Neben einem Fluss verdursten

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Der finale Glockenschlag mit dem auch der heutige Tag beendet wurde war für mich einfach nur der pure Segen. Eilig drückte ich das Tablet in meine Tasche und wollte schnell aus dem Raum verschwinden. Der Großteil meiner Klasse war so ziemlich mit dem ersten Hauch eines Tones der Schulglocke verschwunden. Eigentlich wollte ich es ihnen ja gleichtuen, als ich bemerkte dass nicht alle schon verschwunden waren. Ein Schüler packte beinahe schleppend langsam seine Sachen in den Rucksack, den er dann über seine Rollstuhl hing. Ich beobachtete ihn kurz dabei und überlegte ob ich ihn vielleicht ansprechen sollte. Eventuell könnte ich das Missverständnis von heute Morgen wieder klären.

Tendenziell begann ich schon meinen Mund zu öffnen, doch kein Ton wollte so recht hervor kommen um Worte auszubilden. Ich blieb still und sah ihn für ein paar weitere Sekunden einfach nur an. Schließlich gab ich es auf, vielleicht etwas zu früh, doch die Situation begann irgendwie unangenehm zu werden. Schnell warf ich die Tasche über meine Schultern und verschwand aus dem Raum. Gott! Was ist den nur los, sonst schaff ich es doch auch ganz einfach mich zu verstellen, warum also jetzt nicht?

Frustriert kam ich dann schließlich zuhause an und verschanzte mich direkt in meinem Zimmer. Meine Mutter war so mit ihrer Arbeit beschäftigt, dass ein schnelles „Hallo" bereits gereicht hatte um mich bemerkbar zu machen. Erschöpft von dem Tag schmiss ich mich auf mein Bett, während meine Tasche in einer Ecke meines Zimmers verschwand. Das rote Meer an meiner Zimmerdecke schien mir entgegen und ich hörte an meinem Ohr wieder das leichte Knistern der seidenen Bettwäsche. Langsam schob ich mich ganz auf das Bett und betrachtete weiter das Meer über mir, doch heute wollte mich die tiefe der Farbe nicht so recht in sich aufnehmen. Es ist einwenig so als wäre ich ein Künstler, dessen Muse nicht mehr so recht für ihn greifbar ist. Klar kann er sie noch sehen, doch sie scheint sich gerade so weit weg zu befinden, dass er sie mit seiner Hand nicht erreichen kann. Wie ein Verbrecher, den man an einen heißen Juli Tag neben einem frischen kühlen Bach festgebunden hat, beginnt der Künstler mit jeder Minute mehr nach dem zu lechzen und verzweifelte seine Arme nach diesem kühlen Wasser, seiner Muse auszustrecken. Mit kräftigen Strahlen brennt die Sonne dem Mann ins Gesicht und trocknet seinen Körper mehr und mehr aus. Immer größer wird der Schrei seines Körpers nach Wasser. Mit jeder Sekunde steigt seine Verzweiflung, angetrieben von dem unglaublichen Durst. Er beginnt sich mehr zu strecken. So weit, dass ihm die Seile fest in die Gelenke schneiden, doch ihn noch nicht freigeben. Elendig wird er verdursten, da sie keiner ihm erbarmt, auch seine Muse nicht, da sie sein Leiden nicht sieht, oder auch nur nicht richtig begreifen kann. Letztendlich bleiben dem Mann nur zwei Möglichkeiten. Erstens...er verdurstet und erreicht das kühlende Nass nie. Zweitens...Er überwindet sich selbst und beginnt sich den an dem Baum gebunden Arm abzukauen. Der Blutverlust wird enorm sein und selbst wenn er lange genug durchhält um sich an das Ufer zu schleppen, so wird er nach dem ersten Tropfen des kühlen Wasser sterben. Der Tod ist unausweichlich und wird sowohl den Künstler, als auch den Durstenden einholen, dennoch können sich beide entscheiden. Geben sie beide bis zu gewissen Teilen einen Teil ihres Lebens auf und opfern es für etwas anderes, wie die Muse oder das Wasser, dass ihnen für die letzten Minuten noch Freude und Genugtuung schenkt, oder hören sie auf dafür zu kämpfen und sterben ohne das Ziel erreicht zu haben.

Erst relativ spät viel mir auf wie stark meine Gedanken doch von der eigentlichen Unruhe, die dieser Junge heute mit sich in das Klassenzimmer gebracht hatte, abgewichen waren. Sie hatten sich eine fast traurige, schon beinahe tragische Richtung entwickelt. Ich drehte mich in dem Bett zur Seite und schloss langsam die Augen. Ich begann so etwas wie Leichtigkeit zu spüren, doch zu gleichen Zeit wurde mein ganzer Körper schwer träge. Meine Welt hüllte sich mit einem Mal in ein dunkles Lichtundurchlässiges Schwarz. Es schluckte jedes Licht, dass die Welt auf meine Netzhaut warf, so dass ich nichts mehr hatte, dass ich hätte betrachten können. Still bewegte ich mich durch diese undefinierte Ebene. Ich glitt durch einen Fluss, dessen tiefe undefinierbar war. Meinen Blick richtete ich vermeintlich nach oben und wartete darauf, dass ich etwas zu sehen bekam, dass sich etwas regte und mir zeigte wie diese Welt hier funktionierte.

Mit einem mal wurde es um mich herum ganz war. Ich bildete mir sogar ein die Strahlen der Sonne auf meiner nackten Haut zu spüren. Das Wasser um schwemmte langsam meinen Körper und schien ihn so in eine bestimmte Richtung lenken zu wollen. Ich wehrte mich nicht, sondern war gespannt wo mich dieses unendliche Gewässer letztendlich hinführen würde. Weiter und weiter in der Dunkelheit trieb es meinen Körper. Die Wärme auf meiner Haut wurde von Minute zu Minute stärker, nur das Wasser hielt meinen Körper vom überhitzen ab. Immer wieder schwappte es leicht an den Seiten meines Körpers empor und ließ kleine Tropfen auf mich regnen, diese sorgten für zumindest kurzfristige Frische und linderten die Schmerzen der Hitze.

Mit langsam Bewegungen erforschte ich, was lediglich meinen Kopf und die Augen beanspruchte, der Rest meines Körpers trieb ruhig auf der Wasseroberfläche. In der Ferne lenkte dann plötzlich etwas meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich erblickte so etwas wie eine kleine Insel, die mitten in diesem Meer aus Dunkelheit zu treiben schien. In langsam immer zirkulierenden Kreisen begann ich mich mit einer kaum merklichen Strömung um die Insel zu bewegen. Sie war nicht sehr groß und viel mehr als ein einsamer Baum wuchs darauf auch nicht. Der Rest bestand aus blassen, weißen Sand. Länger als meinen denken könnte dauerte es bis ich das Bild wieder erkannte. Es war ein Bild, dass ich selbst noch vor wenigen Augenblicken in meinem Kopf entstehen lassen. Mit der Erkenntnis begann sich auch noch etwas anderes vor meinen Augen abzuspielen, denn so wie ich die Insel und das Gewässer darum erkannt hatte begann ich an den an dem Baum eine Bewegung wahrzunehmen. Sie war schmächtig und fiel mir auch zunächst noch gar nicht auf. Irgendwo schien sich ein seichter Lichtstrahl aus der Dunkelheit bis zu mir durchzukämpfen. Das schwach Licht viel auf den Menschen der an den Baum gelegt saß und seinen Kopf etwas schwach an die Rinde gelegt hatte. Seine Haut war von der Sonne mit einem leichten roten Schimmer angelaufen. Nun schien auch er Notiz von mir zu nehmen und seine müden, milchigen Augen begannen langsam meinen Blick zu suchen. Die Haut um seine Augen hatte sich dunkel verfärbt und gab seinem Blick etwas tieftrauriges. Der Mann, den man als Strafe an den Baum gekettet hat. Nie wieder soll er dem schönen so nahe kommen.

Dumpf hörte ich wie sich das Seil fester um den Baum zu schlangen begann und ein leichtes sägendes Geräusch verursachte, als der Mann sich zu bewegen begann. Sein scheinbar schwacher und ausgelaugter Körper begann sich in meine Richtung zu lehnen und die freie Hand streckte er verzweifelt in meine Richtung. Er sitz gerade so nahe am Wasser, dass er es sehen kann, doch nicht spüren. Die Versuchung, hier eine ewige Qual.

Sein sehnsüchtiger Blick war auf mich gerichtet und schien von mir etwas zu erbitten. Zaghaft begann ich mich langsam aus der Bewegungslosigkeit zu lösen und hoffte ich würde nicht untergehen, wenn ich nun begann mich in diesem unbekannten Gewässer zu bewegen. Wie auch zuvor legte sich das Wasser wie eine zweite Haut um meinen Körper und schien mich zu stützen, beinahe schon über die Gefahr zu tragen. So konnte ich nun ohne einen realen Boden unter den Füßen beginnen langsam zu laufen und mich näher auf diesen verzweifelten Mann zu zubewegen. Fest legte sich das Wasser um mich, so dass ich jedes Mal, wenn ich die Substanz von mir stieß mich so ein kleines Stückchen nach vorne bewegte. Es fühlte sich komisch an zu spüren, dass deine Füße nichts außer Wasser berührten und dennoch du wie auf einem normalen Untergrund zu laufen schienst.

Wie der sanfte fließende Stoff eines langen Kleides begann sich das Wasser um meinen ansonsten freien Körper zu legen und als er sich dann begann aus dem Wasser zu heben blieb das Wasser auf meiner Haut und bildete eine schützende Hülle für meinen Körper. Vor Überraschung weiteten sich die Augen des Mannes, als ich mehr und mehr begann mich dem Ufer zu nähern. 



Born - Pregnant 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt