Kapitel 5 - Dienstag. 2.8. (*3*)

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Sina stand hilflos vor dem Berg an Essbarem, der immer noch übrig war. Ein paar Teile konnte sie bis Morgen in den Kühlschrank stellen, aber der Rest würde kaputt gehen. Sie belud sich mit Schachteln und Tüten, klingelte reihum in der Nachbarschaft.
Sie sagte immer wieder den gleichen Spruch auf. „Ich hatte heute Besuch zum Kaffee, und er hat ein bisschen viel mitgebracht!"

Die Nachbarn registrierten zufrieden die Wörter Besuch und er!
Vielleicht gab es ja einen neuen Mann im Leben der netten Sina! Vielleicht hatte sie ja dann den Max endlich los, den komischen, herrischen Typen, der eingebildet war auf was auch immer, der sie vor allen immer dumm angequatscht hatte, wenn sie mal den Mund aufmachte. Der auch äußerlich so gar nicht zu der kleinen Schönheit passte! Seit er weg war, war sie aufgeblüht. Da hatten sie erst mitbekommen, was sie für ein netter, lustiger Kerl war!

Sie hatte nur noch ein paar Kuchenstücke übrig, als sie bei Sabine klingelte, mit der sie sich in den letzten Monaten angefreundet hatte, die immer wieder mit ihr wegging, damit sie unter die Leute kam, wie sie sagte. Doch im Grunde wollte sie Sina zeigen, dass sie durchaus Chancen beim anderen Geschlecht hatte, dass sie auf keinen Fall dem Max nachweinen sollte, dem Idioten! Ein paar harmlose Flirts hatte es immer wieder bei diesen Lokalbesuchen gegeben, die schon Sinas Selbstbewusstsein gut getan hatten.

„Na, hattest du Besuch heute?" Sabine entging fast nichts, was in ihrer Straße ablief, und auf Sinas Haus hatte sie ein besonderes Auge!
Sina lächelte nur.
„Aber der Max war auch da, habe ich gesehen!"
„Ja, das war etwas peinlich!" räumte Sina ein. Oben rief Sabines Sohn nach ihr.
„Ich komme heute auf eine Stunde runter!" versprach die Freundin. „Gegen neun, wenn die Kinder schlafen!"

Sina tanzte nach Hause. Das Telefon läutete schon wieder.
„Hallo, Süße! Ich wollte dich nur noch kurz hören! Geht es dir gut?" fragte Tom.
„Es ging mir nie besser! Danke! Ich habe gerade das restliche Futter an die Nachbarn verteilt!" berichtete sie. „Ein paar Teile habe ich aber schon für Morgen aufgehoben!"
Tom lachte glücklich. Morgen! Ja, Morgen! Ihm wurde schon wieder heiß!
„Dann brauche ich also nichts mitbringen?"

„Nein, du hast lebenslanges Einkaufsverbot in Konditoreien!" Mein, Gott! Was hatte sie denn da gesagt! Lebenslang! Besser nachdenken, Sina! schalt sie sich.
Na, das klang doch gut! dachte Tom. Dieses lebenslang! Sein Herz begann zu fliegen. Lächelnd verabschiedete er sich.

Sina saß auf der Terrasse mit einem Glas Wein und einer Zigarette, versuchte, ihr flatterndes Herz zu beruhigen, sah sich immer wieder sein Foto auf dem Handy an, hauchte ihm Luftküsse zu, ließ den Tag Revue passieren. Sie war glücklich, sie war selig, sie vermisste ihn, seine zärtlichen Hände, seine wunderbaren Lippen, die sie so erregen konnten.
War sie verliebt?
War das Liebe?

Oder reagierte sie einfach auf seine Berührungen und Küsse, weil sie beides schon lange nicht mehr gespürt hatte? Aber er war doch auch so ein netter Kerl, so humorvoll, so ernsthaft, so intelligent, so süß, so hübsch!
Hübsch! Immer wieder kam ihr dieses Wort in den Sinn! Sie mochte dieses Gesicht so sehr! Nicht hart und männlich markant, sondern, na ja, einfach hübsch! Die etwas zu langen Haare, dunkel, seidig, weich, aber unheimlich dicht, ließen ihn viel jünger aussehen als seine knapp 30 Jahre.
Und dann seine Augen! Knallgrün mit einem dunklen Rand, solche Augen hatte sie noch nie gesehen!
War das, was sie da in ihrem Herzen und in ihrem Körper fühlte, Liebe? fragte sie sich noch einmal.

Er hatte heute gesagt, dass er sie liebt, beim zweiten Treffen! Aber er hatte keine Antwort erwartet, das hatte sie gespürt. Er wusste, dass sie ihm keine geben konnte, noch nicht!
Vielleicht konnte Sabine ihr helfen, eine zu finden!
Die betrat gerade den Garten, nahm dankbar ein Glas Wein entgegen.
„Jetzt erzähl mal!" Sie war schon sehr gespannt, was es mit dem Männerbesuch bei Sina auf sich hatte.

Die berichtete in groben Zügen von den Ereignissen der letzten beiden Tage.
Sabine klatschte in die Hände. „Sina ist verliebt!" freute sie sich.
„Meinst du echt? Ich kann das gerade nicht so einordnen, was ich da fühle!"
Sabine lachte. „Er ist so hübsch! Er ist so nett! Er ist so intelligent! Wir haben uns in der Disco drei Stunden lang unterhalten! Er hat mich zu meinem Auto gebracht! Er küsst so gut!" machte sie Sina nach. „Das klingt schon alles nach: Den Typen kann ich nicht leiden!"
„Ja, klar, leiden kann ich ihn schon! Aber bin ich verliebt? Oder ist es nur, weil er der erste Mann seit zehn Jahren ist, der mich als Frau wahrnimmt?"

„Sina! Er ist bestimmt nicht der erste Mann, der dich als Frau wahrnimmt! Denk doch bloß mal an unseren letzten Hausfasching! Die Hälfte aller Männer hat dich umworben! Die andere Hälfte hätte es auch getan, aber da haben die Frauen aufgepasst!"
„Du spinnst!" wehrte Sina ab.
„Ja, klar! Und der hübsche Benni? Der hat nach einer Stunde mit seiner Freundin Schluss gemacht und ist dir nicht mehr von der Seite gewichen!"
Sina lächelte bei der Erinnerung. Ja, das hatte sie schon gemerkt, das stimmte! Aber da war die Trennung von Max noch zu frisch gewesen, da hatte sie noch im absoluten Gefühlschaos gesteckt! Das hatte sie Benni auch deutlich gesagt! Er hatte noch ein paar Mal angerufen, dann schließlich aufgegeben.

„Oder wenn wir im Chaplin sind! Wir waren noch nicht ein einziges Mal da, ohne dass sich Jungs zu dir an den Tisch gesetzt haben und dich angeflirtet haben!"
„Mein Gott! Das waren Studenten! Halbe Kinder! Das war ein Spiel!" wehrte Sina ab.
„Genau! 22jährige halbe Kinder, die eine 25jährige Oma angeschmachtet haben, die aussieht, als dürfte sie ohne Begleitung Erwachsener noch gar nicht weggehen!"
„Angeschmachtet!" Sina musste lachen. „Das hätte ich doch merken müssen!"
„Du merkst doch sowas nicht! Deine Antennen sind total verkümmert! Bei dir musste schon einer kommen, der sich drei Stunden an einer Bar mit dir unterhält, dass du irgendetwas von zwischenmenschlichen Beziehungen mitkriegst!"

„Du meinst also, dass ich verliebt bin?"
„Na ja! Strahlende Augen, lächelnder Mund, rosige Wangen! Ich würde sagen, die Anzeichen sind eindeutig!" Sabine lächelte. „Und habt ihr schon....?"
Sina war ein bisschen verlegen. Heute wollte die Nachbarin aber alles genau wissen!
„Nein, haben wir nicht!"
„Das ist gut! Lass dir Zeit!"
„Na, an mir hat es nicht unbedingt gelegen!" räumte sie lächelnd ein, dachte daran, wie sie ihn gelockt hatte!
„Noch besser! Ein Mann, der warten kann, ist nicht das Schlechteste!"
„So, mehr Intimitäten kitzelst du mir aber jetzt nicht raus!"
Sie erzählte noch von Max' Auftritt, von den drei Unwiderstehlichen gestern. Sabine lachte sich halb kaputt. Nach einer Stunde verabschiedete sich die Freundin. Das Gespräch mit Sina hatte ihr ordentlich Lust auf ihren Mann gemacht, in den sie immer noch verliebt war wie am ersten Tag!

Kaum hatte Sina die Nachbarin verabschiedet, als das Telefon läutete.


Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt