Kapitel 11 - Freitag, 5. 8. (*1*)

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Mit dem Zwölf-Uhr-Schlag der Kirchturmuhr läutete es an der Haustüre. Tom stand lässig an den Türstock gelehnt, eine rote Rose in der Hand. Wieder verschlug es ihr die Sprache. Er sah so verflixt gut aus. Wow!
Es verschlug ihm den Atem. Sie sah so entzückend aus, so verflixt schön!
„Na, nach dir kann man aber auch die Uhr stellen!" zog sie ihn auf, als sich die Türe hinter ihm geschlossen hatte.

Erst musste er sie küssen, dann nochmal küssen und noch ein drittes Mal, denn aller guten Dinge waren drei.
Und Küsse waren sehr gute Dinge!
„Ich bin eben ein sehr zuverlässiger Mann!" erklärte er. Zumindest bei dir, dachte er. Früher hatte er es bei Dates nicht so genau mit der Pünktlichkeit genommen!

Sie schafften es in die Küche, dort brauchte er noch einmal drei sehr gute Dinge, dann ins Esszimmer, dann aufs Sofa im Wohnzimmer.
„Stop!" rief er sich dann selber zur Vernunft.
Sie sollte nicht glauben, dass er nur kam, um ins Bett zu gehen mit ihr. Natürlich wollte er, er war nur ein Mann, ein sehr verliebter Mann, sie war eine erregende Frau, aber sie war auch die Frau, die er liebte.
Er musste sich beherrschen.

„Hast du Hunger?" fragte sie, als sich ihre Sinne zurückgemeldet hatten.
„O ja! Und wie! Aber ich werde mich zur Abwechslung mal beherrschen!"
Sie lachte. „Ich habe eigentlich gemeint, ob du etwas essen möchtest!"„Nein, das hast du nicht gemeint! Denn du weißt, dass mich das aufregen würde, wenn du meinst, du müsstest mich beglucken!" sagte er relativ scharf. „Und wenn du mich das noch einmal fragst, bringe ich dir am nächsten Tag meine Wäsche zum Waschen!"

Sina musste lachen. „Die könntest du danach aber komplett wegwerfen!"
Er tat entrüstet. „Du kannst nicht waschen?"
„Nein!"
„Und wer macht deine Wäsche?"
„Meine Mutter!"
„Gut! Und wer putzt?"
„Einmal in der Woche eine Zugehfrau!" Das bezahlten ihre Eltern, weil alle Frauen in der Familie nicht gerne putzten.
„Sehr gut!"
„Und wer hat in den letzten Jahren gekocht?" Er wollte jetzt nicht unbedingt Einzelheiten aus ihrer Beziehung erfahren, aber er sah seine Süße partout nicht als Hausmütterchen, das am Herd stand!

„Als wir in der Einliegerwohnung bei meinen Eltern gewohnt haben, meine Mutter, und danach war's mir egal, wo er aß! Ich kann auf alle Fälle nicht kochen!"
„Bestens!" Er strich ihr zärtlich die Haare aus dem Gesicht. „Entschuldige, dass ich dich so angefahren habe! Aber ich komme zu dir, weil ich bei dir sein will und nicht, um mir den Bauch voll zuschlagen! Und ich sehe in dir nicht die Frau, die mich umsorgt, sondern die Frau, die ich liebe, mit der ich lachen, reden, leben und lieben will, okay?"

„Okay! Aber ich war nicht im Geringsten darauf vorbereitet, dass es einen Mann wie dich gibt!"
Er lächelte sie an. „Es gibt ja auch nur einen einzigen! Für dich gibt es nur noch mich!"
Er küsste sie vorsichtig. „Und es ist wie ein Wunder, dass dieser Mann ausgerechnet dich gefunden hat!" Er erinnerte sich an die Frage, die er ihr stellen wollte.
„An diesem Montag in der Disco, deine Freundinnen und du, das war ein bisschen seltsam! Warum waren die Damen denn mit dir da?"
Sina lachte wieder. Sie hatte heute mit Erika telefoniert, die ihr den Plan gebeichtet hatte. Die Freundin wollte wissen, wie es weitergegangen war mit ihr und dem gutaussehenden jungen Mann.

Sie erzählte Tom von dem Komplott, das die drei gegen oder eher für sie geschmiedet hatten.
Tom erstarrte kurz. Dass so ein irrer Zufall seine Süße in seine Arme gebracht hatte, ließ seinen Magen verkrampfen. Eigentlich hatte er an diesem Abend gar nicht weg gehen wollen, aber es war der letzte Abend vor dem Nachtdienst, er hatte Lust bekommen auf einen One-Night-Stand und war losgezogen.
Das waren immer die günstigsten Abende, die vor dem Nachdienst, da hatte er eine gute Ausrede, wenn er kein Wiedersehen ausmachen wollte.

Gefunden hatte er dann die Liebe seines Lebens! Und hatte die totale Panik gehabt, dass sie kein Wiedersehen mit ihm ausmachen wollte!
„Und du wärst nie wieder in die Disco gekommen?"
„Ich alleine? Nein, niemals!"
„Puh! Das war knapp! Wenn ich jetzt an diesem Abend nicht dagewesen wäre, hätte ich dich nie getroffen?"
„Kaum! Ich dich aber auch nicht, und das wäre mindestens genauso schlimm gewesen!" scherzte sie.
„Da muss ich mich aber einmal sehr herzlich bedanken bei deinen Freundinnen!" Er fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. „Es war ja sicher nicht einfach für sie!"

„Nein, sie wussten schon, dass die jungen Leute sie schief ansehen würden! Aber trotzdem haben sie mich dahin geschleppt!"
„Aber sie sind die Frauen von Freunden von Max!"
„Sie können ihn nicht leiden, haben sich immer geärgert, wenn er mich so nieder gemacht hat!"

Er genoss die Unterhaltung mit ihr. Sie mussten noch so viel wissen voneinander!
Deshalb wollte er ihr auch noch eine Frage stellen.
„Du Mäuschen, noch etwas. Aber wenn es zu übergriffig ist, sag einfach: Das geht dich nichts an!"
„Ich habe keine Geheimnisse vor dir!" versicherte sie.
„Also, dieses Haus, du bist ja noch sehr jung, gehört es dir oder ihm?" Nun war es raus.
Sie erzählte ihm offen und ehrlich, wie die Sachlage im Moment war.

Tom nahm die Information mit gemischten Gefühlen auf. Das war jetzt echt eine schwierige Situation, für sie, aber auch für ihn!
Er überlegte eine Weile, war aber dafür, alles weiter offen anzusprechen.
„Also, ich hatte ja von einer festen Beziehung gesprochen, deshalb sollte ich jetzt vielleicht sagen, ich übernehme seine Verpflichtungen und wohne hier mit dir, falls du das möchtest. Aber, wenn ich ehrlich bin, würde ich nicht gerne mit dir in einem Haus leben, das er gebaut hat! Es ist schon schwierig, dass ich in seinem Bett geschlafen habe!" stieß er hervor.

Sie küsste ihn, lächelte ihn an. „Das war nie sein Bett, Tom! Ich habe einen Tag vor dem Einzug von der Freundin erfahren, von da an hat er im Arbeitszimmer auf einem Feldbett geschlafen, bis ich ihn losgeworden bin! Dieses Bett ist quasi jungfräulich, was Männer betrifft!"

Ihm fiel ein Stein vom Herzen!

„Und was das Haus anbetrifft", fuhr sie fort. „Ich würde um nichts in der Welt hier wohnen bleiben wollen! Ich hätte es ohne dich nicht gewollt und will es mit dir noch weniger! Außerdem bin ich ein Stadtkind, ich möchte wieder zurück!"

Der zweite Stein fiel ihm vom Herzen!

Und weil sie jetzt schon beim Thema Zukunft waren, fasste er seinen ganzen Mut zusammen und stellte auch noch die dritte Frage. „Und, Süße, könntest du dir vorstellen, zu mir zu ziehen?"

Sie wich seinem Blick aus.
Verdammt, er hatte gewusst, dass es zu früh war, sie zu fragen!

Tausend Gedanken schossen Sina durch den Kopf.
So schnell?
So früh?
Nein!
Ja!
Niemals jetzt schon!
Doch!
Ja!
Nein!
Ja!
Sie war jung!

Tausend andere Paare zogen zusammen!
Sie konnte auch einmal etwas Verrücktes tun!
Sie wollte bei Tom leben, ja, sie könnte es sich vorstellen!

Er starb viele Tode, als sie so lange nachdachte, wusste aber auch, dass er sie wieder einmal überfahren hatte mit seiner Frage.
Für ihn war alles so glasklar, er war sich so sicher, weil er seine Gefühle in der Vergangenheit schon so oft ausgetestet hatte.

Aber sie hatte diese Chance nie gehabt! Mittlerweile war sie sicher, dass sie ihn liebte, das wusste er. Doch würde sie ihm schon so weit vertrauen können, dass sie zu ihm zog? Dass sie ihr altes Leben komplett aufgab, um ihr neues an seiner Seite zu beginnen?
Durfte er das wirklich verlangen von ihr?
Er drehte ihr hübsches Köpfchen zu sich, musste jetzt eine Antwort haben, ganz egal, wie sie ausfiel! Er musste wieder atmen, hatte damit aufgehört, als sie gezögert hatte.

„Ja, Tom, ich könnte es mir vorstellen!" sagte sie, und er wusste, dass sie die Wahrheit sagte, er las es in ihren Augen, und sie wusste es auch.

Er streichelte sanft ihr Gesicht, hatte Tränen in den Augen, schon wieder einmal! Er küsste sie zärtlich, dankbar, voller Liebe, nahm sie dann fest in den Arm, streichelte ihre schönen braunen Locken, sog ihren Duft ein, war der glücklichste Mann der Welt.
„Aber ich weiß ja gar nicht, wo du wohnst, wie du wohnst, ob da Platz ist für mich!" gab sie zu bedenken.

Er sprang auf. Sie hatte wieder einmal Recht. „Komm, wir fahren in die Stadt! Ich zeige dir dein neues Zuhause!" Er war total aufgedreht.
Sie lachte glücklich, befreit und erleichtert! Sie hatte einen Entschluss gefasst, sie war zufrieden mit sich, und seine Reaktion zeigte ihr, dass er wirklich wollte, dass sie zu ihm zog. Er sah aus wie ein großer Junge, der sein Lieblingsgeschenk bekommen hatte, strahlte sie an!

„Also los geht's!" Sie war jung, frei, sie würde jetzt auch mutig sein!


Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt