Part 87 ~ Late Night Talks

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Ein lauter Knall ließ mich mitten in der Nacht aufschrecken. Im Zimmer herrschte vollkommene Dunkelheit, sodass es unmöglich war, etwas zu erkennen.
„Vlad?"
Tastend suchte ich mein Handy, um mir mit der Taschenlampe Licht zu beschaffen. Als ich mich umsah bemerkte ich, dass Vladislav nicht mehr hier war.
Wieder ertönte dieses schreckliche Geräusch, welches mich ein weiteres Mal zusammenzucken ließ. Nun konnte ich zuordnen, woher es kam. Sicherlich war er durch das Fenster hinausgeklettert, nachdem ich eingeschlafen bin.
Meine Beine fühlten sich an, als wären schwere Betonklötze an ihnen befestigt. Allgemein hatte ich das Gefühl, dass jede meiner Bewegungen in Zeitlupe erfolgte. Mir war es nicht möglich, mich schneller zu bewegen, so sehr ich es auch versuchte. In manchen Körperteilen hatte ich nicht einmal Kraft, geschweige denn irgendeine Art von Gefühl, so als wäre ich teilweise gelähmt.  Ein letzter kühler Windstoß peitschte mir entgegen, bevor ich das auf- und zu fliegende Fenster verschloss. Warum hatte er mich nicht wach gemacht, und war einfach gegangen?
Als ich mich wieder umdrehte, überkam mich plötzlich dieses eigenartige Gefühl. Ich bemerkte, wie mich jemand anstarrte. Nachdem ich jede Ecke meines Zimmers abgeleuchtet hatte, musste ich allerdings feststellen, dass da niemand war. Jetzt knallst du schon durch, dachte ich mir, und schüttelte dabei schmunzelnd den Kopf.
Schneller als ich gucken konnte, verschwand dieses Lächeln aus meinem Gesicht, als ich ihn auf meinem Bett sitzen sah. Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich beinahe mein Handy, und somit die einzige Lichtquelle in diesem Raum fallen ließ.
Er schaute mit finsterem Blick zu mir hinauf, und erhob sich dann langsam.
Nicht schonwieder.
„Was...was suchst du hier?", stammelte ich angsterfüllt. Mit bis zum Hals klopfendem Herzen trat ich zurück, immer wenn er mir wieder einen Schritt näherkam.
Die ganze Situation schien mir paradox, denn er trug exakt die gleiche Kleidung wie am Abend zuvor. Das weiße, blutbefleckte Hemd, und die dazu passende Hose. Aus den kleinen Wunden in seinem Gesicht trat frisches Blut, so als hätte sie ihm jemand gerade eben erst zugefügt. Beim Griff an seine Bauchtasche fielen mir wieder seine aufgerissenen Fingerknöchel auf.
Als ich nicht mehr weiter nach hinten ausweichen konnte und mit dem Rücken an der Wand abprallte, setzte meine Atmung für einen Moment aus. Das Blut in meinen Adern gefror, während ich das Gefühl hatte von innen heraus zu verbrennen.
Ich halluziniere. Das kann nicht real sein.
„Hat dir meine Warnung heute früh nicht gereicht?", brummte der Libanese, nachdem er mich eingekesselt hatte. Ich schluckte trocken.
Mein Vater sprach oft von dieser einen Theorie, die er mal irgendwo gelesen hatte. Ockhams Rasiermesser. Sie besagte, dass die einfachste Erklärung meist die richtige war. Ehe ich mir also ein Dutzend Möglichkeiten ausdachte, weshalb Samra nun blutverschmiert und blindwütig vor mir stand, setzte ich alles auf die Erklärung, die mir am einfachsten erschien. Vladislav war weg, und Samra hatte mich in meinem Zimmer aufgesucht. Er musste es ihm gesagt haben.
„Vladislav.", flüsterte ich. Wie konnte er mir nur so in den Rücken fallen? Nachdem er mir geschworen hatte, nichts zu Samra zu sagen?
„Petzen konnte ich noch nie ab.", knurrte der schwarzhaarige Riese.
„Ich hab früher schon jeden gefickt, der mich verraten hat."
Scheiße, der wird mich umbringen.
Natürlich hatte er Recht. Was ich getan hatte war nichts anderes, als ihn bei Vladislav zu verpetzen. Aber was hätte ich denn sagen sollen? Es war mir von Beginn an nicht möglich gewesen, Vladislav anzulügen. Selbst wenn ich es irgendwie schaffte, durchschaute er mich sofort.
Im Augenwinkel sah ich, wie etwas das Licht meiner Handytaschenlampe für einen winzigen Augenblick reflektierte. In dem Moment als ich realisierte was es war, wurde mir schlecht.
„Bitte, du musst das nicht machen!", flehte ich ihn an. Doch Samra ignorierte mich gekonnt. Aus mir unerklärlichen Gründen war mein Körper erstarrt. So sehr ich auch wollte und es versuchte, ich konnte mich nicht bewegen. Ich wollte ihn wegschubsen, als er mein Top nach oben schob. Sein Klappmesser, welches er mit der Spitze an meinen Bauch hielt, wollte ich ihm aus der Hand schlagen. Jedoch war alles was von mir kam drei kleine Wörter, welche unbedacht aus mir herausplatzen.
„Du scheiß Psychopath."
Das Nächste was ich sah, bevor sich die Wärme in mir ausbreitete, war sein triumphierendes Lächeln. Als ich dann an mir hinabblickte, steckte das Messer bereits bis zum Anschlag in meinem Bauch. Obwohl ich mit meinen eigenen Augen sah, wie das Messer meine Haut durchdrungen hatte, spürte ich keinerlei Schmerz. Ehe ich mich fragen konnte warum das so war, hatte der Libanese meinen Kopf angehoben, damit ich ihn anschauen musste. Doch ich sah ihn nicht. Ich spürte nur eine einzige Sache, und das waren seine Lippen auf meinen.


Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt