Kapitel 78 - Ab Freitag, 16.9. (*2*)

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Anschließend stand noch das Gespräch mit der angeblich Geschädigten an.
Bernadette hatte eine gebrochene, verhärmte Frau erwartet, die schwer an dem Erlebten litt. Sie war sehr überrascht, als eine strahlende, glückliche, hübsche Frau herein kam.

„Frau Christen, Sie haben Tom Bergmann beschuldigt, am 31. Juli versucht zu haben, sie zu vergewaltigen. Das ist eine sehr schwerer Vorwurf, den Sie da erhoben haben, der das Leben des jungen Mannes zerstören könnte. Deshalb muss ich Sie fragen, ob Sie sicher sind, ihn einwandfrei als den Mann identifizieren zu können, der Ihnen das angetan hat!"

Sie hatte ihre Worte sehr bewusst gewählt, um der Frau eine Brücke zu bauen. Sie war mittlerweile vollkommen sicher, dass die ganze Geschichte aus der Luft gegriffen war. Doch sie wusste auch, dass es nicht einfach werden würde, Susanne das nachzuweisen.

Wenn sie aber Unsicherheit als Weg nehmen könnte, wäre es für alle leichter, die Farce zu beenden.

Susanne sah die Untersuchungsrichterin ernst an. Sie war seit gestern so glücklich, verstand gar nicht mehr, warum sie das Glück ihrer kleinen Schwester zerstören sollte. „Ich weiß nicht, ich glaube nicht, ich bin mir nicht mehr sicher..." stammelte sie.
„Könnten Sie bitte eine klare Aussage machen?" bat Bernadette.

Susanne holte tief Luft. „Also, also ich bin mir nicht mehr so sicher! Tom ist ja der Freund meiner Schwester, und er ist ja wirklich nett und so gut für sie. Ich glaube nicht, dass er es war! Es wird wohl einer gewesen sein, der ihm ähnlich sieht! Nein, ich bin sicher, er war es nicht! Der hatte eigentlich ganz andere Augen! Braune Augen! Ja, genau! Und auch die Nase war anders! Ich sehe ihn jetzt wieder genau vor mir! Die Nase war viel größer! Und er hat auch ganz anders geredet, irgendwie viel heller war die Stimme! Nein, es tut mir leid, das war nicht Tom, ich haben mich geirrt! Mein Gott! Was habe ich da gemacht! Aber ich war so durcheinander!"

Sie quetschte ein paar Tränen hervor.
Bernadette lächelte sie zufrieden an. „Machen Sie sich keine Sorgen! Das passiert oft! Sollen wir noch nach dem anderen Mann fahnden?" Sie baute Susanne noch eine Brücke.

„Nein! Es ist ja zu Glück nicht viel passiert! Nicht, dass ich mich noch einmal irre! Ich komm da schon drüber weg!"
„Dann schließen wir die Akte? Es ist ihre Entscheidung!" Bernadette wollte sich absichern, es wurde schließlich alles aufgezeichnet.
„Ja! Schließen wir die Sache ab!" Susanne war froh, so aus dem Ganzen herausgekommen zu sein.

„Also nur fürs Protokoll: Sie ziehen Ihre Anzeige gegen Tom Bergmann zurück, weil Sie sicher sind, dass er es nicht war, der versucht hat, Sie zu vergewaltigen?"
„Ja! Ja, genau! Ich bin mir hundert Prozent sicher, dass er es nicht war!"

Bernadette atmete auf. Gestern, anhand der Aktenlage, war sie von der Schuld des jungen Mannes überzeugt gewesen, aber sie war verbohrt wegen ihres Hasses auf Männer. Nachdem sie mit ihm und seiner reizenden Freundin gesprochen hatte, war sie sicher, dass der Sanitäter unschuldig war.

Sie verabschiedete sich von Susanne, ging ins Zimmer der jungen Polizisten.
Vier Augenpaare starrten sie an. „Frau Susanne Christen hat ihre Anzeige zurückgezogen. Sie ist sicher, dass es nicht Herr Bergmann war, hundert Prozent sicher. Sie will auch nicht, dass wir weiter fahnden!"

Ein vierfaches Aufatmen war zu hören. Tom küsste Sina, die Polizisten umarmten sich, dann Tom, dann Sina ein bisschen länger, dann die Untersuchungsrichterin. Bernadette lächelte. So war sie auch noch nie behandelt worden, so freundlich, fast freundschaftlich! Der Dienststellenleiter kam dazu, freute sich über die guten Nachrichten. Er gab der jungen Juristin die Hand. „Was hat sie umgestimmt?"

Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt