Finn
Während Sia arbeitete, konzentriert und unterstützt von den Frauen, die sie zuvor nur widerwillig an die Kranken gelassen hatten, schlich ich mich aus dem Gebäude. Nun, da sie auf ihre eigene, autoritäre und unkomplizierte Art den Respekt der anderen gewonnen hatte, brauchte sie mich nicht mehr und ich kam mir überflüssig in der Halle vor, die nach Blut, Eiter und menschlichen Ausscheidungen stank. Draußen nahm ich menschliche Gestalt an und lehnte mich verdeckt vom Schatten der Steinbögen des Gebäudes an eine Säule.
Es war dunkel geworden und überall hatten die Menschen sich zum Schlafen niedergelassen, wo sie eben dafür Platz gefunden hatten. Feuer brannten und um jedes scharten sich die Esgarother, ein mitleiderregender Haufen. Es waren viel weniger, als ich allein auf dem Platz des Bürgermeisters gesehen hatte, als Thorin seine Rede gehalten hatte und da waren sicher nicht alle Anwohner anwesend gewesen. Aber vielleicht sah das auch nur so aus, weil die Menschen sich zwischen den Häusern verteilt hatten. Vielleicht war nicht mehr als die Hälfte von ihnen tot.
Ach, hör auf, dir das selber einzureden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Mysla noch lebt, ist verschwindend gering.
In dem Augenblick ertönte hinter mir eine Stimme, die mich erstarren ließ: „Finn?"
Mein Herz schien mit einem Mal in meinem Hals zu sitzen und ich hatte das Gefühl, als würde ich träumen. Die Welt wirkte mit einem Mal irreal, dumpf und weit weg. Langsam drehte ich mich um.
Dort stand sie, zwischen den Säulen der Halle und dem Haus nebenan, einen Topf in den Armen, den sie langsam abstellte. Sie trug ein hübsches Kleid, das schmutzig und zerrissen war und ihre Wangen waren gerötet vor Anstrengung. Unter ihren Augen waren tiefe Ringe und ihre Haare waren zerzaust und wirr. Sie wirkte ausgelaugt und abgekämpft und dennoch sah ich sie wie an dem Tag, an dem ich sie das erste Mal gesehen hatte und sie nicht so abgehärmt aussah. So... erwachsen.
Ich weiß nicht, wie lange wir uns einfach gegenseitig anstarrten. Dann überrumpelte Mysla mich wieder einmal. Sie kannte mich kaum, wir hatten uns erst zwei Mal gesehen und doch schien es, als würden wir uns länger kennen. Außerdem war es fast ein Wunder, dass wir uns hier, nach einem Drachenangriff und nachdem wir beide davon ausgegangen waren, dass wir uns vermutlich nie wieder sehen würden, wiedertrafen. Vielleicht war das der Grund, warum sie die altertümliche Etikette vergaß und ich nicht einmal daran dachte, lässig zu wirken oder Kommentare zu reißen.
Sie rannte auf mich zu und ehe ich mich's versah, schlang sie die Arme um mich und drückte sich an mich. Und ich überraschte mich selbst, als ich anstandslos die Arme um sie legte und sie ebenfalls an mich drückte, während ich die Augen schloss und zum ersten Mal in meinem Leben den Valar für etwas dankte.
Danke, ihr Valar. Danke, Nienna und Tulkas, dass sie lebt. Ob es jetzt euer Einfluss war oder nicht.
Kurz meinte ich, ein sanftes Lachen zu hören, das nur von Nienna stammen konnte, meiner Wächtervalar. Doch dann vergaß ich sie und atmete den erdigen, fischigen und angenehmen Geruch der jungen Frau ein. Mysla passte perfekt in meine Arme. Sie reichte genau bis unter mein Kinn, denn obwohl sie größer war als Kassi oder Ilka, war sie nicht wirklich groß. Allerdings war es auch nicht schwer, größer als die beiden zu sein, immerhin hatten sie Zwergengröße, ebenso wie mittlerweile auch Armina.
„Du lebst", stellte ich fest und es kümmerte mich nicht, dass das eine ziemlich dumme Bemerkung war.
Mysla kicherte und ließ mich los, wobei sie verlegen über ihre Wange schrubbte und es tunlichst vermied, mir in die Augen zu sehen. Kurz war ich erstaunt, bis ich merkte, dass sie weinte und offensichtlich nicht wollte, dass ich ihre Tränen sah. Fast hätte ich etwas Dummes gesagt, aber dann beschloss ich, nichts zu sagen. Ich war es nicht gewohnt, dass jemand wegen mir weinte.
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five •Hobbit FF•
FanfictionManchmal braucht eine Welt Helden, die sie nicht hat. Manchmal hat eine Welt Helden, die sie nicht braucht. Aber warum zum Teufel schmeißt man uns dann einfach in eine andere Welt?! -- So ergeht es fünf jungen Menschen, die alle ganz normale Freunde...