Kapitel 55 (331) Limousinen-Service Teil I

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Donnerstagnachmittag, gegen 17:00 Uhr, 16.2.
In dem kleinen Ort mit 518 Einwohnern
Haus Familie Bird
Wohnzimmer

Limousinen-Service Teil I

Steve saß mit Amy am Boden im Wohnzimmer, sie machten Hausaufgaben. Dabei beeindruckte sie ihn einmal mehr mit ihrer Ambidextrie.

Angélique kam mit der Post herein. Sie noch im Gehen lesend blieb sie vor ihnen stehen. Beide sahen zu ihr auf.
Amys Mutter trug meistens knielange Röcke, auch, wenn es kalt draußen war. Dann eben mit hohen Stiefeln und dicker Strumpfhose, dazu immer eine Bluse.

Steve hatte sie sehr gerne. Sie war eine kluge, rational denkende Frau, aber eine liebevolle Mutter.

Sie war, das wusste er von Amy, heut nur den halben Tag arbeiten gewesen, weil am Abend eine kleine Party zu Marcus Ehren in dessen Praxis stattfinden sollte und da hatte sie beim Vorbereiten geholfen. 

"Du hast Post von deinem Cousin", sagte sie und kniete sich neben ihre Tochter. Dabei saß sie auch ganz dicht bei Steve, doch das störte ihn nicht.

Amys Eltern waren ihm sehr sympathisch, so sehr, dass er kein Problem mit deren Nähe hatte. Überhaupt wurde dieses Problem leichter, seit er Amy hatte.

"Nur an mich adressiert?", fragte sie verblüfft, nahm den Brief aber entgegen.

"Ja", sagte Angélique lächelnd, strich Steve kurz über die Hand, die zwischen ihnen beiden auf dem Boden auflag, weil er sich abstützte, dann erhob sie sich und fragte, ob sie noch etwas zu trinken brauchten. Amy verneinte, Steve sah zu seinem leeren Glas, er wollte jetzt nicht Ja sagen. Aber Amys liebevolle Mutter war schneller mit Erkennen, als er mit Antworten.

"Ich bringe dir noch etwas von dem guten Apfelsaft, den du so gerne hast", sagte sie und griff über ihn hinweg zu seinem Glas, das am Couchtisch stand.

"Vielen Dank", sagte er schüchtern.

Amy wartete mit dem öffnen ihres Briefes bis ihr Freund wieder mit Trinken versorgt und ihre Mutter zu ihrem Vater in die Küche gegangen war.

Amy lehnte sich an Steves Brust, er umschlang sie fürsorglich von hinten.

Sie öffnete den Brief und sagte: "Du kannst gerne mitlesen, aber ich schätze er ist nicht auf Deutsch. Ich werde ihn dir also vorlesen müssen..."

"Nein", sagte er ruhig, "Das ist deine Post. Die geht mich nichts an."

"Ich habe keine Geheimnisse", sagte sie, doch das war gelogen. Nicht absichtlich gelogen. Nur verschwiegen. Sie wollte nicht, dass es jemand wusste. Ihre Eltern wollten es auch nicht. Sie wollten ganz normal leben. Sie hatte Steve also nicht angelogen, ihm nur einfach nicht die ganze Wahrheit über sich erzählt. Aber womöglich war es langsam an der Zeit. Er schien sie ganz ehrlich gernzuhaben, einfach von sich aus und so wie sie war.

Das war ein Brief ihres adeligen Cousins und alleine die Tatsache, dass sie zwei Cousins hatte und einer davon auch noch adelig war wusste Steve nicht. Denn Steve war klug, er würde herausfinden, dass sie somit auch Adelig sein musste. Zumindest von einer Elternhälfte her und so war dem ja auch.

Ihre zwei Cousins waren nur durch Amy – und der Heirat ihrer Eltern – miteinander verwandt. Denn wäre Amys Vater nicht mit Amys Mutter zusammen, so wäre Amys bürgerlicher Cousin nicht durch die Frau seines Onkels – also Amys Mutter, die dadurch seine Tante war – mit der Grafenfamilie verwandt. Oder zumindest angeheiratet verwandt.

"Wieso öffnest du das Kuvert nicht?", fragte er ruhig, "Soll ich weggehen?"

"Ich glaube, ich sollte dir etwas sagen", sagte sie, sah dabei aber nicht vom Kuvert auf.

Russisches Ballett [BoyxBoy] Band IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt