Im Oktober musste Tom wohl oder übel wieder an die Uni.
Das Freisemester hatte ihm und seiner Familie gut getan.
Sina fuhr, wann immer es ging, mit den Kindern zum Campus.
Sie aßen gemeinsam zu Mittag, besuchten den Professor, spazierten mit ihren Kindern durch den botanischen Garten.Sie hatten sich tatsächlich einen Kleinbus angeschafft, Tom hatte ohne mit der Wimper zu zucken, seine Sportlimousine hergegeben.
Sina hatte ihren Mini verkauft, zwei Autos waren unsinnig geworden.Im November wartete sie auf ihre Periode, hatte schon seit längerem den Verdacht, eine der letzten Nächte, als sie einmal das Kondom vergessen hatten, war nicht ohne Folgen geblieben. Bald konnten sie sicher sein: Sie war schwanger!
Beide waren außer sich vor Freude, wieder einmal hatte das Glück vollkommen ungeplant zugeschlagen.
Doch zwei Wochen später schlug das Unglück brutal zu.Sie saßen beim Frühstück, als ein messerscharfer Schmerz durch ihren Unterleib fuhr. Sina schrie auf, hielt sich den Bauch, rannte auf die Toilette. Tom ließ das Besteck fallen, rannte ihr nach, sah das Blut, das ihre Beine hinunterlief. Er schrie vor Schmerz auf, sie wimmerte nur noch. Es war viel Blut, zu viel! schoss es ihm durch den Kopf.
Er wählte die Notrufnummer, Bastian und Clemens kamen, tamponierten Sina, brachten sie wieder einmal in die Klinik. Tom konnte nicht mit, drehte fast durch, bis Marie kam, um auf die Kinder aufzupassen.
Er raste zur Klinik, missachtete alle Geschwindigkeitsbegrenzungen. In seinem Kopf drehte sich alles, alle Gedanken mündeten aber immer nur in einem Gedanken: „Sina!" Mein Gott, schon wieder so viel Blut! Das war doch keine normale Fehlgeburt! Dass sie das Baby verloren hatte, schien sicher zu sein. Aber sie hatten sich erst seit 14 Tagen darauf gefreut, dieser Schmerz war nicht so brennend wie seine Angst um Sina.
Als er endlich an der Klinik ankam, war Sina schon im OP.
Wieder einmal stand er im Flur, wieder einmal wusste er nicht, was los war.
Wieder einmal weinte er, bis er keine Tränen mehr hatte.
O Gott! flehte er. Hört das denn nie auf? Sie hatte doch niemandem etwas getan! Wofür musste sie denn immer wieder büßen?Zwei Stunden später schoben sie die Liebe seines Lebens heraus.
Sie schlief noch tief.
Der Chirurg informierte ihn sehr sachlich, dass sie das Kind verloren hatte, dass ein Myom in der Gebärmutter starke Blutungen verursacht hatten, dass sie die Gebärmutter hatten entfernen müssen.
„Wird sie gesund?" war alles, was ihn interessierte.
„Ja, sicher!" versprach der Arzt.
Ihr Körper heilte, doch ihre Seele nicht. Ihr Baby war tot, sie würde kein weiteres bekommen, nie mehr!Tom versuchte, sie aufzumuntern, sie zu erinnern, dass sie drei gesunde Kinder hatten, dass sie weitere auch gar nicht geplant hatten!
Sie versank in einem Strudel aus Schmerz, niemand konnte sie ins Leben zurückholen.
Tom litt mit ihr, ihre Tränen schmerzten ihn körperlich, ihre Lethargie noch mehr.
Seine Kämpferin, die so viel schon ausgehalten hatte, verlor jeden Lebensmut.
Es war wohl ein Schlag zu viel gewesen!Patrick und Marie kümmerten sich so gut es ging, um die Kinder und um Sina. Die Freunde gaben sich die Türe in die Hand, um sie ins Leben zurückzuholen. Nichts half!
Da fiel Tom die Visitenkarte von Sybille Winter in die Hand. Sina hatte sich hin und wieder mit der Psychologin getroffen, vielleicht konnte sie ihr helfen.
Sybille kam zwei Wochen lang täglich vorbei, ließ Sina reden, hörte zu, redete selbst, redete auf Sina ein.
Langsam kam Sina zurück, langsam heilte ihre Seele, langsam nahm sie die Welt um sich wieder wahr.
Langsam sah sie, wieviel Gutes es in ihrem Leben gab, langsam verging der Schmerz.
Langsam versuchte sie wieder zu kämpfen, sie hatte so viel, das den Kampf lohnte.
Ein erstes Lächeln für ihre Kinder, ein erstes Lächeln für Tom hob ihn in den Himmel.Sie verließ das Bett freiwillig, duschte, zog sich an, stellte sich dem Leben wieder mit all seinen Herausforderungen.
Als sie sich das erste Mal wieder sehnsüchtig an ihn presste, wusste Tom, dass seine kleine Krabbe wieder da war. Er hatte nicht gedrängt, hatte ihr Zeit gelassen zu trauern und zu leiden. Um das Kind zu trauern, das sie verloren hatte und um die Kinder, die sie nie haben würde.
Er durfte sie in dieser Nacht wieder lieben, lieben wie eine Prinzessin. Er gab ihr alles, und sie nahm alles an. Nicht dankbar, sondern voll echter Leidenschaft.
Es wurde ein wunderschönes Weihnachtsfest, mit Kinderlachen, Geschenken, einem total überladenen Weihnachtsbaum, Lichterketten an den Fenstern und auf der Dachterrasse. Sie hatte Plätzchen mit den Kindern gebacken. Sie waren wunderbar gelungen, weil kein Tom anwesend gewesen war, der Kusspausen eingefordert hatte.Immer, wenn er nach Hause kam und den Duft nach Vanille und Zimt schon im Treppenhaus roch, platzte sein Herz fast vor Glück. Stoisch putzte er jedes Mal die Küche und die halbe Wohnung, war wieder einmal glücklicher als je in seinem Leben.
Sie waren mit ihren drei Kindern auf dem Weihnachtsmarkt gewesen, aßen Bratwurstsemmeln und kauften Teile für die Krippe dazu. Jeder hatte sich eine Figur aussuchen dürfen.
Alles war vollkommen!Silvester feierten sie zu Hause mit Freunden.
Lea wollte aufbleiben, ging aber um Elf freiwillig ins Bett.
Das Feuerwerk sahen sie von der Dachterrasse aus. Bei jeder besonders schönen Rakete küsste er sie, machte er ihr Liebeserklärungen.Als alles vorbei war, waren sie ganz schön angeheizt.
„Puh!" flüsterte er in ihr Ohr. „Unsere Silvesterfeiern sind immer ganz schön heiß!"
„Haben wir ein Tischlager?" flüsterte sie zurück.
„Nein, aber ein Bett!" Verdammt, warum musste sie sich so reiben an ihm?
Warum mussten ihre Finger am Bund seiner Jeans entlang fahren?
Warum hatte er den Gürtel nicht enger geschnallt, um ihr den Zugang zur verbotenen Zone zu verwehren?Entweder, er nahm sie hier auf der Terrasse, dort in der Ecke hinter dem Sichtschutz, oder er schaffte es, sie durch die Besucher mehr oder weniger unauffällig ins Schlafzimmer zu lotsen.
Er entschied sich für letzteres.Zum Glück waren es wirklich viele Gäste, sie schafften es ohne große Erklärungen. Die Freunde grinsten sich in stillem Einvernehmen an. Sie hatten schon seit einiger Zeit das Feuerwerk beobachtet, das sich zwischen Tom und Sina aufbaute, taten bewusst uninteressiert, als sie sich nach hinten bewegten.
Sie beglückten sich bei einem heißen Quickie, lachten, knutschten, lachten! „Wir sind verrückt!" meinte Sina.
„O ja!" bestätigte Tom selig lächelnd.
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Es lohnt sich zu kämpfen
RomanceTom, gutaussehender Heli-Pilot und Rettungssanitäter, sucht eine Frau für die Nacht vor den langen Nachtdiensten. Sina, Lehrerin, die sich gerade von ihrem Mann getrennt hat, wird von ihren Freundinnen in eine Disco geschleppt. Zwischen Tom und Sin...