Kapitel 60 - Sonntag, 28.8.(*1*)

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Als sie aufwachten, strahlten sie sich wie immer verliebt an, nahmen sich in den Arm, kuschelten, erregten sich an ihrer Nähe, liebten sich lange und innig.

Patrick und Marie waren schon auf, Patrick saß vor dem Haus und zeichnete gerade Inga, das Bild von Josie lag schon fertig auf dem Tisch. Obwohl die beiden eigentlich identisch aussahen, hatte er doch die ganz feinen Unterschiede gesehen und verstärkt. Kilian stand schon bereit, er sollte das nächste Model werden.

In rasender Geschwindigkeit fuhr der Kohlestift übers Papier, sein Blick war konzentriert, die Stirn gerunzelt, die Lippen zusammengepresst.
Marie hatte die Augen auf ihn geheftet, in diesen Momenten liebte sie ihn am meisten!

Tom und Sina sahen ihm atemlos zu, hielten sich im Arm.
„Wow!" flüsterte Tom ihr zu. „Das ist ja der Wahnsinn!"
„Ich hab doch gesagt, dass er gut ist!" Auch Sina war sehr stolz auf ihn.
„Ja, gut! Aber er ist genial!"

„Ihr könnt schon laut reden! Ich bin kein hysterischer Maestro, den man nicht stören darf!" sagte Patrick, ohne den Blick von seinem Bild zu nehmen.
Genau so schnell bannte er Kilian aufs Papier.
Die Kinder liefen mit den Zeichnungen zu ihren Eltern.
„Und jetzt du!" bat er Sina.

„Mich hast du doch schon hundert Mal gezeichnet!" wehrte sie sich.
„Quatsch nicht rum! Dich habe ich überhaupt noch nie gezeichnet! Ein paar Mal ein Mädchen mit traurigen Augen, frustriert nach unten gezogenen Lippen, hängenden Backen! Diese Bilder habe ich dann immer gleich zerrissen, weil ich das Gesicht gar nicht ansehen konnte! Aber dieses strahlende Ding da möchte ich heute zeichnen!"

Er schob sie auf den Stuhl. Als er fertig war, kamen Anna und Christian zurück, waren voll Begeisterung über die Porträts ihrer Kinder.
„Dürfen wir die behalten?"
„Klar! Was soll ich denn damit?"

„Was bekommst du denn dafür?"
„Ein Dankeschön oder 10.000 Euro, das könnt ihr entscheiden!" antwortete er grinsend. Sie nahmen ihn in den Arm. „Also, dann: Dankeschön! Dankeschön! Dankeschön!" sagte Anna.
„Bitteschön! Es war mir ein Vergnügen!" Patrick verbeugte sich galant vor der Wirtin.

„Und jetzt Tom!" kommandierte er.
„Nein, nein!" Der wehrte ab, wusste aber bald, dass er verloren hatte, als er dem bittendem Blick seiner Süßen begegnete. „Am besten als Akt!" scherzte Sina.

Patrick schien zu überlegen. „Keine schlechte Idee! Aktzeichnen muss ich eh noch üben!"
Tom flüchtete in den Gastraum. „Anna! Josie! Inga! Frühstück bitte! Ganz schnell!"
Die drei Zurückgebliebenen lachten Tränen.

Sie folgten dem Flüchtling. Patrick setzte sich ihm gegenüber, fing mit einer Skizze an. „Vergiss mich einfach! Ich zeichne eh, was ich sehe, nicht was das Model sehen will!"

So ließen sich Sina und Tom das Frühstück schmecken, Marie naschte noch ein wenig mit. Die Bergluft und die heiße Liebe in der Nacht hatten ihr ordentlich Appetit gemacht. Sie unterhielten sich, lachten viel, tranken Kaffee und Orangensaft.

Als sie fertig waren, legte Patrick zwei Blätter auf die Bank. Eines zeigte Tom, mit strahlenden Augen und glücklichem Lächeln, perfekt getroffen, das zweite die drei beim Frühstück, drei lachende, glückliche Menschen, die das Essen und offensichtlich auch das Leben genossen.

„Das male ich in Öl!" verkündete er. Diese Bilder waren sein Markenzeichen. Ein Gruppe von Menschen, glücklich, traurig, böse, ernst, lachend, bei der Arbeit, auf Flughäfen, am Bahnhof.

Meistens machte er Fotos, holte die schriftliche Erlaubnis ein, manchmal skizzierte er auch, zeigte die Skizze, ließ die Personen hinten unterschreiben. Seine großformatigen Bilder hingen in Banken, Büros, neugebauten Schulen.

Sein zweites Standbein waren die Porträts in den verschiedensten Maltechniken, die er aber nur als Auftragsarbeiten ausführte. Viele Prominente zählten schon zu seinen Kunden. Mit 25 Jahren hatte er einige Erfolge vorzuweisen. Er war froh, dass er die Musik zu Gunsten der Kunst hatte sausen lassen! Er war zufrieden mit sich und seinem Leben, und seit es Sina so gut ging, war er auch glücklich.

Die vier legten sich in Liegestühle, ließen sich die Sonne auf den Bauch scheinen, plauderten, lachten, nickten ein.
Sina war ein wenig schwindlig. Sie war sehr durstig, hatte aber nicht viel Appetit. Nach dem Mittagessen legte sie sich ins Bett und schlief zwei Stunden. Tom saß auf einem Stuhl am Bett, sah sie an, machte sich heftige Vorwürfe, er hatte ihr doch zu viel zugemutet in den letzten Tage!

Vielleicht waren es aber auch nur die Vorboten der Periode, beruhigte er sich ein wenig.
Als sie die Augen wieder öffnete, strahlte sie Tom an. „Warst du die ganze Zeit hier?" fragte sie.
„Klar! Ich muss doch auf dich aufpassen!" antwortete er und strahlte zurück.

„Leg dich bitte zu mir! Ich will ein bisschen schmusen!" bat sie leise.
„Machen wir ein wenig langsam, Süße, in der nächsten Zeit! Sonst klappst du mir noch zusammen!"
„Pf! Sonst noch was!" Das ließ sie nicht gelten! „Nur ein bisschen kuscheln!"
„Du weißt genau, wie das Kuscheln bei uns ausgeht!" Er wollte stark bleiben.
„So? Wie denn?" forderte sie ihn heraus.

„Wir werden uns lieben!" Er konnte nur noch flüstern. Das kleine Biest!
„Und das ist schlecht für mich?" Sie lockte ordentlich.
„Nein! Wahrscheinlich nicht! Hoffentlich nicht!" Er konnte nicht mehr! Welcher Mann hielt ein solches Locken aus?

Er rutschte neben ihr ins Bett, nahm sie in den Arm. Beide waren noch voll bekleidet. Sie kuschelte sich an ihn, froh, dass er ihren Wunsch erfüllt hatte. Aber er hielt sich zurück, küsste sie nur ein wenig auf die Nase, auf die Wange, auf die Lippen, nur ein kleines Küsschen, das aber Blitze durch seinen Körper sandte. Er zog sie ein wenig näher an sich.

Ihr fehlt schon nichts! beruhigte er sich. Vielleicht war es auch die dünne Luft, sie waren doch oft recht hoch geflogen! Morgen würde er sie hier lassen! Oder sie flogen eine kleine Runde und legten sich an einen Fluss!

Sie wollte mehr von seinen Lippen, streckte sich einfach nach oben, wenn er sich so anstellte, sie schon wieder wie ein rohes Ei behandeln wollte! Sie konnte auch mit ihren Lippen über die seinen streichen, sie konnte auch knabbern, seine Mundwinkel liebkosen, Zugang zu seinem Mund finden, mit seiner Zunge spielen! Sie hatte das Küssen ja von ihm gelernt!

Er stöhnte auf, öffnete ihr seine Lippen, wusste er hatte verloren! Sie wollte schmusen, also schmusten sie! Und sie würde noch mehr wollen, also würde er sie lieben, würde ihr geben, was sie sich wünschte.

„Geht es dir besser?" fragte er besorgt eine Weile später.
„Jaha!" beruhigte sie ihn und räkelte sich. Schnell sprang er aus dem Bett. Mehr wollte er nicht riskieren!

Sie lächelte, als er ins Bad flüchtete. Ihr Tom! Immer besorgt um sie! Was er sich denn jetzt wieder zurecht legte, was ihr schaden könnte! Sicher war ihre Müdigkeit ein Vorbote der Periode. Bei der letzten hatte sie ihn noch nicht gekannt, war sowieso immer müde und bedrückt, sie konnte gar nicht sagen, ob es typisch war, dass sie so K.O. war.

Sie zog sich an, um ihm zu zeigen, dass sie ihn nicht weiter locken würde.
Tom war erleichtert, dass sie angezogen war. Sie musste sich erholen, er wollte ihr doch nicht schaden!

Sie gingen nach unten, Patrick und Marie saßen in der Sonne vor dem Haus, er skizzierte ein paar Landschaftsbilder, sie himmelte ihn an.

Tom und Sina bestellten je eine große Tasse Kaffee und Kuchen.
Vielleicht hat sie ja auch nur Unterzucker! dachte er. Sie musste ihr Blut mal untersuchen lassen!

Sina fühlte seinen prüfenden Blick auf sich. „Tom! Mir fehlt nichts! Bloß weil ich einmal zwei Stunden geschlafen habe!" Sie streichelte sein hübsches Gesicht. „Schalt jetzt einfach mal die Überwachungskamera aus, okay?"

Er musste lachen. Seine kleine Krabbe und ihre Sprüche! „Versprochen!"
„Komm, laufen wir ein paar Schritte!" bat sie und stand auf. Ihr wurde ein wenig schwindlig, sie musste sich am Tisch festhalten. Sofort stand er neben ihr, hielt sie mit sorgenvollem Gesicht fest.

„Ich bring dich jetzt ins Krankenhaus!" stieß er hervor.
„Ach, jetzt hör aber auf! Das wird wegen der Periode sein!" versuchte sie ihn zu beruhigen.
„Sicher?"
„Sicher! Das habe ich immer!" schwindelte sie.
„Und laufen hilft?"
„Ja, Bewegung hilft immer! Das entspannt!"

Gut, das klang jetzt schon logisch! Er legte den Arm um sie. „Wir gehen ein paar Schritte!" sagte sie zu Marie.
„Ich komm mit!" Sie küsste Patrick, der in seine Arbeit versunken war und nicht viel mitbekam.
Immer wieder sah Tom seine Schöne besorgt an. „Kamera aus!" flüsterte sie und zeigte auf seine Augen.


Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt