Die besonderen Kinder der Lestranges

68. Punktgläser

Brian richtete sich auf und kam auf mich zu, doch bevor er sich traute einen Zauberspruch aussprechen, kam ich ihm zuvor, "Locomotor Mortis!"
Brian, der soeben noch auf dem Weg zu mir war, fiel mit einem lauten Krachen zu Boden.
Die Klasse lachte und Professor Binns schien sich zu besinnen, "Miss Lestrange, raus!"
Wütend sah ich den Lehrer an, doch andererseits war ich auch zu stolz, um wütend zu sein.
Ich stopfte meine Sachen, bis auf die vollgeschmierten Pergamentrollen in meine Tasche und verließ mit einem lauten Knallen der Klassentür das Zimmer.
Ich sah auf die Uhr, kurz nach halb neun, was sollte ich denn nun tun, bis zur nächsten Stunde?
Ich fuhr mit den Fingerspitzen an der Wand entlang und schlenderte über den Korridor.

Ich beschloss mich im Innenhof in die warme Morgensonne zu legen.
Mit verschränkten Armen hinter dem Kopf sah ich träumend in den Himmel über Hogwarts.

Knapp eine Stunde später kamen Jolka und Brian über den Rasen zu mir, "Man Aries, 15 Punkte.", sagte Brian seufzend. Er war fast nie nachtragend, dafür war er zu vergesslich und abgelenkt.
Schulterzuckend setzte ich mich auf und sah ihn an, "Wieso lenkst du mich auch mitten in der Stunde wegen einer Hufflepuff ab? Zudem noch eine Freundin der Grand.", ich schüttelte mich vor Abscheu und Brian zuckte mit den Schultern, während er nervös das Gras entwurzelte.
"Ihr seid beide Idioten, das hätte nicht passieren müssen.", mischte Jolka sich ein und zog mich auf die Beine, "Lasst uns nachsehen, ob Slytherin immer noch auf dem ersten Platz ist. Gestern Abend waren die Hufflepuffs ziemlich nah an uns dran.", sagte sie zweifelnd und half auch Brian auf die Beine.

Gemeinsam gingen wir zur Halle, die für diese Urzeit ziemlich gut besetzt war. Die Schüler saßen gemischt an den Tischen, hingen über ihren Büchern oder übten erfolglos Zaubersprüche.
"Das sind die Fünftklässler, die üben wohl für ihre ZAGs.", sagte Jolka unsicher. Ich wusste, dass sie jetzt schon Angst vor den ZAGs hatte, die erst in zwei Jahren anstanden.
Ich erblickte meinen Bruder, der mit seinen Freunden am Slytherintisch saß, er half ihm beim üben und ausführen von Verwandlungen.
Schnell hasteten wir auf die Punktgläser zu, "Die 15 Punkte haben uns die Führung gekostet.", wütend schlug Brian seinen Kopf gegen die Wand und sah zu mir.
Jolka stieg seufzend die Treppe herunter, "Also auch dieses Jahr kein Hauspokal.", sagte sie entäuscht.
"Es sind nur 10 Punkte, die uns fehlen. Die kriegen wir schon wieder raus und bis zu den Ferien ist ja noch Zeit.", ich rollte mit den Augen und sah mich nach Brian um.

"25.", verbesserte er mich, als die Schulglocke ertönte, denn das Punktglas war umgesprungen.

"Wir kommen noch zu spät zu Verwandlung.", sagte ich und drehte mich um.
Prüfend sah ich durch die Halle, natürlich hatten die lernenden Schüler, unter ihnen Volans, unser aufgewühltes Verhalten bemerkt und musterten uns und die Punktgläser.
Mein Bruder sagte etwas zu seinen Freunden und entfernte sich vom Tisch, um zu uns herüber zukommen, "Wer hat es verbockt?", fragte er mit dem Blick zu den Gläsern.
"Brian.", sagte ich und schob ihm somit die Schuld zu.
Bevor dieser sich wehren konnte redete bereits mein Bruder auf ihn ein.
Grinsend stand ich daneben und genoss das Schauspiel.
Klein geredet stand Brian da und sah zu Boden. Er sagte kein Wort zu meinem Bruder, denn er wagte es nicht einmal ihn anzusehen.
"In den Unterricht, es hat schon geläutet.", beendete er das Gespräch und nickte in Richtung Tür.
Nun mussten wir laufen, um zu Verwandlung nicht zu spät zu kommen. Professor McGonagall war eine der wenigen Lehrer, die Verspätungen fast schlimmer als alles andere fand.
Gerade noch pünktlich erreichten wir den Raum und setzten uns auf unsere Plätze.

Beim Mittagessen setzten sich Draco und Theodore zu uns, die sich sofort lauthals über Hagrid und seine Kröter beschwerten.
"Wenn sie euch so sehr stören, versucht es mal mit Entlifors, der Zauber sollte euch weiter helfen.", sagte ich grinsend.

"Dass da ein Haufen schnatternder Enten besser sind als Kröter bezweifle ich stark.", sagte Richard, der sich gerade zu uns gesellte, "Außerdem kannst du seit Anfang an nicht mit magischen Kreaturen umgehen, Malfoy. Denk mal an den Hippogreif.", sagte er lachend, als Draco das Gesicht schon verzog.
Ich und Theodore mussten in Richards Lachen mit einstimmen, doch Nott verstummte schnell, als mein Cousin ihn seinen Ellenbogen in den Bauch rammte.
"Halt den Mund, Boith.", sagte Draco genervt und wir aßen schweigend unser Mittagessen.

Nach der Mittagspause stand eine Doppelstunde Zaubertränke und Verteidigung gegen die dunklen Künste an.
"Moody mag ein verrückter, alter Auror sein, doch sein Unterricht ist Klasse.", sagte ich begeistert, als ich mit Richard hinunter in die Kerker stieg.
"Er ist verrückt, ja. Er kann einen auch wirklich erschaudern lassen, mit seinen verrückten Geschichten aus seinem Leben, doch er weiß, wie er den Unterricht spannend hält.", stimmte Richard mir zu und wir stiegen gemeinsam durch die Steinmauer in unseren Gemeinschaftsraum.

"Ich lasse heute das Abendessen aus.", sagte ich ruhig, als ich meine Schultasche auf einen Tisch pfefferte.

"Wieso das, Lestrange?", er sah mich verständnislos an und legte seine Tasche zu meiner.
Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich auf den Tisch, "Ich möchte ein wenig Ruhe haben, keinen Trubel zwischen den anderen Schülern."
Richard nickte mir zu, "Ich bringe dir etwas zum Essen mit.", sagte er und stieg, nachdem er seine Krawatte gerichtet hatte wieder aus dem Gemeinschaftsraum, um zum Essen zu gehen.

Der Gemeinschaftsraum war leer und ich hatte Zeit in Ruhe die neuen Sprüche aus Verwandlung zu üben.
Zugegeben waren meine Leistungen in den letzten Wochen in diesem Fach sehr abgesackt, was wohl auch daran lag, dass ich mich mehr auf Verteidigung gegen die dunklen Künste und Pflege magischer Geschöpfe, meine Lieblingsfächer, konzentrierte.

Es war bereits nach ein Uhr morgens, als ich mit Richards Hilfe die Verwandlung zu Stande bekam.
Bevor ich zu Bett ging bedankte ich mich zwei mal bei ihm. Er war ein wahrer Freund, denn nicht viele würden so lange wach bleiben, nur um bei Schulaufgaben zu helfen.