Kapitel 86 - Oktober

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So vergingen die Tage im Oktober. Sie trafen sich mit Freunden, bummelten durch die herbstliche Stadt, liebten sich, gingen Essen, Kaffeetrinken, Tom flog zwei Einsätze, als die Schonzeit um war, sie machten ein paar Übungsflüge, aßen bei Anna auf der Alm zu Mittag.

Ihr Mann und ihre Kinder waren im Tal, die Schule hatte ja wieder begonnen. In zwei Wochen würde sie abschließen und zu ihren Lieben ziehen.

Sie schauten auch bei Peter, Gabi und Kevin vorbei. Das Adoptions-Verfahren lief, Kevin hatte schon ein paar Kilos abgenommen, redete in einer Sprache, die Sina nicht mehr die Ohren bluten ließ. Er himmelte seine Lebensretterin an, malte ihr ein Bild, das ihn im Felsspalt zeigte.

Sie besuchten Patrick und Marie, der Bruder stellte nun auch in einer Regensburger Galerie aus, die Tageszeitung brachte einen ausführlichen Bericht über den begabten Sohn der Stadt, der heimgekehrt war. Sein Song wurde ein echter Hit, zwei andere Melodien wurden auf CD von bekannten Stars veröffentlicht. Geld floss in Strömen, was ihn aber nicht weiter interessierte.
Sina schrieb, Tom lernte schon im Voraus.

Andreas Kochbuch wurde veröffentlicht und ein großer Erfolg. Paul und Joe besuchten ihren Freund, Sina und Tom kamen dazu. Es wurde ein fröhlicher Abend.
Tom hatte mit ihren Eltern ausgemacht, dass man sich zwar treffen könnte, aber nur, wenn nicht über Susanne gesprochen wurde. Das allerdings fiel Pia sehr schwer, so dass man erst einmal auf zu viel Kontakt verzichtete.

Sie gingen Tanzen, manchmal nur eine Stunde, manchmal die halbe Nacht, je nachdem, wie sehr sie sich anheizten, im Hof war es mittlerweile zu kühl.
Marc traf sich ein paarmal mit Sandra, ließ aber das Ganze dann wieder einschlafen. Im Bett war sie in Ordnung, aber er wusste nie recht, worüber er mit ihr reden sollte.

Er mochte keine Dokusoaps, sie fuhr darauf ab, sie mochte keine anspruchsvollen Filme, die er gerne sah.
Wenn er einen Witz machte, sah sie ihn verständnislos an, wenn sie mit ihren Freundinnen kicherte, war er genervt. Er trauerte Jutta, seiner Ex, nicht nach, vermisste eher Sina, suchte einfach etwas Ähnliches!
Sie besuchten Sabine, Peter führte sie durch ihr ehemaliges Haus, was sie stoisch durchstand.

An einem Abend ging sie mit Erika, Ingrid und Eva zum Essen weg.
„Aber nicht in den Club!" warnte er sie lächelnd. Er wusste genau, dass sie nur zum Griechen gehen würden, starb aber trotzdem tausend Tode. Die Erinnerung an seine Träume marterte ihn wieder.

Außerdem war er es nicht mehr gewohnt, ohne sie zu sein.
Er schaltete den Fernseher ein, nur Quatsch!
Versuchte zu lesen, keine Konzentration.
Es war ein Scheißgefühl, ohne sie zu sein!
Er sah Männer vor seinem geistigen Auge, die sie anstarrten, die sie anbaggerten, die sie ihm wegnehmen wollten.

Er tigerte durch die Wohnung, rauchte auf der Terrasse, trank ein Glas Wein, legte eine CD ein, erinnerte sich, wie er auf der Alm zu diesen Liedern mit ihr getanzt hatte, wie ihre Hände zärtlich unter sein Shirt gekrabbelt waren, stöhnte auf, zog seine Schuhe an, schnappte sich seine Jacke und lief, ohne nachzudenken, los in die Richtung, in der der Grieche lag.

Er wusste, dass er sich lächerlich machen würde, doch es war ihm egal!
Sie war seine Liebe, sie musste bei ihm sein.
Er musste bei ihr sein!

Als er das Lokal betrat, sah er erleichtert, dass sie mit ihren Freundinnen alleine am Tisch saß. Kein baggernder Mann weit und breit! Keiner, der sie ihm wegnehmen würde, nur drei Frauen um die 40, die sein Mädchen damals in die Disco geschleppt hatten, damit er sie bekommen konnte.

Sie sah ihn nicht, hatte ihm den Rücken zugedreht.
Erika erkannte ihn, verzog aber keine Mine, was er ihr nie vergessen würde.
Er zog sich zurück, ging wieder in die Wohnung.
Er war ja nicht wirklich eifersüchtig, glaubte ja nicht im Ernst, dass sie ihn betrügen würde, hatte ja nur Angst!
Tierische Angst!
Animalische Angst!
Lebensangst!

Es lohnt sich zu kämpfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt