Kapitel 87 - Danny

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Dr. Daniel Saller ging eine Woche lang durch die Hölle. Er liebte seinen Beruf über alles, hatte ihn durch diesen letzten Job aufs Spiel gesetzt.

Als Sohn einer labilen, alleinerziehenden Mutter hatte er zu kämpfen gehabt, seinen Weg zu gehen. Er hatte den Job als Escort-Boy als Chance gesehen, seinen Lebenstraum zu verwirklichen.

Und ausgerechnet dieser Job würde nun seine Zukunft zerstören. Er grübelte Nächte durch, er trank zu viel, ertrug den Kater, grübelte, suchte nach Auswegen, fand keine.

Dazu kam, dass er seltsamer Weise diese Susanne vermisste.
Ihre Anschmiegsamkeit, ihre absolute Hingabe waren etwas Seltenes, Wertvolles für ihn gewesen.

Sein Neben-Job verhinderte, dass er eine Beziehung aufbauen konnte, nie sah er eine Frau, mit der er geschlafen hatte, ein zweites Mal.
Mit Susanne hatte er mehr Zeit verbracht, als mit je einer Frau zuvor. Er hatte eine gewisse Nähe gefühlt, und er hatte sie genossen.

Wäre der dumme Anruf nicht gewesen, hätte er sich durchaus vorstellen können, sich weiter mit ihr zu treffen.
Doch dann lief alles aus dem Ruder. Und zu allem Überfluss wurde sie auch noch auf seiner Station als Patientin eingeliefert. Worst case!

Aber er musste jetzt vorrangig an seinen Beruf denken. Er musste mit dem Chef sprechen! Er musste ihn bitten, ihm einen Ausweg zu zeigen.

 Er musste die Karten offen auf den Tisch legen.

Er hatte sich nicht wirklich etwas zu Schulden kommen lassen. Vielleicht konnte er auf Verständnis hoffen?
Kurzentschlossen wählte er die Nummer des Chefs.
„Hallo, Herr Dr. Münster! Hätten Sie heute einmal Zeit für mich? Ich müsste mit Ihnen sprechen! Bitte!" stieß er aufgeregt hervor.

„Ist etwas mit Ihrer Mutter?" fragte der Chef.
„Nein! Es geht um mich! Ich muss Ihnen etwas erzählen, beichten ist vielleicht besser ausgedrückt!"

„Dann kommen Sie doch einfach vorbei! Ich nehme mir die Zeit schon!" schlug Dr. Münster vor.
„Nicht in der Klinik! Könnten Sie einen Sprung bei mir vorbeikommen?"
Der Chefarzt war nun doch verunsichert. Was gibt es denn so Geheimnisvolles bei dem jungen Mann? Aber er hörte die Verzweiflung in seiner Stimme. „Also gut, so gegen Sieben!"


Danny legte sich den ganzen Tag die Worte zurecht, tigerte durch die Wohnung, rauchte auf dem Balkon eine halbe Schachtel Zigaretten, obwohl er vor über einem Jahr aufgehört hatte. Er wollte sich ein wenig Mut antrinken, ließ es aber dann lieber sein, er musste seinen Kopf klar halten.

Um halb acht läutete es endlich an der Türe.
Danny war nur noch ein Nervenbündel.
Er fing an zu reden, kaum dass der Chef saß.

Berichtete schonungslos von seiner Escort-Zeit, von Nicks Auftrag, von Susannes Ohnmachtsanfall, als sie dahinter kam, dass sie jetzt ausgerechnet auf seiner Station lag.
„Und Sie haben den Notruf abgesetzt? Und gewartet bis der Wagen kam?" fragte Dr. Münster.
Daniel wich seinem Blick aus. „Na ja! Nicht im Haus! Draußen!"

Der Chef fuhr sich mit den Händen übers Gesicht.
Das war übel! Sehr übel!
Aber der junge Arzt litt unter dem, was er getan hatte, bereute das alles wirklich.
Er war wirklich gut, hatte hervorragende Noten, hatte sein Studium in Rekordzeit durchgezogen, hatte eine vielbeachtete Doktorarbeit geschrieben.

Seine Zukunft hing von seiner Entscheidung ab!
Und was war wirklich geschehen?
Eine psychisch kranke Frau war aus Hass auf ihre Schwester durchgedreht, hatte eine vermeintliche Liebesbeziehung begonnen, war danach noch mehr durchgedreht.

Was er dem jungen Arzt vorwerfen musste, war, dass er nicht bei der Frau geblieben war, bis Hilfe eingetroffen war.
Aber er konnte das auch verstehen.
In solchen Augenblicken konnte man auch einmal eine falsche Entscheidung treffen.

„Dann müssen wir Frau Christen auf eine andere Station verlegen, und Sie werden versuchen, ihr aus dem Weg zu gehen!" sagte er schließlich und sah, wie erleichtert der junge Kollege aufatmete.

Plötzlich ging ihm ein Gedanke durch den Kopf. „Dann fehlte Ihrer Mutter gar nichts?"
„Nein! Ich wusste, ich musste weg, bevor sie mich sieht!"

Sie unterhielten sich noch eine Weile über die Patientin. Danny bekam einige Hintergrundinformationen, konnte dem Chef auch einiges mitteilen.
„Ich könnte ein wenig gutmachen, in dem ich Kontakt mit dieser Sina aufnehme! Vielleicht kann ich Hilfreiches für die Behandlung von Susanne erfahren!" schlug er vor.


Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt