Kapitel 99 - Eine neue Katastrophe (*1*)

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Tom und Sina hatten nach einer ruhigen Nacht ihre Angst ein wenig in den Griff bekommen. Sie saßen mit Marie und Patrick beim Frühstück, lachten, zogen sich ein wenig auf, ließen es sich schmecken, ließen es sich gutgehen.

Es läutete an der Türe. Sina stand gerade, sie wollte Kaffee holen.
„Ich geh schon!" rief sie und tanzte zur Türe, öffnete und fiel wie ein gefällter Baum um.
Tom schrie wie ein verwundetes Tier auf. „Nein! Sina!"

Susanne stand im Flur, ihr Blick war total irre.
„Ich bringe die Nutte um!" kreischte sie.
Patrick war in Sekundenschnelle im Flur, sah Sina am Boden liegen, sah Tom, der sich über sie beugte, sah Susanne und überlegte keine Sekunde.
Er versetzte ihr einen Faustschlag, der sie ausknockte.
Marie hatte schon den Notruf gewählt.

Tom versuchte Sina wach zu bekommen.
Erinnerungen an die erste Woche kamen ihm in den Sinn.
Tränen liefen über seine Wangen.
Er schrie immer noch: „Sina! Sina! Bitte! Sina! Nein!"
Sie kam zu sich, erbrach einen Schwall Blut.
Susannes Schlag hatte sie voll in den Magen getroffen.

Tom hatte Panik!
Hatte Todesangst!
Sah all das Blut!
Die Babys!
Sina!
Er fürchtete, das Bewusstsein zu verlieren.
Sina übergab sich noch einmal.
So viel Blut!
O Gott!
So viel Blut!

Marie zog ihn weg, Patrick kniete sich neben seine Zwillingsschwester, nahm sie in den Arm.
Susanne bewegte sich, Patrick versetzte ihr noch einen Faustschlag.
„Ich bringe dich um! Ich bringe dich um!" schrie er wie von Sinnen, und schlug noch einmal zu. Marie hielt seinen Arm fest.

Sie hörte das Martinshorn im Hof.
Wieder einmal kamen Fabian, Bastian und Clemens in die Wohnung gestürmt.
Sie sahen Sina auf dem Boden liegen, sahen das ganze Blut, verloren fast ihre Professionalität.

„Faustschläge in den Magen!" erklärte Marie, die als einzige noch den Kopf behalten hatte.
Clemens atmete erleichtert auf.
Zum Glücke keine Messerstiche oder so etwas.
Aber Sina erbrach wieder einen Schwall hellrotes Blut.
„Arterie verletzt!" sagte Clemens. „Schnell! Notoperation!"
Sie schnallten sie auf die Bahre.
Tom heulte auf „Sina! Mein Gott, Sina!"

Sie brachten sie zur Notaufnahme, legten ihr im Wagen eine Infusion, um ihren Kreislauf zu stabilisieren.
Über Funk hatte Fabian alles Notwendige durchgegeben.
Benno hatte den Kollegen im OP Dampf gemachte, alles war bereit.
Sie setzten eine Rückenmarksnarkose wegen der Schwangerschaft, flickten das verletzte Blutgefäß, atmeten erleichtert auf.
Alles war gut gegangen.

Tom saß vor dem OP auf den Boden.
Er war am Ende!
Keiner hatte ihm gesagt, was mit Sina los war.
Was taten sie mit ihr?
Ob sie schwer verletzt war?
Ob die Kinder gefährdet waren?

Er malte sich die schlimmsten Szenarien aus.
Immer wieder Sina!
Warum gingen sie immer wieder auf das kleine, schöne Mädchen los?
Warum griffen sie nicht ihn an?
Warum bekam immer sie alles ab?
Sie hatte in ihrem Leben noch nie jemandem etwas getan.
Sina!
Er schickte tausend Gebete zum Himmel, flehte seine Eltern an, auf sie zu achten!
Er heulte wie ein Kind.

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Patrick hielt Susanne fest, die wieder zu sich gekommen war.
Er wollte sie nicht noch einmal schlagen, hatte Angst, vollends die Beherrschung zu verlieren. Der Schweiß rann ihm in die Augen, brannte zusammen mit den Tränen.
„Hau ab, Kronprinz!" schrie die große Schwester. „Hau ab und nimm deine graue Maus mit! Sonst ist sie die nächste!"

Marie hatte die Polizei informiert, sie nahmen Susanne in Gewahrsam.
Sie tobte wie die Verrückte, die sie offensichtlich war.
Bernadette ordnete die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung der Forensik an.

Sie hatte die Tobende auf dem Revier miterlebt, fuhr sich mit der Hand über die Augen.
Mein Gott!
Hoffentlich war der kleinen Sina Christen nichts Ernsthaftes passiert, dachte sie.
Sie wusste, Tom Bergmann würde das nicht überleben.
Sie grübelte, ob sie einen Fehler gemacht hatte.
Aber sie hatte sie der Obhut der Ärzte überstellt.
Was hätte sie sonst tun sollen?
Sie hatte Kontaktverbot verhängt.
Sie konnte ja nicht die ganze Familie unter Polizeischutz stellen!

Patrick und Marie fuhren zur Klinik, nachdem sie ihre Aussage bei der Polizei gemacht hatten, fanden Tom heulend, am Ende, am absoluten Ende seiner Beherrschung.
„Warum sagt mir denn keiner was?" flüsterte er.

In diesem Moment kam der Chirurg aus dem OP.
Er kannte Tom, nahm ihn spontan in den Arm.
„Es ist alles gut gegangen! Wir mussten eine Arterie nähen, die verletzt war. Es war knapp, aber Mutter und Kindern geht es den Umständen entsprechend gut!"

Sina wurde heraus geschoben, lächelte ihn an.
Noch fühlte sie keine Schmerzen.
Sie hatte ein paar Blutkonserven bekommen, war aber nach dem durchgestandenen Schrecken blass wie der Bettbezug.

Tom küsste sie vorsichtig, etwas Farbe kam in ihr Gesicht zurück.
Den ganzen Weg, den sie in ihr Zimmer geschoben wurde, strich er ihr übers Haar, das blutverklebt war.
„Ich muss es ihr waschen!" dachte er idiotischer Weise. „Sonst schimpft sie mit mir!"

Im Zimmer ließen die Schwestern sie erst einmal alleine.
Er küsste ihr Gesicht, versuchte seine Angst um sie in Griff zu bekommen.
Es war wieder einmal gut gegangen!
Sina war am Leben, würde gesund werden, nichts anderes zählte für Tom.
Er hielt ihre Hand, ließ seine Tränen laufen.

Dann bemerkte die Schwester, als sie mit ihr zur Toilette ging, dass Sina Blutungen hatte, nicht schlimm, aber es musste überprüft werden.
„Unsere Babys!" schrie sie.
Er hielt ihre Hand.
Nein, Gott, das kannst du nicht zulassen, dass Susanne unsere Babys umgebracht hat, dachte er, fast von Sinnen vor Schmerz.

Zum Glück zeigte der Ultraschall, dass alles in Ordnung war.
Die Herzen von Annika und Felix schlugen kräftig.
Es war nur ein Äderchen geplatzt durch den Schlag.

„Zum Glück hat sie nicht tiefer zugeschlagen!" Der Gynäkologe war ziemlich fertig.
Dieses glückliche Paar, das sich so auf seine Kinder freute!
Das war haarscharf gewesen!

Tom war nahe an einer Ohnmacht, aber er musste stark sein für die Liebe seines Lebens.
Er hielt sie im Krankenzimmer fest im Arm, erklärte ihr genau, was passiert war, versicherte ihr, dass den Babys nichts geschehen war.
Patrick und Marie standen tränenüberströmt etwas entfernt.
Mein Gott, das war knapp gewesen!

„Alles wird gut!" sagte Sina, sah Tom fragend an. „Oder, alles wird gut?"
Er nahm sie schluchzend in den Arm.
„Ja, süße Krabbe! Alles wird gut!"
Er drückte sie fest an sich. „Annika und Felix ist nichts passiert! Und dir wird es auch bald wieder gut gehen!"
„Mir geht es schon gut! Weil den Babys nichts passiert ist!" Sie schlief augenblicklich ein.
Patrick hielt Tom im Arm, beide Männer ließen die Tränen einfach laufen, lange, lange, lange heulten sie sich fast die Seele aus dem Leib.


Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt