Diplomatie

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Sia

Nachdem ich gerade einmal vier Stunden Schlaf hinter mir hatte war ich bei Sonnenaufgang auf den Beinen, sogar vor allen anderen Menschen. Bard hatte mir einen eigenen Raum in der großen Halle geben wollen, aber ich hatte mit Finn in einer Ecke geschlafen, damit ich jederzeit merken würde, wenn jemand mich brauchte.

Finn schlief noch. Obwohl er menschliche Gestalt angenommen hatte, lag er in einer Art und Weise da, die man nur als typisch kätzisch bezeichnen konnte. Er lag mit dem Rücken auf einer Matratze, mit dem Kopf auf meinen Füßen und in sich total verdreht, aber er schien tief und fest zu schlafen.

Vermutlich ist er furchtbar steif, wenn er aufwacht.

Amüsiert zog ich vorsichtig meine Füße unter seinem Kopf heraus und drückte meine Decke unter seine Schultern, die zusammengekrümmt in dem Ritz zwischen den Matratzen steckten, ehe ich aufstand. Er merkte es nicht einmal.

Die Kranken und Verletzten schliefen größtenteils friedlich. Noch in der Nacht waren fünf meiner Patienten verstorben, deren Infektionen bereits zu weit fortgeschritten waren oder deren Wunden zu tief gingen. Ich hatte bisher nie die Verantwortung über Menschenleben gehabt und deshalb kam ich nicht umhin mich zu fragen, ob ich es nicht doch hätte verhindern können.

Als ich nun durch die Reihen ging, konnte ich aber sehen, dass die meisten auf dem Weg der Besserung waren. Viele atmeten ruhiger, die wenigsten fieberten noch. Dann erreichte ich den Mann, den ich zuerst behandelt hatte.

Schon als ich die Blässe seiner Haut sah wusste ich, was los war. Tiefe Trauer erfüllte mich und ich trat an sein Bett und fühlte nach seinem Puls. Dann sein Atem und zuletzt versuchte ich, das Schlagen seines Herzens zu spüren. Nichts. Seine Haut war bereits kühl.

Erschöpft kniete ich mich hin und schloss seine starrenden Augen, dann legte ich ihm die Hände auf die Brust. Tränen stiegen mir in die Augen, aber ich blinzelte sie weg und verschob den drohenden Zusammenbruch auf einen anderen Moment, wenn ich es mir leisten konnte. Diese Fähigkeit hatte ich mir während des Studiums angeeignet, wenn ich für die Klausuren lernte.

„Es tut mir leid, dass ich dich nicht retten konnte", hauchte ich. „Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich mein Bestes getan hätte, aber das stimmt nicht, denn ich hätte meine Kräfte nutzen können und dich vollständig heilen. Aber dann wären andere gestorben. Ich hoffe, du kannst mir vergeben. Ganz sicher aber werden die Valar dich in ihren Hallen aufnehmen, wenn ich sie darum bitte."

Eine Weile saß ich schweigend neben dem Toten und wachte über ihn, da es sich einfach richtig anfühlte. Dann richtete ich mich langsam auf und zog die Decke über seinen Kopf. Er würde zusammen mit den anderen fünf Toten heute begraben werden. Ich würde sichergehen, dass er einen schönen Platz bekam.

Da flog die Tür auf und eine Frau, die mir gestern auch geholfen hatte, stürmte herein. Von Finns Ecke kam ein unterdrückter und sehr derber Fluch, der nicht abbrechen wollte und immer anstößigere Ausmaße annahm. Offensichtlich hatte ich recht gehabt und er war steif.

„Frau Sia!", rief die Frau, denn ich hatte ihnen fast schon befohlen, mich nicht Anastasia zu nennen. Dafür hatten wir zu viel Zeit in diesem Raum verbracht. „Kommt schnell!"

Besorgt und in Erwartung des Schlimmsten stürzte ich ihr nach und nach draußen auf den Platz. Dort blieb ich wie angewurzelt stehen und starrte auf die Elben in goldenen Rüstungen, die dort standen. Noch während ich die Situation zu verstehen versuchte, tauchte ein gewaltiger Elch auf und hinter ihm fuhr ein Wagen voller Lebensmittel heran.

„Das ist Thranduil. Wo kommt der denn plötzlich her?", sagte Finn, der neben mir aufgetaucht war und mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen über Eiriens Knauf strich.

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