Kapitel 31 - Montag, 15.8. (*2*)

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Auf der Straße, durch die sie vor ein paar Stunden so glücklich getanzt war, begannen die Tränen zu fließen. Halbblind lief sie an der Donau entlang.
Und jetzt? dachte sie.
Sie musste mit jemandem reden!
Aber mit wem?

Sie bräuchte jemanden, der Tom gut kannte, der ihr erklären konnte, wie er tickte.
Aber er hatte keine Verwandten.
Sie überlegte, ob sie Patrick anrufen sollte, wusste aber genau, dass er dachte wie sie.
Das wäre auch keine Hilfe.

Sie fiel auf eine Bank, wischte sich die Augen trocken, versuchte sich zu beruhigen.
Plötzlich setzte sich ein junger Mann zu ihr, nahm sie in den Arm.
Nick!
Vielleicht konnte er ihr helfen!

„Na, süße Sina, was ist denn los?" Hatte er anfangs auch gehofft, dass Tom sich bald von ihr trennen würde, hatte er jetzt Angst, dass es dazu gekommen war.
Und aus Sina sprudelten die Worte nur so hervor, sie erzählte einem fast fremden Jungen, mit dem sie vor zwei Wochen noch Verständigungsschwierigkeiten gehabt hatte, von ihrer beider Problem.

Nick hörte geduldig zu, hörte ihre Argumente, hörte Toms Argumente.
Er kannte Sinas Freund gut, Tom war in der Schule drei Stufen über ihm gewesen.

Alle hatten den taffen großen Kerl damals bewundert, der jahrelang Schulsprecher gewesen war, der sich um alle ihre Sorgen und Probleme gekümmert hatte, der sich unheimlich für Drogenprävention eingesetzt hatte, der den Verein Kids Health gegründet hatte.

Für den sein Weg immer klar vor ihm gelegen hatte.

Dann hatte er dieses unsägliche Weib Simone getroffen, die ihn ausgenommen hatte, die sein sauer verdientes Geld in Koks umgesetzt hatte. 

Seine Freunde und er hatten schon lange vor Tom erkannt, dass sie ein Junkie war. Aber er schien ihr hörig gewesen zu sein, hatte seinen Studienplatz aufgegeben, ließ sich von ihr wie ein dressiertes Hündchen an der Leine führen.

Nick sah Sina ernst an. „Schau, Sina, das Problem bei Tom ist die Sache mit Simone. Du weißt von ihr?"

„Ja, schon!"
„Also, er hat damals wegen dem Miststück seinen Studienplatz aufgegeben. Sie wollte keinen mittellosen Studenten, sie brauchte einen Mann, der Kohle für ihre Drogensucht heranschaffte. Wir anderen haben das schon lange gewusst, aber er war wie paralysiert. Er kämpfte seine halbe Schulzeit gegen Drogen, und als er merkte, dass er ihre Sucht finanziert hatte, brach seine Welt ein Stück ein. Vor allem, er hatte wegen ihr seinen Lebenstraum aufgegeben, nahm den Verzicht auch nach der Trennung als Strafe für seine Dummheit an.
Und jetzt kommst du! Alles ist perfekt mit dir, und jetzt soll er auf deine Kosten durchziehen, was er wegen ihr verbockt hat? Ausgerechnet du sollst also für seine Fehler in der Vergangenheit bezahlen? Er will dir die Welt zu Füßen legen, nicht von dir leben, verstehst du?"

Sina verstand Toms Sturheit ein wenig besser, die ihr absolut irrational vorgekommen war.

„Das sind aber schon abstruse Gedankengänge! Ich habe eigenes Geld, Vermögen von meinen Eltern, mein Haus wird am Mittwoch verkauft, da mache ich auch einen guten Gewinn. Was soll ich denn mit der Kohle anfangen, wenn er nicht teilen will? Was soll ich denn jetzt machen?"
„Lass ihm einfach Zeit, Sina! "

Nick verabschiedete sich.
Sie dachte nach.
Und jetzt?
Da kam ihr plötzlich ein seltsamer Gedanke, der sie aber nicht mehr losließ. Sie wollte ans Grab seiner Eltern. Sie hatte dort das letzte Mal eine solch seltsame Kraft gespürt.

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Tom stand in der Wohnung, sah fassungslos auf die Türe, die sich hinter ihr geschlossen hatte.
Sie war gegangen!
Wohin?

Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt