? Werde ich sterben, wenn sie nicht kommt? Hätte ich mehr tun müssen, um sie zu finden? Oder habe ich mich in dem, was ich gesehen habe, geirrt?

„Braucht Ihr etwas?", fragte mich da die junge Zwergin Gloria, eine Verwandte von Gloin.

Sie sah mich besorgt an, sie war noch zu jung für einen Bart und sah deshalb weiblicher aus als die anderen adeligen Zwergenfrauen, die ich meistens um mich hatte. Allerdings war ich in letzter Zeit zu ungeduldig gewesen, um irgendjemandem um mich zu haben, mit wenigen Ausnahmen. Gloria gehörte dazu ebenso wie eine Handvoll anderer junger Zwergenfrauen, von denen es aber im ganzen Erebor nicht allzu viele gab.

„Nein, ich brauche nichts", erwiderte ich, aber meine angespannte Stimme war deutlich zu hören.

Gloria legte den Pelzmantel zur Seite, den sie für ihren zukünftigen Ehemann nähte. Sie sollte mit einem Neffen von Dain verlobt werden und sie freute sich schon auf die Hochzeit, obwohl sie den jungen Mann kaum kannte. Er allerdings liebte sie, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob er überhaupt wusste wovon er redete, wenn er sie doch kaum jemals persönlich gesprochen hatte.

„Seid Ihr Euch sicher? Ich kann Prinz Fili holen, wenn Ihr es wünscht", fragte sie nach.

Ich schüttelte entschieden den Kopf. Ganz egal wie groß meine Sorgen waren, ich würde Fili nur im Notfall holen lassen. Er hatte während Thorins Abwesenheit die Königspflichten übernommen und hatte unfassbar viel zu tun. Oft kam er übermüdet und frustriert spät abends ins Bett und ich hatte das Gefühl, dass Fili, der fröhliche Freigeist, nicht für die Verantwortung gemacht war, die er nun trug. In den letzten Tagen hatten wir kaum miteinander gesprochen, denn er wollte mich nicht stören, wo ich im letzten Monat meiner Schwangerschaft einen so unruhigen Schlaf hatte. Deshalb schlief er in seinen eigenen Räumen und nicht in denen, die wir uns gewöhnlich teilten.

Ich vermisse ihn, aber es ist auch sehr angenehm, jetzt wo jede Bewegung und jede Berührung einfach nur anstrengend ist.

Ich hatte mich noch nie so schlecht gefühlt, ganz erschöpft und bedrückt von den Sorgen, die mich und auch Fili quälten. Aus diesem Grund hatte ich vor einigen Tagen beschlossen, mich bis zur Geburt aus meinen Aufgaben für den Erebor herauszuhalten. Ich hatte Dis, die an meiner Stelle bereitwillig diese Pflichten übernahm und ansonsten auch in anderen Dingen eine Persönlichkeit geworden war, für deren Unterstützung ich unglaublich dankbar war. Sie bemutterte mich und hielt mich mit ihren klaren Worten und ihrer nüchternen Art gleichzeitig am Boden der Tatsachen.

Da ergriff Kassi das Wort, die mir heute ebenfalls Gesellschaft leistete und Fords Fell kämmte, der schlafend vor dem Kamin lag: „Ich glaube, du musst dir keine Sorgen machen, Gloria. Ich wäre auch total unruhig, wenn ich einen Bauch von dem Umfang hätte und noch dazu dauernd pinkeln müsste."

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