Krankenhaus - Cassian

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Es war die weiche, zögerliche Berührung dünner Finger, die mich aus der Erinnerung wieder zurück holte. Ich konnte nicht verhindern, dass mein Körper etwas begann zusammen zu zucken, als sich je wieder die Realität vor mir öffnete.

„Ja...danke." Die Stimme des Jungen neben mir hörte sich dünn an. Noch etwas befangen begann ich meinen Kopf nur leicht auf und ab zu bewegen. Wie automatisch begann meine Hand nach dem kleinen Nanocomputer in meiner Tasche zu langen. Es brauchte mich nur wenige Handgriffe und durch den Stecker in meinem Ohr drangen die lauten Töne von altem, etwas rauem 80er Jahre Heavy Metall. Ich stellte den Ton etwas leiser um den kranken Jungen keinen Herzinfarkt zu verpassen. Es dauerte noch so etwas 10 Minuten bis ich voll wieder da war und auch mein geringer Verfolgungswahn zurück kehrte.


Mein Wochenende...Wie soll ich es so recht beschreiben?

Was war das einzige was ich mir wirklich dachte als ich am Sonntag in dem Auto saß. Neben mir meine große Schwester, die angestrengt auf die Straße starrte. Einwenig machte mich das dann doch zugegeben nervös. Die Müdigkeit war ihr mit recht an der Nasenspitze anzusehen. Es war ein ziemlich, sagen wir mal, actionreiches Wochenende gewesen. Die Meiste Zeit davon hatte ich zu meinem persönlichen Vergnügen im Krankenhaus verbracht. Das war jetzt nicht unbedingt etwas so außergewöhnliches. Immer wieder verbrachte ich mein Wochenende bei den Ärzten meines Vertrauens. Mein checkte meine Beine mithilfe zahlreichen, für mich zumindest, unnötigen Tests. Zusätzlich redete noch ein Doktor stundenlang mit mir und versuchte mich doch zu einer erneuten gezielten Therapie zu überreden. Es lief eigentlich immer darauf, dass er sich das ganze nicht erklären konnte. Seiner Meinung nach sollte ich eigentlich längst wieder laufen können und würde ich es auch regelmässig trainieren, dann wäre ich vielleicht wieder fast normal. Wie eigentlich immer wenn Ärzte also einmal bei mir keinen Rat mehr wussten schickten sie mich zum Therapeuten. Sie meinten es müsste sicherlich eine psychische Sache sein, da ich ja physisch total gesund war. Wenn man die Blutarmut, chronisch im übrigen, außer acht lässt.

Stunden brachte ich also mal wieder in dem Büro eines Arztes, der mich einfach nur zu quatschte und versuchte an mein Gewissen, meinen Selbsterhalt, zu appellieren. Man kann mich ja für verrückt halten, doch ich empfand das als eine schrecklich nervige Eigenschaft bei Ärzten. Ich wusste ja immerhin schon das ich ein Krüppel war, ewig lange Vorträge konnte man sich also getrost sparen. Seit damals misstraue ich sowieso jedem Arzt. Daran werden sie auch nichts ändern, mein Freund.

Man kann gar nicht glauben wie erleichtert ich doch war, als endlich eine Schwester geplatzt kam und den Arzt dazu brachte mich zu entlassen. Eine Nacht war ich angewiesen in diesem Spital zu bleiben, da man meine Vitalwerte gerne genauer betrachten möchte, um doch noch einen gesundheitlichen Aspekt an meiner Erkrankung feststellen zu können. Für mich erschien es allerdings wahrscheinlicher, dass sich dieser Trottel einfach erhoffte mich doch noch zu einer unnötigen und teueren Therapie bewegen zu können. Kannst du lange warten.

Stunden später lag ich in meinem Krankenhausbett auf der Station, für die speziellen Kinder, um es mal so zu sagen. Die Gesellschaft schien einem seine Behinderung wirklich unter die Nase reiben zu wollen. Ich lag mit zwei anderem im Zimmer. Wir redeten nicht wirklich. Wieso denn? Wir wollten ja eigentlich gar nicht hier sein. Jeder von uns wäre jetzt lieber an jedem anderen Ort.

Schweigend und so ziemlich zu Tode gelangweilt starrte ich an die Decke. Irgendwie versuchte ich mir eine neue Welt um mich zu bauen, die einfach nur so weit weg wie möglich von diesem Zimmer war. Die Umgebung schien einem allerdings jegliche Lebensfreude und Fantasie zu nehmen, so dass ich einfach nur da lag. Wie ein bereits dahin geschiedener starrte ich an die Decke und wartete ab, ob vielleicht jedem Moment eine Schwester kommen würde und den versucht unternähmen würde mich zurück ins Leben zu holen. Passieren tat allerdings nichts. Es erstickte auch niemand an der gesammelten Spucke in seinem Mund. Nichts das es wert wäre in dieser Geschichte erzählt zu werden passierte mir. Lediglich begann ich immer öfter an Alea zu denken. Sie war auch das einzige wirklich außergewöhnliche und vielleicht sogar schöne, dass mir in den letzten Jahren passiert war.

Der Sonntag verlief dann ähnlich. Ich wurde mehr oder minder nur von einem Raum, von einem Ergebnis, zum anderen geschoben. Irgendwann begann ich mir einwenig wie ein ungeliebtes Scheidungskind vor zu kommen, dass keiner der beiden Elternteile wirklich bei sich haben wollte. Sie bemühten sich lediglich um das Sorgerecht, da sie sich im laufe ihrer Beziehung so sehr begonnen hatte zu hassen und es nicht riskieren konnten auch nur einen Scheidungsstreit zu verlieren. Selbst wenn es sich dabei um ihren kranken, schwachen Sohn handelte. Ha! Zum Glück hatte ich wenigstens dieses Problem nie gehabt. Sie waren nie dazu gekommen sich wegen uns zu streiten.

Sobald der Gedanke aufkam begann ich ihn auch schon wieder von mir zu schieben. Damals in diesem einen Krankenhausbett hatte ich mir selbst geschworen nie wieder daran zu denken und alles von diesem tag für immer aus meiner Erinnerung zu bannen. Mein Leben war hart genug, auch ohne die Schuldgefühle. Sie holten mich zwar immer wieder ein, doch ich versuchte mir dennoch immer wieder einzureden, dass ich es einfach verschwinden lassen konnte.

Blaue LED-Lichter erleuchteten die Straße, auf der wir entlang fuhren. Sie vertrieb beinahe die ganze Dunkelheit. Die Nacht war zwar klar zu erkennen, doch hatte ich sie mir eigentlich immer viel malerischer vorgestellt. Ich wollte sie so sehen, wie sie alte Autoren beschrieben. Ich wollte ihre Magie spüren. Das Licht des Mondes, dass meine blasse Haut begann leicht zu kitzeln und die geheimnisvolle Stille, die den Menschen pure Angst über den Rücken laufen lassen konnte. Einmal wollte ich nur die Schattenseite der Erde sehen können. Dem Leben im Licht war ich nämlich damals schon lange abtrünnig geworden. Du weist ja noch gar nicht wie lange.

„Der Arzt hat gemeint, dass deine Ergebnisse gut waren." Ich nickte etwas unbeeindruckt, wand aber dann doch meinen Kopf in ihre Richtung. Sie war ja immerhin meine Schwester, ich konnte sie nicht so behandeln, wie jeden anderen.

„Ja...nicht unbedingt überraschend." Für einen kurzen Moment sah sie mich Nachdenklich an. Ihr Blick verriet nichts gutes, weshalb ich eigentlich sofort begann mich in gewissem Maße unwohl zu fühlen. Ich will nicht diskutieren.

„Hast du es dir noch einmal überlegt? Wegen der Therapie und so..." Ich begann nach vorne auf die Straße zu sehen. Im Geiste legte ich mir mit bedacht gewählte Worte zurecht.

„Ja." Ich spürte die Hoffnung, die mit einem mal in ihr begann auf zu schwappen. Sie begann die Luft mit einer klebrigen Hülle zu benetzten. Verhindern konnte ich nicht, dass Wut in mir hoch kroch. Ich hasste dieses Thema.

„Ich habe meine Meinung nicht geändert." Mit einem mal schien es gefühlte zwei Grad kühler zu werden. Mir war klar dass sie enttäuscht war, dennoch würde ich mir von niemanden so etwas vorschreiben lassen. Ich wollte einfach nicht als geisteskrankerKrüppel abgestempelt werden.

„Ich weiß ja, dass du nicht so begeistert von der Idee bist...Ich glaube nur...es könnte dir vielleicht wirklich helfen." Qualvoll schien sie die Worte zwischen ihren Lippen hervor zu drücken. Ich konnte sehen wie ihre Augen begannen zu glitzern.

„Ich will nicht. Lass es also bitte." Ich versuchte ruhig und besonnen zu klingen, was sie allerdings als schwerer erwies als gedacht.

„Ja, aber....Cassian." Ihre Stimme war bereits brüchig. Sie wollte es zwar nie wirklich aussprechen, doch ich wusste wie besorgt sie um mich war. Wie kann ich dir meine Gefühle nur begreiflich machen? Es ist schwer für mich. Alles! Die Welt scheint mir andauernd ein Bein zu stellen.

„Hör bitte auf. Ich will das einfach nicht. Versucht das einfach zu akzeptieren, wenn du es schon nicht verstehen kannst." Meine Worte klagen eiskalt, als sie mir über die Lippen glitten.

„Aber ich will dich doch verstehen, nur du...!" Ich musste wirklich alle Kraft aufwenden, um nicht mit meiner geballten Faust gegen das Autofenster zu schlagen. Das hätte zwar mir mehr wehgetan, als dem Fenster, doch im Moment hätte ich alles getan um etwas dampf abzulassen.

„Hör auf Katrin!" schrie ich durch das kleine Auto. Sie zuckte merklich zusammen. Schlechtes gewissen begann sofort das Blut in meinen Venen zu ersetzten. Wie ich es doch hasse.

„Es tut mir leid." Ich erwiderte nichts, sondern starrte nur noch aus dem Fenster. Irgendwie versuchte ich so wieder etwas inneren Frieden zu finden.



Born - Pregnant 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt