Part 47 ~ Fehleinschätzung

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Keine Ahnung, wann ich zuletzt so beschissen geschlafen hatte. Wenn's hinkommt, hatte ich vielleicht ein oder zwei Stunden gepennt. Die restliche Zeit lag ich einfach nur da. Meine Hände hattte ich hinter meinem Kopf verschränkt, während ich an die Decke starrte und nachdachte. Obwohl Josy  neben mir immer mal wieder komisch Träumte und dann irgendetwas murmelte, schien sie durchzuschlafen.
Mir war klar, dass es nicht meine Schuld war, dass alles so gekommen ist. Also das mit den Verletzungen und so. Trotzdem machte ich mir mies Vorwürfe, weil ich erst so spät heim kam. Wenn ich eher da gewesen wäre, hätte sie genauso wenig Kraft gehabt, das weiß ich. Dennoch nervte mich meine Abwesenheit, als sie mich gebraucht hätte. Das, und das was gestern Abend noch dazu kam sorgte dafür dass ich keinen Schlaf bekam, weil mein Kopf einfach nicht die verdammte Fresse halten wollte.

Von alleine lief sie rückwärts zum Bett, und sagte mir mit ihren Blicken dass ich rankommen sollte. Zweimal ließ ich mir das nicht sagen. Oder nicht sagen. Wie auch immer. Sie rutschte auf dem Bett weiter nach hinten, und ich kam hinterher. Mit einem kleinen, aufgeregten Grinsen auf den Lippen lag sie nun unter mir, und schaute mich mit funkelnden Augen an. Doch das Pflaster auf ihrer Stirn brachte mich irhgendwie davon ab, dirtekt loszulegen.
"Was?", fragte sie verunsichert. Ich strich ihr vorsichtig die Haare von der Stirn weg, und schaute mir das Ding genauer an.
"Mir geht's gut.", versicherte sie mir, nachdem sie meine Blicke gedeutet hatte. Aber ich glaubte ihr das nicht.
"Du musst nicht für mich auf stark machen, Baby."
"Tu ich nicht.", wiedersprach sie direkt.
Ohne weiter zu diskutieren, beugte ich mich zu ihr herunter und küsste sie. Erneut fanden sich ihre Hände an meinem Handtuch wieder. Grinsend griff ich nach ihren Handgelenken, und hielt sie fest. Dann legte ich beide über ihrem Kopf ab, und drückte sie sanft in die Matratze. Sie wollte etwas sagen, doch ich unterbrach sie, in dem ich sie wieder küsste. Erneut beschleunigte sich ihr Puls, nachdem ich zum zweiten mal ihren Hals küsste. Während eine Hand immernoch ihre Arme fest hielt, benutzte ich die andere, um ihre Beine weiter auseinander zu drücken, um mir mehr Platz zu verschaffen.
"Warte!", unterbrach sie mich aufgeregt, als ich bereits meine Finger am Bund ihrer Shorts hatte.
"Vielleicht hattest du doch Recht.", gab sie hechelnd zu. Ich ließ ihre Arme frei, und legte meine Hand vorsichtig auf ihre Wange.
"Warum lügst du dann erst?", fragte ich sie sanft.
"Ich weiß nicht. Ich hatte mich so darauf gefreut, wirklich. Aber irgendwie kann ich nicht. Ich wollte dich nicht enttäuschen."
"Man, Baby.", seufzte ich.
"Was denn für enttäuschen? Ich hab doch Verständnis. Deswegen hab ich doch gefragt, ob wir das hinkriegen. Du musst dich doch nicht quälen, nur um mich glücklich zu machen. Was denkst du von mir, hm?" Zugegeben, ich war übertrieben enttäuscht. Das zu überspielen, fiel mir in dem Moment schwer. Ich ging von ihr herunter, und suchte mir Unterwäsche aus meinem Schrank. Obwohl ich es nicht wollte, zeigte ich ihr in dem Moment die kalte Schulter. Natürlich merkte sie direkt, das was nicht stimmte.
"Bist du jetzt sauer?", fragte sie vorsichtig. Kurz drehte ich mich zu ihr herum, und wandte ihr dann wieder den Rücken zu ,während ich mich anzog.
"Ich bring kurz weg.", sagte ich emotionslos, und trug mein Handtuch Richtung Badezimmer. Nachdem ich es aufgehangen hatte, lief ich zurück und setzte mich mit dem Rücken zu ihr auf die Bettkante. Gestresst von diesem abgefuckt langen Tag fuhr ich mir durch die Haare.
"Vladislav.", sagte sie hinter mir, und rutschte zu mir heran. Ihre zierlichen, warmen Hände legten sich auf meine nackten Schultern.
"Ich bin nicht sauer, Baby. Ich bin enttäuscht wegen sowas."
"Deswegen wollte ich es ja versuchen."
"Was? Nein, Baby! Verstehst du nicht, worum es mir geht?", fuhr ich sie wütend an. Eingeschüchtert entfernte sie sich von mir, und musterte mich dann mit leicht erschrockenem Blick.
"Es geht nicht darum, dass du nicht kannst." Ich versuchte, meine Stimme etwas herunter zu fahren, um sie nicht nochmal anzuschreien. Das würde ihr wehtun, und das wollte ich nicht.
"Sondern darum, dass du denkst, dass ich so bin. Dass du denkst ich wäre sauer, wenn du mir sagst dass du nicht mit mir schlafen kannst, weil du Schmerzen hast. Ich bin kein ehrenloser Bastard, das weißt du. Und du bist nicht irgendeine Hure, die mit mir ficken muss, um mich glücklich zu machen. Das weißt du auch." Ich sah, wie sich Tränen in ihren Augen bildeten. Man, ja das klang hart. Aber es musste sein.
"Aber das hab' ich doch gar nicht gemeint.", kam es von dem Mädchen, das gefühlt zwanzig Pflaster auf ihrem Körper hatte.
"Ich weiß doch, dass du mich niemals dazu zwingen würdest. Das was du denkst, hab' ich nicht gedacht."
"Sondern?", fragte ich sie mit untedrückter Ungeduld. Sie rutschte wieder zu mir her, und setzte sich im Schneidersitz hinter mich.
"Naja, ich ärger mich über mich selbst. Alles an was ich den ganzen Tag gedacht habe, warst du. Der Gedanke, bei dir zu sein wenn das alles hier vorbei ist, hat das ganze für mich irgendwie erträglich gemacht."
Nun drehte ich mich ein Stückchen zu ihr um. Die ganze Zeit hatte ich über meine Schulter zu ihr geschaut. Nun sah ich sie direkt von vorne an. Sie spielte verlegen mit dem Stoff der Bettdecke herum, und sprach nebenbei weiter.
"Ich meine, ich hab' mich so sehr auf dich gefreut. Ich wollte einfach an der Tür Wache halten, bist du kommst."
"Hast du doch, Baby.", unterbrach ich sie.
"Nein, ich bin eingeschlafen. Weil ich wieder so schwach war, das nervt mich."
"Baby..."
"Nein.", unterbrach sie mich stirnrunzelnd, und schüttelte dabei mit dem Kopf.
"Ich wollte mich nicht dazu zwingen stark zu sein und mit dir zu schlafen, damit du mir nicht böse bist. Ich wollte mich dazu zwingen, weil ich es unbedingt wollte. Den ganzen Tag wollte ich das. Aber ich versau alles, weil ich keine Kraft hab. Ich hatte die Kraft, Mit Samra essen zu kochen und so einen Scheiß. Aber ich hab keine Kraft, das zu machen, worauf ich mich den ganzen Tag gefreut hatte, und das kotzt mich an." Nun liefen unzählige Tränen über ihre Wangen. Sie hatte sich so reingesteigert, dass ihre Stimme zwischendurch immer wieder versagte.
"Guck, Baby.", sagte ich, und legte meine Hand auf ihr Knie. Immernoch sah sie nach unten, und zupfte frustriert an der Bettdecke herum.
"Du bist mehr als irgendjemand. Du und Samra, ihr seid die einzigsten Personen, denen ich blind vertraue. Du kannst dich auf mich verlassen Baby, ich würde dich nie verlassen. Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn wir diesen behinderten Tag einfach weggefickt hätten. Aber ich hab keinen Spaß, wenn du dich quälst dabei. Ich merk doch, wenn es dir scheiße geht, Prinzessa. Wir müssen nicht heute unbedingt das machen. Wir haben noch genug Zeit, um so viel zu vögeln wie wir wollen. Das muss nicht auf Zwang und sowas sein, du weißt.", redete ich auf sie ein. Sie wischte sich schniefend die Tränen weg, während sie mit immernoch gesenktem Kopf vor mir saß.
"Komm her jetzt.", befahl ich saft, und zog sie an mich heran, sodass sie näher kommen musste. Dann drückte ich sie einfach an mich.
"Scheiß einfach drauf, tamam? Lass uns pennen." Noch einige Minuten hielt ich sie in meinen Armen, und strich mit meine Fingern an ihrem Rücken auf und ab. Ich wusste, dass sie das mochte. Irgendwann hatte sie sich etwas beruhigt, und legte sich neben mich. Gleich danach schlief sie ein, während ich wach blieb und auf sie aufpasste.


Ich könnte mich selbst dafür schlagen, dass sie wegen mir weinen musste. Andererseits hatte ich ja nichts schlimmes gemacht. Tamam, vielleicht hätte ich sie nicht anschreien sollen. Aber ich war wütend, nahui. Das ist es halt schwer nicht zu schreien, wenn mich was aufregt. Laut atmete ich durch die Nase ein und aus, und sah an mir herab. Josy lag so halb auf meinem nackten Oberkörper. Irgendwann diese Nacht hatte sie sich an mich gekuschelt, und mich seitdem nicht mehr losgelassen. Ich hätte nicht mal pissen gehen können, ohne sie wach zu machen. Aber wallah, das war mir komplett egal. Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihren Kopf, um sie sanft zu streicheln. Sie bewegte sich einen Millimeter, schnaufte leise, und schien dann weiter zu schlafen.

Josy

Als ich aufwachte, war ich von angenehmer Wärme umgeben. Ich spürte, wie jemand ganz sanft über meinen Kopf strich. Vladislav.
Meine Augen brannten immernoch von den salzigen Tränen, die ich in der letzen Nacht verheult hatte. Ich rutschte noch weiter an den Ukrainer heran, und legte meine Wange dann wieder auf seine n Oberkörper. Das regelmäßige heben und senken seines Brustkorbes beruhigte mich ungemein. Ich glaube, so wohl habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Wir hatten ein Problem gelöst. Ein Problem, das uns über einen längerem Zeitraum den letzten Nerv geraubt hatte. Abgesehen davon das Khalil immernoch irgendwo da draußen auf uns lauerte, war alles gut. Zum ersten mal seit langem hatte mein letzter Kontakt mit Samra nicht im Streit geendet. Ich weiß nicht, ob er das Zeug gestern noch genommen hatte. Falls ja, konnte ich ihn zumindest für ein paar Stunden davon abhalten. Das war irgendwie viel wert, auch wenn ich im Prinzip nichts gekonnt hatte.
Vladislav fuhr mit seiner Hand unter die Bettdecke, und strich dann langsam an meinem Arm auf und ab.
"Hey.", sagte er, und sein gesamter Oberkörper vibrierte.
"Hey.", antwortete ich, und rutschte dann etwas nach oben.
"Alles gut?", brummte er.
"Ich denke schon."
Auf einmal klingelte sein Handy. Er drehte sich ein Stück um heran zu kommen, und schniefte dann absichtlich laut. Gleich danach nahm er ab.
"Was?", fragte er ernst.
"Dieser kleine Hurensohn.  Ja tamam, gib mir halbe Stunde dann bin ich da."
"Was ist los?", fragte ich, nachdem er aufgelegt hatte.
"Ich muss was regeln. Tut mir leid, Baby."
"Kann ich mit?", fragte ich ihn hoffnungsvoll. Mit empörtem Blick sah er mich an. Ich wusste genau, was er antworten wollte. Also ersparte ich mir das.
"Kannst du das dann wenigstens morgen oder heute Abend klären? Wir haben uns doch gerade erst wieder...", bat ich ihn traurig.
"Baby, nein. Ich muss das jetzt machen. Das ist wichtig, verstehst du. Ich klär das schnell, komm wieder her, und dann gehör' ich nur dir, versprochen.", sagte er mit einem kleinen, dreckigen Grinsen am Ende.
"Nur mir heißt?", provozierte ich fröhlich. In wenigen Sekunden hatte er sich angezogen, und war nun damit beschäftigt seinen Gürtel zu zu machen.
"Scheiße, warum geht das...", beschwerte er sich, als sich sein Gürtel irgendwie verhakt hatte. Ich stand auf, stellte mich vor ihn, und half ihm bei seinem Problem.
"Also? Was heißt nur mir?", wiederholte ich meine Frage. Er sah mich mit erregtem Blick an. Dann legte er seine Hände an meinen Hintern, und drückte mich gegen sich.
"Heißt, du kannst mit mir machen was du willst. Ich mach' alles, was du sagst. Und noch mehr.", flüsterte er schmunzelnd. Dann drückte er mir einen Kuss auf die Stirn, kniff mir leicht in den Hintern, und verließ das Zimmer.

Wäre mir zu dem Zeitpunkt gewusst gewesen, dass dies vorerst der letzte schöne Moment zwischen ihm und mir sein würde, hätte ich ihn niemals gehen lassen.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt