Kapitel 86 (362) Der Ensembletrainer

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Montag, Tagsüber, 27.2.
In der Stadt
Im Theater an der Küste
Auf der Bühne

Der Ensembletrainer

Keanu erklärte und erklärte und erklärte. Nikolaij aber war in Gedanken ganz wo anders. Bei Cevin. Er hatte ihm eine neue Idee für ein Aktbild vorgeschlagen. Dieses Mal sie beide, wobei sie sich davor erst mit einer Standkamera mit Selbstauslöser fotografieren müssten, in der gewünschten Pose und er würde es dann mit Kohle auf die Leinwand zaubern.

Nikolaij könnte schon bei der Vorstellung einen Harten bekommen. Ganz abgesehen von der Gänsehaut, die er deswegen sowieso schon hatte.

"Hörst du mir zu?", fragte ihn sein Trainer.

Er sah auf und ihn an, dann schüttelte er den Kopf und sagte: "Nein, entschuldige. Ich war in Gedanken. Was hast du gesagt?", dabei musste er sich Mühe geben, nett zu sein, denn Keanu ging ihm sehr auf die Nerven. Gewaltig sogar. Er hatte ihm schon mehrmals gesagt, dass er kein Interesse an ihm hatte und immer noch baggerte er ihn an. Er hatte ihm gesagt, dass er verlobt war und auch das interessierte den Sänger scheinbar nicht. Seit gestern trug er seinen Verlobungs – beziehungsweise Siegelring und hatte ihn auch schon allen gezeigt. Auch Keanu. Nicht, weil er mit ihm befreundet war, sondern, um ihm klar zu machen, dass er vergeben war.

"Und woran hast du gedacht, wenn ich fragen darf?", fragte er leicht gereizt.

"An ein Aktbild mit meinem Partner", er schniefte kurz, weil er durch den Staub hinten im Requisitenraum, aus welchem er zwei Holzhocker geholt hatte, ein Jucken in der Nase verspürte und schon gefühlte zehn Mal hatte niesen müssen.

Keanu sah ihn ungut an, dann sagte er: "Wir haben hier, glaube ich, Wichtigeres zu tun."

"Nichts ist wichtiger als mein Zukünftiger, nicht für mich zumindest. Aber erkläre es mir bitte noch einmal", er riss sich wirklich zusammen.

Keanu kam ihm näher, blieb dicht vor ihm stehen und sah unzufrieden mit ihm auf ihn herab. Er war etwa einen halben Kopf größer als er, schlank, aber nicht muskulös, weniger durchtrainiert als er selbst, nicht annähernd so gutaussehend wie sein Verlobter. Er raubte ihm keineswegs den Verstand, doch seine negativen Vibes schienen nicht richtig bei dem anderen Schwulen anzukommen.

Er sagte leise: "Ich hatte dich darum gebeten mir deinen Text aufzusagen. Du solltest ihn langsam auswendig können."

Nikolaij fühlte sich weniger eingeengt, als bedroht von ihm, wenn er ihm so nahestand, obwohl er es auch etwas mit der Platzangst zu tun bekam, weil er einfach ungerne so dicht bei Menschen war, vor allem, wenn er sie nicht leiden konnte. Ähnlich so, wie es Steve meistens ging.

Nur sein Stolz riet ihm jetzt nicht auszuweichen. Auch wenn Keanu ihn scheinbar mochte, so war er ihm unsympathisch und das durfte dieser ruhig zu spüren bekommen.

Keanu sah ihm ins Gesicht, lange, ausgiebig, dann lächelte er, während sein Blick sich an Nikolaijs Lippen heftete, er beugte sich sanft vor und Nikolaij ging nun doch einen Schritt zurück und streckte die Hand abwehrend aus. Er legte sie ihm an die Schlüsselbeine, nicht erotisch, und murrte: "Wage es nicht!", dabei betonte er jede Silbe bedrohlich. Sein russischer Akzent half ihm dabei erstaunlich gut.

"Willst du es nicht?"

"Was an dem Satz, dass ich an Aktbilder mit meinem Partner denke, hast du falsch verstanden?"

"Das heißt nicht, dass du ihn begehrst."

Nikolaij entglitten die Gesichtszüge und bevor er sich verlieren konnte, machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand Backstage, wo er sich seine Tasche schnappte und durch den Hinterausgang verschwand.

Russisches Ballett [BoyxBoy] Band IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt