Kapitel 92 - Bis Mitte November (*1*)

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In den nächsten Wochen arbeiteten die fünf Vorstände eine Reihe von Konzepten aus. Sina schrieb Texte, wie sie es geplant hatte. Sie dachte sich Lebensläufe von glücklichen Jugendlichen aus, die erfolgreiche Erwachsene wurden, schrieb dann die Version, was aus diesen Kids wurde, weil sie Drogen nahmen.

Patrick übernahm die graphische Gestaltung, Marie suchte eine Druckerei, ließ Flugblätter anfertigen, Tom stellte alles zusätzlich ins Netz, Marc entwarf eine Homepage.

Die unwiderstehlichen Drei erfuhren von dem Verein, traten bei, übernahmen die gezielte Verteilung der Flugblätter in bestimmten Diskotheken und in Brennpunktvierteln.
An den Gymnasien richteten sie dauerhafte Info-Stände ein, die von Gymnasiasten, den Mediatoren, betreut wurden. „Sagt Nein!" in verschiedenen Sprachen stand auf den Bannern.

Sina ging an Schulen, las ihre Texte vor, diskutierte mit den Schülern. Der Verein hatte eine große Präsenz in der Stadt, gewann viele neue Mitglieder, viele Förderer.

Mitte November war dann der Termin für die nächste Ultraschalluntersuchung. Aufgeregt hielten sich die beiden schwangeren Verliebten an den Händen.

Das Bild zeigte nun schon zwei kleine Menschen. Tom nahm den Ausdruck ehrfurchtsvoll in die Hände, seine Augen glitzerten verräterisch. „Oh, ein bisschen hübscher sind sie ja schon geworden!" stellte Sina fest, um die Rührung etwas zu unterdrücken.

„Wollen Sie das Geschlecht wissen?" fragte der Arzt lächelnd. Die beiden erhellten bei jeder Untersuchung seinen Tag.
„Ja!" Das kam einstimmig.
„Also, der große Brocken hier ist eindeutig ein Junge, und links davon sehen Sie seine eher noch zarte Schwester."

„Ein, ein Pärchen!" stammelte Tom. „Ich habe es mir so gewünscht!" Er drückte Sina an sich. „Unsere Annika und unser Felix!"
„Ah, Namen haben Sie auch schon!" freute sich der Doc. Nicht immer waren Schwangerschaften zu erwünscht wie bei diesen beiden hier.

Zu Hause küsste er ihren Bauch. „Und jetzt hör mir mal zu, mein Sohn!" sagte er streng. „Du wirst ab jetzt deiner Schwester nicht mehr alles wegfuttern! Sie muss noch mehr wachsen als du! Also, sei ein Gentleman!"

Zwei Tage später hatte sie Dr. Osterwald zum Abendessen eingeladen. Sie hatten ab und zu gemeinsam zu Mittag gegessen, wenn Sina Tom abholte. Es hatte sich so etwas wie eine Freundschaft entwickelt.

Mit am Tisch saß Jessi, seine Tochter, die sicher hübsch gewesen wäre, wären da nicht die pechschwarz gefärbten Haare gewesen, die schwarz umrandeten Augen, das kalkweiß gepuderte Gesicht.

Sie sah Sina ungläubig an. Die Frau sah aus wie ihre Mutter, nur jünger. Mann, war die schön! Nur ihre Augen hatten eine andere Farbe, Mamas waren eher grau gewesen.
Sina nahm den Blick wahr, hielt ihm stand, ahnte, was in der 15jährigen vorging.

Das Mädchen machte sie eigentlich wütend, weil es offensichtlich dabei war, sein Leben kaputt zu hauen. Die erweiterten Pupillen, die fahrigen Bewegungen, der gehetzte Atem zeugte deutlich von Drogenkonsum, sie kannte diese Anzeichen zu Genüge, genauso wie Tom, der sie wissend ansah.

„Du siehst schrecklich aus!" sagte Sina zu Jessie. „Warum hast du dich so grauslich hergerichtet?"
Der Kleinen fiel das Messer aus der Hand. Der Vater hielt den Atem an, Tom begann zu grinsen. Er wusste: Jetzt begann die Sina-Show!
„Spinnst du?" fragte Jessi respektlos.

„Ich? Ob ich spinne? Sitze ich vielleicht als lebendiges Gespenst und zugedröhnt hier am Tisch? Deine Mutter wäre sicher sehr stolz auf dich, wenn sie dich so sehen würde!"
Dr. Osterwald wollte eingreifen, Tom legte seinen Arm beruhigend auf den des Älteren.
Jessi sprang auf. „Das muss ich mir nicht bieten lassen!"
„Setz dich!" fuhr Sina sie eiskalt an, und seltsamerweise beugte sich das Mädchen ihrer Autorität.

„Aber dein Vater muss sich deinen Anblick, deine Frechheiten, deinen Drogenkonsum gefallen lassen, ja?" Sie sah das Mädchen bitterböse an.

Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt