Ich riss meine Augen auf und sah in das vor Angst entgleiste Gesicht der jungen Krankenschwester. Mein ganzer Körper begann zu erstarren. Sarah sah mich an, während sie ihre Hand schnell wieder zurück zog. Mein Körper war angespannt und gleichzeitig konnte ich mir die Angst in ihren Augen nicht so recht erklären.
„Tut mir leid." Ich hörte es knacken und quietschen, als sich mein Bettnachbar begann auf seinem Bett zu bewegen. Sarahs Aufmerksamkeit löste sich von mir und sah zu ihm. Erst jetzt schien sie seine Wunde zu bemerkten. Das Mal, dass die Wissenschaft an ihm hinterlassen hatte. Sie mag es vielleicht bis jetzt nicht verstanden haben, doch sie musste nun langsam kapieren, dass sie nicht in der Position war um sich auch nur irgendwie eine Meinung zu bilden. Ihr Mitleid wird keinem von uns beiden etwas helfen.
„Bist du hier fertig?" Ihr Blick wanderte wieder zu mir. Ich konnte sehen wie sie begann zu überlegen, sich eine Strategie zurecht zu legen. Letztendlich erkannte ich einen Hauch von Betrübtheit in ihrem Blick.
„Ja." Ein kleines bisschen Mut schien sie wieder mobilisieren zu können und begann tatsächlich zu lächeln. Damit gerechnet hatte ich nicht.
„Ich wünsche euch beiden eine gute Nacht." Irgendetwas an der Art wie sei es sagte schien komisch, doch ich versuchte es nicht all zu sehr zu beachten und wartete nur darauf, dass sie wieder verschwand. Es versetzte mich nicht unbedingt in Hochstimmung, doch ich meinte mich zumindest etwas mehr zu entspannen.
„Findest du nicht, dass du etwas zu hart warst?" Etwas von dem dumpfen Lächeln war noch zu hören, als er mit mir sprach, doch ich erkannte auch, dass er die Frage durchaus ernst meinte.
„Ich bin ihr nicht unbedingt Nettigkeit schuldig." Ich sah ihn an und nun schien ihm klar zu werden, dass ich es wirklich ernst meinte. Der Rest seines Lächeln verschwand und mich überkam mit einem mal wieder diese große Frustration. Ich nahm den Zeichenblock zwischen meine beiden Hände und schmiss ihn plötzlich auf den Boden. Unbekannte Mächte brachten die Blätter zum tanzen, so dass meine Bilder unter weißem Papier verschwanden.
„Hei! Beruhig dich mal wieder." Er hatte sich nun ganz zu mir gedreht. Ich schlug mit meinen Fäusten auf meine leblosen Beine und versuchte den Drang alles kurz und klein zu schlagen erneut zu unterdrücke.
„Ich will hier raus." Er schien mir nicht zu glauben, dass ich wirklich etwas tuen würde, doch schnell hatte ich mich begonnen umzulegen und mich in meinen Rollstuhl zu hieven.
„Was hast du den jetzt vor." Ich drehte meinen Kopf nur kurz nach hinten und schenkte ihm das möglichst künstlichste Lächeln, dass ich kannte. Gerade hätte ich am liebsten jedem einfach nur eine Faust ins Gesicht gedonnert. Warum soll er dass denn nicht wissen?
„Spazieren gehen." Kaum dass er sich auch schon versah war ich auch schon aus dem Zimmer und rollte den Gang hinunter zum Fahrstuhl. Es würde ein Wunder bedeuten, wenn ich es auch nur in die Nähe des Ausganges schaffen würde, doch mir war das einfach egal. Ein Wahn schien mich ergriffen zu haben. Rational denken war nun für mich nicht mehr. Ich wollte Freiheit, einfach nur raus aus diesem Krankenhaus. So viel hatte ich schon über mich ergehen lassen. Es hat mir nichts gebracht. Ich werde nie wieder laufen können! Das Wort Krüppel hat man mir an jenem Tag praktisch auf die Stirn tätowiert. Sie hielten mich für schwach, glaubten nicht, dass ich gefährlich werden konnte. Niemand sah in mir eine Bedrohung. Ich war für sie ja doch nicht mehr als ein hilfsbedürftiges Kind.
Ich hörte das Rattern der Zeit, die mit dem Ticken einer stummen Uhr verging. Stockwerk um Stockwerk begann sich der Lift tiefer zu bewegen. Ein leises Signal deutete mir an, dass ich nun im Erdgeschoss angekommen war. Es hatte nicht lange gedauert, doch dafür schien sich mein Rollstuhl nun in Zeitlupe zu bewegen. Ich spürte Menschen, die an mir vorbei liefen und die Sensoren in den Wänden die so unscheinbar einen überwachten. Ich war paralysiert, als ich den Weg zum Ausgang entlang fuhr. Für einen viel zu kurzen Moment schien mich kein Mensch wahrzunehmen. Ich hätte frei seien können, doch ein inzwischen all zu vertrautes Gesicht tauchte vor mir auf und hielt mich auf.
Doktor Luths Augen wirkten interessiert, als sah er was nun in mir vorging und das ich nicht mehr so recht wusste, was ich tat. Erneut schien ihn diese Gier zu packen und und ich meinte fast zu sehen, wie er sich vorstellte mich auf einem Tisch aufzuschneiden, egal ob Tot oder gar noch bei Bewusstsein.
„Willst du etwa abhauen?" Er lachte, als er das sagte. Ich war aus meiner Trance noch nicht so recht erwacht. Also konnte ich nicht anders, als ihn wieder so falsch anzulächeln. Er wird es sehen.
„Nein, Herr Doktor. Wie kommen sie denn nur auf so eine Idee." Etwas an mir schien ihn beinahe zu verstören, doch er lies sich das nur ganz kurz anmerken, ehe sein Gesicht wieder vermeintlich freundlich erschien. Freude kam schon fast auf. Es war angst gewesen, die ich in seinen Augen hatte erkennen können. Der Moment war nur so kurz gewesen, dennoch war ich mir mit einem mal einer gewissen Macht bewusst. Er versteht mich nicht. Ignoranz und Missverständnis.
„Dann ist ja gut. Was triebst du den sonst hier?" Ich wollte es noch einmal sehen. Dieses taube glitzern. Er sollte sich fürchten. Ja, bitte.
Ich wollte etwas sagen. Meine Erwiderung sollte ihm zeigen, wie sehr ich ihm zu zittern bringen konnte. Langsam begann ich dann allerdings zu spüren, wie der Wahn abklang, sich zu verabschieden schien. Mit einem mal schienen die Gedanken zu verschwinden, genauso wie die Wut. Ich wurde wieder ruhige, fast schon schweigsam. Es war komisch.
„Ich wollte nur etwas aus dem Zimmer." Meine Stimme klang nun wesentlich ruhiger und ich begann auch nicht mehr zu lächeln, eher versuchte ich mich nicht an das passierte zu erinnern. Es schien mir nun so, als hätten meine Gedanken dem eines Monsters geglichen. Was war denn nur los?
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Born - Pregnant 2
HorrorDu kannst dir deine Geburt nicht aussuchen. Weder wo, noch wann, noch wie. Es ist uns vorbestimmt. Wir haben auf der Welt etwas zu leisten, dass wir uns nicht aussuchen können. Egal nun ob gut oder schlecht. Was nur wenn dein Schicksal so nie existi...