Kapitel 32 - Dienstag, 16.8.

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Am nächsten Tag ging Tom vor dem Dienst zu Benno, der Nachdienst gehabt hatte und noch auf der Station war.
Der sah dem Sanitäter entgegen, gespannt auf seine Entscheidung. Er hatte am Vortag nach dem Gespräch mit Tom mit der Verwaltung gesprochen, hatte erfahren, dass der Junge wohl keine Unterstützung vom Amt zu erwarten hatte, wenn er mit einer berufstätigen Frau zusammenlebte. Aber er hatte mit dem Chef über die Finanzen einen Plan B ausgehandelt.

„Nun?" fragte er. „Entscheidung gefallen?"
Tom berichtete kurz von ihren Kämpfen, nachdem sie die niederschmetternde Antwort von Sinas Freund bekommen hatten. Aber er erzählte auch stolz und zufrieden von ihrem Plan, das Ganze miteinander durchzuziehen.

Dr. Benno Gruber lächelte. Die kleine Sina Christen war perfekt für seinen besten Sanitäter! Sie zeigte ihm die Zähne, trieb ihm sein Machodenken aus, hielt zu ihm, ging mit ihm durch dick und dünn! Die Beiden würden es schaffen!
„Na, das freut mich für euch! Aber ich habe auch eine gute Nachricht. Ich habe mit dem Verwaltungsleiter einen Deal ausgehandelt, weil ich auch Zweifel an der staatlichen Förderung bekommen habe. Wenn du einen Vertrag unterschreibst, dass du fünf Jahre hier bei uns arbeitest, zahlt dir die Klinik 1000 Euro im Monat während deines Studiums aus dem Fortbildungstopf."

Tom verschlug es einen Moment die Sprache. „Und das Geld fehlt dann nicht irgendwo? Ich meine, wir kämen auch so zurecht!"
Benno lächelte zufrieden. Das war typisch Tom! Da hatte er den Kampf seines Lebens ausgefochten gegen seinen Stolz, und wenn sich eine Lösung anbot, die ihm die Zukunft erleichtern konnte, dachte er an andere, denen dieses Geld womöglich fehlen könnte!
„Nein, keine Sorge, du Gutmensch! Der Topf ist für so Quatsch wie Kochkurse für alleinstehende Pfleger oder Töpferkurse für allein erziehende Schwestern. Er wurde in den letzten Jahren nie wirklich ausgeschöpft, läuft eigentlich über!" erklärte Benno.

„Na, dann!" Tom lächelte den Chef an, der ihn so durchschaut hatte. „Das mit dem Vertrag ist kein Problem, ich möchte ja sowieso hier bleiben!"
„Das musst du ja niemandem auf die Nase binden! Also, dann machen wir die Verträge fertig, der Studienplatz ist gebunkert, wir haben da Vorrecht auf einen pro Jahr.
Du arbeitest noch bis Freitag, ab da stellen wir dich frei! Dann kannst du freiberuflich noch ein bisschen arbeiten, wenn sich was ergib! Den Urlaub von zehn Jahren zahlen wir dir aus!" zog ihn sein Chef auf.

Tom hatte sich immer schwer dazu aufraffen können, frei zu nehmen, die Kollegen im Stich zu lassen. „Ab nächster Woche kannst du dich dann immatrikulieren. Und wenn wir dürfen, holen wir dich bei schwierigen Einsätzen, die bekommst du ja dann gut von den Kassen bezahlt! Mach nur deine Flugstunden weiter! Einen solchen Piloten brauchen wir dringend!"

Tom schwirrte der Kopf. So viel Lob konnte er nur schwer auf einmal ertragen! Er bedankte sich bei Benno, ging zum Dienst. Ein wenig wurde ihm das Herz schwer! Zehn Jahre lang war das Bereitschaftszimmer seine zweite Heimat gewesen, ab Freitag sollte diese Zeit dann zu Ende sein. Die Kollegen sahen den bedrückten Tom fragend an.

„Ärger mit Sina?" fragte Fabian vorsichtig.
„Nein! Nicht im Geringsten!" Er erzählte von den auch für ihn überraschenden Ereignissen. Die drei hatten ein lachendes und ein weinendes Auge. Sie freuten sich zwar für ihn, verloren aber äußerst ungern den netten, tüchtigen Teamleiter und Kollegen.
„Dann rechne mal mit deiner Beförderung!" meinte Tom zu Fabian.

Daran hatte der noch gar nicht gedacht. Aber hätte er die Wahl gehabt, hätte er gerne auf den Aufstieg verzichtet.
„Du Depp!" Fabian hatte doch tatsächlich Tränen in den Augen. Acht Jahre lang hatte er zusammen mit Tom Dienst gemacht, sie konnten sich blind vertrauen, sich vollkommen aufeinander verlassen.
„Ich bin doch nicht aus der Welt! Der Chef hat gesagt, er holt mich hin und wieder! Und in fünf Jahren komme ich als fliegender Doc zurück!"

Mittags konnte er kaum erwarten, Sina die gute Nachricht zu erzählen. Wieder flog sie ihm entgegen, er hielt sein ganzes Glück in den Armen, als er sie küsste.
Dann berichtete er von dem Gespräch mit seinem Chef, das ganze Lob spielte er ein wenig runter, Prahlen war so gar nicht sein Ding. Doch Sina konnte schon zwischen den Worten die Wertschätzung heraushören.

„Wenn der Chef also sagt, du kannst dir ein paar Euro dazu verdienen, dann meint er nicht zufällig, dass sie bei schwierigen Einsätzen einen Crack wie dich brauchen?" fragte sie lächelnd.
Er grinste sie an. Sie kannte ihn schon fast zu gut! „Kann schon sein, dass er sich so ähnlich ausgedrückt hat!" gab er zu.

Sina löste sich aus seinen Armen, holte einen Hocker aus der Abstellkammer, stellte eine Kerze darauf und zündete sie an. Tom verstand die Anspielung. „Du meinst, ich soll mein Licht nicht unter den Scheffel stellen?"
„Gut, Herr Bergmann, der Bescheidene!"

„Also, du hättest lieber einen Mann, der heimkommt und sagt: Du der Chef findet, ich bin der beste Pilot auf dem Erdboden, und wenn ich nach dem Studium nicht zurückkomme, bricht die Notfallstation zusammen, weil einen wie mich finden sie nie wieder!" zog er sie auf.
„Zum Beispiel!"

„Dann möchte ich aber eine Frau, die mir am ersten Abend erzählt, dass sie in ihrem Leben bei allen Prüfungen nur Einserschnitte hatte!"
„Du willst mir wohl sagen, dass wir gut zusammenpassen?"
„Zum Beispiel!" konterte er. „Aber ich glaube, das weißt du eh schon!" Er küsste sie zärtlich. „Also, unsere Lippen passen schon mal perfekt zusammen!" stellte er leicht heiser fest.
„Aber, Süße, was sagst du denn zu dem Angebot?" fragte er dann.

„Und das Geld fehlt dann nicht irgendwo anders? Denn wir würden es so auch schaffen!" wollte sie wissen.
Tom lachte. „Genau die Frage habe ich dem Chef gestellt!" Er berichtete von dessen Antwort. Nun musste Sina mitlachen. „Vielleicht passen wir ja besser als gut zusammen?" überlegte sie.

„Das müssen wir jetzt mal praktisch ausprobieren, wie gut wir wirklich zusammenpassen!" schlug er vor.
„Unbedingt!" hauchte sie, denn seine Hände hatten sich schon einmal auf einen sehr gefährlichen Spaziergang unter ihrem Shirt gemacht.

Sie lagen glücklich und erfüllt nebeneinander, als Tom fragte. „Willst du ein paar Tage wegfahren, wenn ich frei habe, so lange du noch Ferien hast?"
„Nein, gar nicht! Ich wüsste jetzt nicht, wo es mir besser gefallen würde als hier!" erklärte sie lächelnd.
„Aber wir könnten mit dem Heli ein paar Tage zu Maria auf die Alm fliegen. Da gibt es ein kuscheliges Zimmer mit Bad!"
„Und woher kennst du ein kuscheliges Zimmer auf einer Alm?" Ab und zu musste sie ihn mit seiner Vergangenheit necken.

„Weil ich da schon öfter ganz allein und einsam geschlafen habe und von einer süßen Sinamaus geträumt habe!" Er stupste sie auf ihr vorwitziges Näschen.
Sie schmunzelte. „Und den Heli kriegst du ein paar Tage?"
„Ja, klar! Je länger desto besser! Wir fliegen tagsüber über die Alpen, landen ein paar Mal, starten und so weiter!"

„Wow! Das wäre natürlich der Hammer!" Sie freute sich wirklich.
„Also, abgemacht, mein süßes Hammermädchen!" Er rief bei Maria an, das Zimmer war die ganze nächste Woche frei, das Wetter sollte traumhaft bleiben.
Dann bestellte er den Heli, dieses Mal den kleinen, denn wenn Sina keine Angst hatte, konnten sie auch mit dem Leichtgewicht fliegen.

Als er zurück ins Bett kam, war er mit sich und der Welt zufrieden. Nach einer Weile war er noch zufriedener, weil er auch noch befriedigt und erfüllt war wie nie zuvor. Das Leben war ein einziger Traum! Besser konnte es nicht mehr werden!


Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt