Kapitel 18 - Sonntag, 7.8.

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Um halb sieben kamen Bastian, Fabian und Clemens, um nach Sina zu sehen. Sie freuten sich, sie wach zu sehen. Dann nahmen sie Tom mit nach draußen. Als er wieder kam, sah er sie ernst an.
„Er hat es getan?" fragte sie.
„Ja, sie haben ihn gefunden! Er ist gegen einen Baum gefahren!"
„Okay! War sein Leben!"
Tom hielt sie fest, hatte Angst, dass es ihr doch mehr ausmachen würde, als sie sich eingestand! Dass sie doch Schuldgefühle bekam!
Doch sie blieb ganz ruhig. „Er wollte mich umbringen, Tom! Ich kann nicht weinen um ihn!"

Tom saß den ganzen Tag an ihrem Bett. Immer wenn sie die Augen schließen wollte, rüttelte er sie wach. Er selbst war todmüde, aber er musste sein Mädchen bewachen.
Er redete ununterbrochen mit ihr, ließ sie von der Vergangenheit erzählen, machte Zukunftspläne, sprach über den Umzug, den Hausverkauf, nur damit sie nicht wieder einschlief. Sie bekam noch eine Spritze, die Schmerzen im Hals ließen ein wenig nach, der Kopf wurde immer klarer.

Der Arzt wollte Tom nach Hause schicken, doch der weigerte sich vehement, die Station zu verlassen.
Um 13 Uhr kam die Polizei, ließ sich die Umstände der Tat schildern, nur fürs Protokoll.
„Und Sie sind ganz sicher, dass der Täter ihr Ehemann war?" fragte der eine Polizist.
„Ich bin sicher, dass es Max Bauer war! Dass er mein Ehemann war, würde ich gerne vergessen!" sagte Sina. Sie wollten noch wissen, ob er selbstmordgefährdet war, was sie bejahte.

Als sie weg waren, sah Sina Tom entschuldigend an. „Dein freier Tag! Es tut mir leid!"
„Mäuschen, bitte! Das will ich nicht hören! Du wärst beinahe gestorben!"
„Dann wäre der Tag auch versaut gewesen, oder?" Sie grinste ihn frech an.
Er musste trotz der makabren Aussage lächeln. „Das ist ganz schön schwarzer Humor, du Clown!"

Er nahm sie in den Arm, sie versuchte, mit den Händen unter sein Shirt zu kommen.
„Ah! Hörst du auf, du Biest!" wehrte er sie lachend ab.
„Ich will schmusen!" flüsterte sie ihm zu.
Er lachte los. „Sie schau an! Vor ein paar Stunden hat sie sich ins Koma verabschiedet, dann lässt sie sich mit Adrenalin vollpumpen, mein kleiner Junkie, und jetzt will sie einen total übernächtigten Mann niederschmusen!" Er war überglücklich, dass sie über das Geschehen scherzen konnten.

Sina lachte mit, sah aber dann die Müdigkeit in Toms Augen. „Schlaf ein bisschen! Ich pass auf dich auf!" sagte sie.
„Ja, ja! Und im Schlaf begrapschst du mich dann! Das ist mir zu gefährlich!"
„Oh, der große, starke Tom hat Angst vor mir!" Sie gluckste vor Lachen.
„Das kannst du annehmen! Deine Hände auf meiner Haut sind so ziemlich das Gefährlichste, was ich mit vorstellen kann!" Er musste sie aber jetzt küssen, die kleine Krabbe, die er fast verloren hätte!

Sina klammerte sich an ihn, küsste ihn, als wäre sie am Verhungern und am Verdursten gleichzeitig.
Schweratmend löste sich Tom von ihr.
„Huh! Das Kusszentrum ist aber voll intakt!" meinte er danach lächelnd.
„Aber irgendetwas stimmt mit meinem Mund nicht!" klagte sie.
„Na ja, Süße! Die Gesicht ist ein bisschen geschwollen, er muss ordentlich hingelangt haben!" gestand er. Das Herz tat ihm weh, wenn er daran dachte, dass sie geschlagen worden war!

Sina tastete ihr Gesicht ab. Die Nase war doppelt so dick wie normal, die eine Backe fühlte sich an, als wäre sie aufgeblasen.
„O mein Gott! Wie sehe ich denn aus!"
„Lustig! Wie ein Ballon, dem zur Hälfte die Luft ausgegangen ist!" Er streichelte ihre dicke Backe.
„Tut das weh?"
„Nein, gar nicht!" versicherte sie.
„Ich hole dir einen Eisbeutel, Süße!"
„Pf! Schiefe Süße!"
„Aber nichts desto trotz süß!" Er sah sie sehr verliebt an.
„Tooom? Könntest du mir bitte die Schwester schicken und draußen warten?"
„Natürlich!"

Birgit kam lächelnd herein. „Na, wieder ganz wach?" freute sie sich.
„Ja!" flüsterte Sina. „Schwester, könnten Sie mir bitte die Windel wegnehmen und mit mir zur Toilette gehen? Und gibt es vielleicht ein anderes Nachthemd irgendwo?"
Birgit konnte verstehen, dass das Krankenhaushemd jetzt nicht gerade nach Sinas Geschmack war.

Als Tom wieder ins Zimmer durfte, trug Sina ein rüschchenbesetztes Monstrum aus dem Fundus der zurückgebliebenen Nachtwäsche, aber das war ihr immer noch lieber als das hinten offene Teil.
Tom bekam einen Lachanfall! „Na, jetzt hast du dich aber herausgeputzt! So gewinnst du jede Misswahl!"

Sie machte einen Schmollmund, was durch die dicke Backe noch drolliger aussah.
Er musste noch mehr lachen. „Sina, bitte! Keine Grimassen!" Er legte den in ein Tuch eingeschlagenen Eisbeutel vorsichtig auf ihre Wange, küsste die andere Seite. Wenn ihr noch Schlimmeres passiert wäre, er hätte es nicht überlebt!

„Sag mal, zu Essen gibt es in diesem Hotel hier wohl nichts?" beschwerte sie sich etwas später.
Er suchte die Schwester, um nachzufragen. Auf dem Weg dachte er an das candle-light-dinner, das er für heute bestellt hatte, die Pläne, die er für ihre erste gemeinsame Nacht gemacht hatte, auch wenn es nicht das erste Mal gewesen wäre, dass er sie lieben durfte.
Und nun lag die kleine Schönheit hier, aber es war egal! Sie lebte, würde keine bleibenden Schäden durch den Sauerstoffmangel im Gehirn davontragen, alles andere war vollkommen unwichtig!

Er bat Birgit, etwas zu Essen zu besorgen, sie hatten nicht damit gerechnet, dass Sina so schnell aufwachen würde. Auf dem Rückweg bestellte er den Tisch im Restaurant ab.
„Gleich kommt Futter, Süße!"
Sie aßen gemeinsam von der kalten Platte, dann fielen ihr die Augen zu. Tom wollte auf dem Stuhl ein wenig schlafen, doch zwei Pfleger schoben ein Notbett neben Sinas.
Er hatte noch nicht den Kopf ganz auf dem Kissen, als er schon schlief, seine Hand hielt ihre ganz fest.


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