Thorins Geschichte

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Armina

Scharf starrte ich Fili an und knirschte mit den Zähnen. Wenn er auch nur einen Finger an Ilka legte, würde ich ihm den abschneiden. Niemand rührte meine Freunde an und spielte mit ihren Gefühlen. Die anderen konnten gut selbst auf sich aufpassen, aber Ilka war viel zu zart und sensibel dafür.

Da wechselten Kili und Fili einen Blick und prusteten leise. Ich verdrehte die Augen. War ja klar, dass das nicht ernst gemeint war. Von wegen Blut und keiner schreit! Thorin schien das aber nicht so lustig zu finden.

„Haltet ihr einen Orkangriff bei Nacht für einen Scherz?", fuhr er sie wütend an.

Kili und Fili sahen zerknirscht zu Boden. Kili murmelte: „Wir haben uns nichts dabei gedacht, Onkel."

„Nein, habt ihr nicht", spuckte Thorin förmlich aus und stapfte davon, um mit den Händen hinter dem Rücken in die Ferne zu starren.

„Netten Onkel habt ihr da. Mein Beileid", schnaubte ich.

„Nehmt es ihm nicht übel, Jungs", mischte sich da Balin ein und zog die Aufmerksamkeit auf sich. „Thorin hat mehr Grund als die meisten, die Orks zu hassen."

Das klingt nach einer Geschichte. Yippee, eine Gutenachtgeschichte! Am besten noch mit Drachen und anderen Monstern, damit unser Goldjunge Fili Ilka in den Schlaf singen kann, weil sie Albträume kriegt!

Doch außer mir - und Kassi, die leise schnarchte - hing jeder an Balins Lippen und derart ermutigt begann der alte Zwerg mit seiner Story.

„Nachdem der Drache sich den Einsamen Berg genommen hatte, versuchte König Thror das alte Königreich Moria zurückzufordern. Aber unser Feind war bereits dort. Moria war von Orks überrannt worden, angeführt vom furchtbarsten ihrer Rasse: Azog, der Schänder. Der riesige Gundabad-Ork hatte geschworen, das Geschlecht der Durins auszulöschen. Er begann, indem er den König enthauptete. Thrain, Thorins Vater, wurde wahnsinnig vor Kummer. Er verschwand, ob gefangen oder getötet, wir wussten es nicht. Wir waren ohne Anführer." In seinen Augen lag der Schimmer einer lange zurückliegenden Erinnerung. „Niederlage und Tod kamen über uns." Ein stolzes Lächeln legte sich auf sein Gesicht und er schaute zu Thorin, der mit dem Rücken zu uns stand. „Und dann sah ich ihn. Einen jungen Zwergenprinzen, der dem bleichen Ork die Stirn bot. Er stand allein gegen diesen fürchterlichen Feind, seine Rüstung zerrissen, mit nichts als einem Eichenast als Schild. Azog der Schänder lernte an diesem Tag, dass sich das Geschlecht Durins nicht so leicht besiegen lässt. Unsere Truppen sammelten sich und drängten die Orks zurück. Unser Feind wurde besiegt, aber es gab kein Fest und keine Lieder in dieser Nacht, denn unsere Toten waren zahlreich. Nur wenige haben überlebt. Und ich sagte mir: ‚Diesem einen kann ich folgen. Diesen einen kann ich König nennen."

Majestätisch drehte Thorin sich um und begegnete den staunenden Blicken der Gemeinschaft. Mitleid stach in mein Herz, aber sein Blick erinnerte mich an die Respektlosigkeit in seiner Stimme, als er mich geweckt hatte. Niemals würde ich jemandem wie ihm mit Ehrfurcht gegenübertreten.

Aber Balin kann wirklich Geschichten erzählen, das muss man ihm lassen. Jetzt fehlt nur noch die dramatische Musik.

„Jetzt macht ‚Eichenschild' Sinn", stellte ich fest, aber niemand achtete auf mich. Scheinbar hatten sie sich bereits an mich gewöhnt.

„Und der bleiche Ork? Was ist aus ihm geworden?", fragte Bilbo und schaute gebannt zu Balin.

Es war Thorin, der antwortete. Verächtlich spuckte er aus: „Er kroch in das Loch zurück, aus dem er kam. Dieses Monster ist schon vor langer Zeit an seinen Wunden gestorben!"

Mir entging nicht der Blick, den Gandalf und Balin tauschten. Ich kniff die Augen zusammen und sah sie scharf an. Gandalf, der gedankenverloren an seiner Pfeife zog, bemerkte meinen Blick und starrte mich überrascht an. Intensiv musterte ich ihn und hob fragend eine Augenbraue. Mit einem düstereren Gesichtsausdruck wandte Gandalf den Blick ab.

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