Kapitel 136 - In den Bergen (*2*)

10 3 0
                                    


Nach der Landung auf der Alm schaltete Phillip sein Handy wieder ein. Eine Textnachricht von Nicki war angekommen. „Ich finde dich süß! Kannst du mir ein Foto von dir schicken? Bitte!" Ein küssender Smiley war angehängt. Wieder lief er rot an.

Er zeigte die Nachricht seinem Vater. Der nahm ihn in den Arm, ging mit ihm auf dem Wanderweg zur Bank, erzählte ihm von der Liebe, von Schmerzen und Freuden, die sie brachte, sprach auch offen über die körperliche Liebe, über Verhütung, Schutz vor Krankheiten. Er holte ein Kondom aus der Hosentasche, zeigte dem Sohn, wie es angewandt werden musste, worauf zu achten sei. Es war nicht der Hauch von Peinlichkeit auf beiden Seiten bei diesem Mann-zu-Mann-Gespräch.

Phillip stellte Fragen, bekam klare Antworten. Schließlich nahm der Junge den Mann in den Arm.
„Ich bin so froh, dass Mama dich damals überredet hat, dass ich zu euch kommen durfte!" stieß er hervor.

Da konnte Tom die Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Phillip, sie musste mich nicht überreden! Als ich das Kind kennengelernt habe, das hinter dem bockigen Jungen steckte, war auch für mich alles klar!"

„Sie hat das Kind gleich gesehen!" erinnerte sich Phillip. „Sie hat meine Mutter geschimpft, weil sie mich geschlagen hat! Das hat mich verwirrt! Ich war es gewohnt, geschlagen zu werden! Von ihr, von Karl, der immer das Geld abgeholt hat!" Er schien nachzudenken. „Meine Mutter war eine Nutte, oder?" Sie hatten nie über Simone gesprochen.

Tom wich seinem Blick nicht aus. „Gut, es gibt vielleicht schönere Worte, aber ja, sie war eine Nutte! Und drogenabhängig!"
„Hast du sie deshalb weggeschickt? Oder wegen Sina?"
Tom war verblüfft. Er hatte nicht geahnt, dass der Junge es die ganze Zeit über gewusst hatte, dass er mit Simone zusammen gewesen war.

„Du hast von uns gewusst?" fragte er.
„An dem Tag, als wir zu Sina gegangen sind, hat sie gesagt: Ich bringe dich zu dem Mann, der dein Vater hätte sein können, wenn ich nicht so dumm gewesen wäre! Ich habe dann später eins und eins zusammengezählt!"

Tom wusste, er musste nun diesem fast schon jungen Mann die ganze Wahrheit erzählen.
„Wir waren sogar verheiratet!" begann er und berichtete über ihre Ehe und ihr Ende.
Phillip hörte gebannt zu. „Ich bin froh, dass du Sina getroffen hast!" sagte er schließlich.
„Und ich erst!" meinte Tom grinsend.

„Wo habt ihr euch kenngelernt?" wollte Phillip wissen.
Da erzählte Tom auch noch die Liebesgeschichte seines Lebens, nicht sehr detailliert natürlich, aber doch sehr ehrlich.

Phillip genoss diese Zeit mit dem Vater, dem einzigen Vater, den er kannte, dem einzigen, den er wollte. Er genoss es, fast als Mann behandelt zu werden, aber auch noch in den Arm genommen zu werden wie ein Kind. Er genoss die Liebe Toms zu ihm, und er genoss, dass Tom die Liebe des Jungen annahm.

„Und was mach ich jetzt mit Nicki?" fragte er dann.
„Was möchtest du denn? Wenn du nicht reagierst, wird sie sich nicht mehr bei dir melden. Wenn du ihr ein Foto schickst, könnt ihr euch hin und wieder texten oder miteinander telefonieren, und wenn du keine Lust mehr darauf hast, sagst du ihr das einfach ganz klar. Aber du musst immer ehrlich sein, zu dir und zu den Mädchen!"

Phillip dachte nach. „Also, ein Foto möchte ich ihr nicht schicken. Aber ich könnte ihr schon antworten!"
„Das nenne ich doch mal einen guten Kompromiss!" Er sah den Jungen ernst an.
„Und, Phillip, noch eines: Du weißt, dass du mich alles fragen kannst, dass du über alles mit mir reden kannst, über wirklich alles, ja? Auch, wenn es dir noch so peinlich erscheint oder blöd vorkommt! Du kannst mit all deinen Gedanken und Sorgen zu uns beiden kommen!"

Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt