Part 32 ~ Alles dreht sich

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Wir stiegen aus Samra's Lamborghini, nachdem er nur wenige Meter von der Shihabar entfernt geparkt hatte. Ich steckte meine frierenden Hände in die Taschen der Jacke, die mir Vladislav gab und versuchte sie somit etwas zu wärmen. Für einen kurzen Moment sah der Ukrainer zu mir und warf mir ein kleines aufmunterndes Lächeln herüber, welches ich zaghaft erwiderte. Ich ließ die Jungs vorneweg laufen, und folgte ihnen mit dem Blick auf den Boden gerichtet.
"Ah, warte.", stoppte Samra plötzlich, kurz bevor wir beim Eingang waren. Er kramte in seiner Bauchtasche herum, während er sich zu mir umdrehte. Eigentlich wollte ich ihn ignorieren und an ihm vorbeilaufen, doch er kam mir zuvor.
"Hier, nimm.", sagte er. Mit ausgestrecktem Arm hielt er mir seinen Autoschlüssel hin. Skeptisch gestimmt blickte ich zu ihm hoch.
"Wieso?"
"Capi und ich wollen trinken. Einer muss uns dann heim fahren.", sagte er mit kratziger Stimme. Verblüfft schaute ich zu meinem Freund, der mich ausdruckslos ansah.
"Und wenn ich auch trinken will?"
"Keiner hat gesagt, dass du trinken darfst. Nimm jetzt." Er kam einen Schritt auf mich zu, und steckte mir den Schlüssel in die Jackentasche. Fassungslos stand ich da und sah dabei zu, wie er einen arroganten Abgang hinlegte und als erster die Shishabar betrat. Wieder sah ich zu Vladislav.
"Komm.", sagte er sanft, kam zu mir, und legte seinen Arm um meine Schultern.
"Aber ich...", setzte ich an, doch ich verstummte gleich wieder.
"Wir können auch Taxi nehmen. Klar darfst du trinken.", versuchte er mich aufzumuntern.
"Nein, ist okay. Ich fahr schon.", lehnte ich sein Angebot leicht gekränkt ab. Nicht heulen. Nicht heulen. Komm schon, reiß dich zusammen.
Schnell schluckte ich meinen Ärger herunter, und versuchte zu überspielen wie sehr mich das angegriffen hatte. Warum ärgerte mich das eigentlich? Es war doch nichts neues, dass ich Nichts in Samras Augen war. Ich war es doch normalerweise gewohnt, dass er so zu mir war. Dadurch das meine Laune sowieso schon mies war, machte mir das anscheinend mehr zu schaffen als sonst. Aber das durfte ich mir nicht anmerken lassen. Nicht heute. Es war immernoch Vladislav's Abend. Und den wollte ich ihm nicht ruinieren.
"Was geht ab?", rief Granit direkt lautstark, als wir zusammen durch die Tür liefen. In dem Moment als ich ihn sah, war das Lächeln auf meine Lippen ausnahmsweise mal ernst gemeint. Dass er mit dabei war, ließ meine Laune endlich etwas aufhellen.
"Und nochmal hallo.", sagte Granit fröhlich, und zog mich in eine Umarmung. Vladislav setzte sich direkt neben Samra, und die Jungs diskutieren darüber was sie rauchen wollten. Granit ließ mir den Vortritt, damit ich mich neben den Ukrainer setzen konnte.
"Willst du nicht die Jacke ausziehen?", schmunzelte Granit. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich sie noch trug.
"Oh, ja. Stimmt.", Ich zog sie aus und hing sie über den Kleiderständer, welcher neben der Eingangstür stand. Vorher nahm ich natürlich noch den Autoschlüssel und mein Handy heraus. Im Augenwinkel sah ich, wie mich alle in der Shishabar ansahen. Das war so ein Moment, in dem ich mich einfach komplett unwohl fühlte. Schnell nahm ich neben Vladislav platz, und rutschte etwas näher zu ihm.
"Kannst du das einstecken, bitte?", fragte ich ihn.
"Klar.", Er nahm mir das Handy und den Schlüssel ab, und steckte beides in seine Bauchtasche.
"Hm.", nuschelte er, nahm sich die Bauchtasche ab, und hing sie mir um den Hals.
"Pass drauf auf, Baby.", sagte er. Erst war ich erstaunt, doch dann brachte mich seine Geste zum lächeln. Seine Bauchtasche war etwas, das er nie ablegte. Und er gab sie mir zum aufpassen. wie süß er sein konnte.
"Und pass auf den Schlüssel auf. Wenn du den verlierst, bist du dran.", kommentierte Samra mit erhobenem Zeigefinger. Zack, weg war mein Lächeln.
"Willst du was trinken?", fragte mich Vladislav, nachdem ich auf Samras Ansage mit Schweigen reagiert hatte.
"Wasser oder so."
"Du kannst ruhig was anderes trinken, Baby. Samra labert nur. Nimm den nicht ernst.", schmunzelte er, und piekste seinem Kumpel mit dem Ellenbogen provokativ in die Seite.
"Nein, alles gut. Wasser ist okay." Vladislav nickte, und visierte dann den Kellner an. Konnte man das Kellner nennen? Naja, den Mitarbeiter eben. Nicht Amar, sondern ein anderer. Scheinbar hatte er sich Hilfe geholt, wenn mehr los war. Wie auch immer.
Nach nicht mehr als fünf Minuten wurden uns die Shishas und Getränke gebracht. Ich konzentrierte mich auf mein Wasser und aufs anziehen, während die Jungs sich angeregt unterhielten. Keine Ahnung was die zwei sich da bestellt hatten, aber sie kippten ordentlich rein. Ein Shot nach dem anderen. Natürlich bot mir Vladislav auch einen Schluck von dem winzigen Gläschen an, doch ich lehnte ab. Ich blieb bei meinem Wasser. Je länger wir dort waren, umso mehr stieg die Stimmung an. Immer wieder lachte Samra so übertrieben laut, das uns alle anstarrten. Kurz gesagt: Wir unterhielten den gesamten Laden.
"Ey, lass mal ziehen.", forderte mich Samra auf, und verlangte dass ich ihm den Schlauch herüber reichte. Ich sah kurz Vladislav an, und tat dann so als hätte ich es nicht gehört. Mein Blick ging auf Granit's Handy. Um Samra zu ignorieren beobachtete ich den Albaner einfach, wie er durch Instagram scrollte.
"Bist du taub, Mädchen?", paffte er von drüben.
"Chill, nimm einfach meinen.", griff Vladislav ein. Als Samra scheinbar zufrieden gestellt war, wandte ich meinen Blick wieder vom Bildschirm ab.
"Lass mal eine rauchen gehen.", schlug Samra vor. Vladislav stimmte ein, und stand gemeinsam mit ihm auf.
"Ah, gib mal meine Kippen. Die liegen da.", sprach Samra wieder an mich gerichtet. Ich räusperte mich leise, und ignorierte ihn wieder. Ohne ihn anzusehen wusste ich, dass ihm die Wut gerade ins Gesicht geschrieben war.
"Hallo!", rief er wieder etwas lauter, in der Hoffnung meine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch ich tat so, als wäre er Luft. Um die Situation zu entschärfen, griff Granit einfach über mich hinweg und reichte ihm dann seine Zigarettenschachtel.
"Danke, Habibi.", sagte er, und ging dann mit Vladislav nach draußen.
"Wieder Stress mit ihm?", fragte Granit schmunzelnd, als die Jungs außer Sichtweite waren. Nickend zog ich an meiner Shisha.
"Ihr seid echt schlimm.", lachte er kopfschüttelnd.
"Erzähl mal, Josy. Was gibts neues, außer den unendlichen Krieg mit Samra?", befragte er mich und lehnte sich entspannt auf der Couch zurück.
"Das mit dem komischen Clan hat dir Vladislav mit Sicherheit schon erzählt."
"Japp. Aber ich kann euch da echt nicht raushelfen. Hab's schon zu Capi gesagt, wir haben NAP."
"Einen was?", fragte ich verwirrt.
"NAP. Nicht-Angriffs-Pakt. Ist schriftlich festgehalten. So eine Art Friedensvertrag. Hält sich einer nicht dran, bricht Krieg aus."
"Oha.", gab ich erstaunt von mir.
"Eigentlich war diese Aktion wo wir Samra befreit haben ein Verstoß gegen den Pakt. Aber Samra ist einer meiner Brüder, und gehört somit zur Family. Heißt, dass die auch den Pakt gebrochen haben. Somit war das ein Ausgleich."
"Warte mal. Was hat Kareem jetzt mit diesem Clan zutun?"
"Namik ist der Clan-Anführer. Und Kareem ist sein kleiner Bruder."
"Ernsthaft?" Mein Mund stand offen. Das Kareem was mit dem Clan zutun hatte der meine Eltern bedrohte, hätte ich nicht erwartet. Moment. Hieß das, das alles irgendwie einen Zusammenhang hatte? War dieser Clan jetzt auf einmal hinter Vladislav her, weil wir Samra befreit hatte? Als Rache? Oder war das unabhängig voneinander?
"Was denkst du?", fragte mich der lässig auf dem Sofa chillende Albaner, während er den Shisha-Qualm inhalierte.
"Meinst du, die bedrohen jetzt Vladislav und mich, weil wir Samra gerettet haben?"
"Ne, denke ich nicht. Wir waren ja Quitt, verstehst du. Warum die jetzt auf Capi angesetzt sind, kann ich dir nicht sagen. Da hab ich keine Ahnung."
"Hm.", murmelte ich, und legte meinen Kopf für einen Moment in den Nacken.
"Hast du 'ne Idee? Ich will was machen. Ich muss was machen. Vladislav wird denen kein Geld geben. Er will sich allein gegen die stellen, wenn's darauf ankommt. Aber ich will nicht, dass es soweit kommt. Es muss doch eine andere Lösung geben. Eine ohne Gewalt..."
"Hör zu, ich kann dir nicht viel dazu sagen. Capi will nicht, dass du da mit reingezogen wirst, was ich auch vestehe. Das ist gefährlich. Aber ich versteh' auch, dass du nicht tatenlos zugucken willst wie er auf Alleingang in den Tod rennt. Hätten wir diesen Pakt nicht, wäre ich direkt mit am Start, wallah."
"Oh man.", seufzte ich.
"Pass auf: Auch wenn der Clan skrupellos und gefährlich ist. Wenn die was sagen, dann halten die auch ihr Wort."
"Worauf willst du hinaus?"
"Kareem wollte dich im Austausch gegen Samra, erinnerst du dich? Wundert mich eh, dass er noch nicht auf den Deal zurückgekommen ist, aber egal. Ich geb dir nen Tipp, aber sag Capi nichts. Er killt mich, wenn er das spitz kriegt." Ich nickte ihm zu, und er lehnte sich nach vorne, um nicht so laut reden zu müssen.
"Vielleicht kannst du mit Kareem was aushandeln. Auch wenn ich die Idee nicht geil finde, aber es wäre eine Variante den Clan loszuwerden. Ohne Blut. Er hätte den Deal nicht vorgeschlagen, wenn er dich nicht attraktiv finden würde. Ich weiß, das klingt komplett behindert. Aber versuch das auszunutzen. Wenn er dich echt mag, wird er dir nichts tun. Dann kannst du mit ihm reden, dass er das mit seinem Bruder für dich klärt und ihr Ruhe habt." Er ließ sich wieder zurück fallen, und zog an der Shisha. Gerade als ich etwas erwiedern wollte, ging die Tür auf.
"Das Gespräch hat nie stattgefunden.", knurrte Granit und warf mir einen bedrohlichen Blick zu, um zu zeigen wie todernst er das meinte. Mit einem leichten, unauffälligen nicken antwortete ich ihm darauf.
"Alles gut, Baby?", fragte Vladislav, der sich gerade wieder neben mir gesetzt hatte.
"Ja.", antwortete ich ihm lächelnd.
"Hey, du grinst ja. Braves Mädchen, so gefällt mir das.", schmunzelte er und legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. Dadurch dass er von draußen kam, war diese natürlich eiskalt. Kurz zuckte ich hoch, und er sah mich verwundert an.
"Kalt.", war das einzigste, was ich herausbekam. Nach einigen Sekunden checkte er dann, was ich meinte.
"Wird gleich warm.", nuschelte er mit einem schelmischen Grinsen, und wandte sich dann an Samra. Seine Hand ließ er weiterhin auf meinem Bein liegen. Mich störte das nicht. Im Gegenteil, es gab mir ein gutes Gefühl. Komisch wurde es erst, als er ein winziges Stück nach oben rutschte, während er sich mit Samra unterhielt. Ich räusperte mich und ruschte auf der Couch ein Stück nach oben - jedoch ohne etwas zu bewirken. Er sah zwar kurz zu mir, drehte sich dann aber direkt wieder um. Ein paar mal nahm er seine Hand weg, wenn er beim erzählen gestikulierte. Doch dann legte er sie wieder auf mein Bein. Jedes mal ein Stückchen höher. Wenn wir alleine gewesen wären, hätte mich das jetzt angemacht. Aber wenn Granit neben mir saß und die halbe Shishabar uns die ganze Zeit angeierte, war das schon irgendwie unangenehm.
"Vladislav." mahnte ich leise, als er mein Kleid ein Stück nach oben schob. Er hörte mich zwar, beachtete es aber nicht. Stattdessen erzählte er ungehindert weiter, woraufhin Samra mit seiner Lache wieder den ganzen Laden unterhielt.
"Ich schwöre, zu geil einfach.", lachte Vladislav, und ließ sich kichernd nach hinten fallen.
"Uff, Anruf.", sagte Samra, ging an sein Handy und drehte sich von uns weg. Nun lag Vladislavs Aufmerksamkeit wieder auf mir.
"Ich glaub' ich bin betrunken.", freute er sich.
"Komm auf Schoß, Baby.", forderte er grinsend, und klopfte auf seine Beine.
"Bist du doof?", brachte ich lachend hervor. Das war wahrscheinlich das erste mal, dass ich an diesem Abend wirklich ehrlich lachte.
"Nein, ich bin geil. Komm jetzt.", forderte er wieder.
"Ich setz' mich jetzt nicht auf deinen Schoß.", lachte ich.
"Warum?"
"Ich hab' ein Kleid an. Und hier ist es viel zu eng. Außerdem gucken uns sowieso schon alle an."
"Und? Juckt mich doch nicht, ob die gucken. Sollen sie doch. Komm, Baby."
Wieder legte er seine Hand auf meinen Oberschenkel. Dann fuhr er provokativ nach oben. Verlegen sah ich zu Granit, der neben mir saß und sich das Lachen verkneifen musste.
"Hör auf.", bat ich meinen Freund, und versuchte seine Hand wegzudrücken. Aber er machte weiter, bis er unter meinem Kleid angekommen war. Hochrot vor Scham zog ich es schnell nach unten, um seine Hand zu überdecken.
"Mach dich locker. Alles gut.", nuschelte er. Dann richtete er sich auf, und griff nach dem Gurt der Bauchtasche, die er mir umgehangen hatte. Er legte den Gurt übereinander, sodass er eine Schlaufe nach oben hatte. Diese zog er enger, indem er einfach mit der Hand nach oben fuhr. Nun lag der Gurt der Bauchtasche so knapp wie ein Halsband um mein Genick, und er konnte mich zu sich heran ziehen. Gleichzeitig hatte ich dadurch auch keine Möglichkeit, nach hinten auszuweichen. Mein Herz klopfte wie verrückt, und mir wurde heiß. Sanft legte er seine Lippen auf meine, und lockerte die Schlaufe dabei ein wenig. Durch den Kuss konnte ich alles um uns herum ausblenden. Aber nur so lange, bis sich seine Hand unter meinem Kleid bewegte.
"Nicht.", stoppte ich ihn, drückte seine Hand vom Gurt weg und ruschte dann zu Granit.
"Baby.", sagte Vladislav enttäuscht und verwundert zugleich.
"Ich geh nur kurz auf Toilette.", antwortete ich, und Granit ließ mich durch. Die Blicke der anderen Gäste brannten sich in meine Haut. Besonders die Mädels sahen mich mit finsteren Blicken an.
Als ich die Tür hinter mir in Schloss fallen ließ, atmete ich tief durch. Endlich konnte ich mal für zwei Minuten allein sein.

Nachdem ich kurz heruntergekommen war, ging ich aus der Toilettenkabine wieder heraus. Auch wenn es nur wenige Minuten waren - es hatte geholfen. Ich musste einfach kurz weg.
Gedankenverloren wusch ich mir die Hände, und trocknete sie dann ordentlich ab. Jetzt war ich bereit, wieder zurück zu gehen. Das eben war mir einfach irgendwie zu viel.
Während ich mein Kleid gerade striff, lief ich wieder zurück zu unserem Tisch.
"Lass reden.", stellte sich mir Samra plötzlich in den Weg. Kopfschüttelnd zog ich an ihm vorbei, woraufhin er mir folgte.
"Jo Capi, ich geh kurz rauchen mit Josy.", gab der Libanese hinter mir von sich. Ehe ich protestieren konnte, hatte er sich schon mein Handgelenk geschnappt und mich daran gehindert, wieder Platz zu nehmen. Lässig nahm er Vladislav's Jacke vom Kleiderständer, und trug sie mit nach draußen.
"Lass mich los.", forderte ich, und riss mich aus seinem Griff los. Arrogant warf er mir die Jacke zu, und fischte eine Kippe aus seiner Bauchtasche.
"Zieh an.", befahl er.
"Ich will nicht reden. Ich will wieder rein." Ich drückte die Jacke an mich, und drehte mich von ihm weg um wieder rein zu gehen.
"Du bleibst hier." Empört schnaufend ließ ich ihn stehen. Kurz bevor ich an der Tür war, griff er wieder nach meinem Handgelenk und zog mich weg.
"Ich will nicht mit dir reden, Samra!", schrie ich ihn aufgebracht an. Ein paar Mädchen die vor der Bar standen, sahen uns verwundert an.
"Was gibt's da zu gaffen, hä?", schnauzte er die Mädels an, woraufhin diese schnell den Blick abwandten und herein gingen. Nun stand ich mit ihm alleine vor der Bar.
"Warum ignorierst du mich?", fragte er, und nahm einen Zug von seiner Kippe.
"Die Frage kannst du dir selber beantworten.", entgegnete ich stur. Er sah mich einen Moment lang analysierend an, und ließ dann ganz kurz seine Mundwinkel nach oben zucken.
"Hat also funktioniert.", freute er sich.
"Warum? Was soll das alles?", fragte ich ihn enttäuscht.
"Die Frage kannst du dir selber beantworten.", wiederholte er meine Aussage. Schulterzuckend sah ich ihn an.
"Denk' das nächste mal darüber nach, bevor du dich vor Capi und einem seiner Kumpels gegen mich stellst." Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Oder doch?
"Warte. Weil ich nicht mit dir und Milo mit wollte? Deswegen diese ganze Aktion?" Er antwortete nicht, sondern schnippste nur seine Kippe weg und holte direkt die nächste aus seiner Bauchtasche.
"Unfassbar.", sagte ich kopfschüttelnd, und drehte mich um. Dieses mal hielt er mich nicht zurück. Wie konnte man nur so ein Arsch sein? Ich konnte es einfach nicht fassen.
Nachdem ich die Jacke wieder an den Haken gehangen hatte, lief ich zurück an unserem Tisch und setzte mich neben Vladislav.
"Hey, sorry wegen eben, Baby. Ich wollte mich nicht aufdrängen."
"Alles gut.", winkte ich ab, und versuchte mir meine Wut nicht anmerken zu lassen.

Wir blieben noch ca. eine Stunde. Ich ließ Samra weiterhin links liegen, doch ihn störte nicht wirklich. Er war viel mehr damit beschäftigt, sich mit Vladislav die Kante zu geben. Die beiden benahmen sich wie kleine Kinder. Sie waren so schlimm, dass ich teilweise schon Angst hatte, wir würden rausfliegen. Irgendwann wurden sie dann endlich müde, und somit auch ruhiger.
"Lass heim.", beschloss Vladislav, und erhob sich leicht schwankend.
"Lass mal Feature machen, Bruder. Aber so mit Löwe im Musikvideo. So richtig krass.", schlug der Ukrainer vor.
"Ich kenn einen, der mit Tieren arbeitet. Der kann uns safe 'nen Tiger klar machen. Geile Idee, machen wir.", antwortete Granit.
Nachdem wir bezahlt und uns von Granit verabschiedet hatten, verließen wie die Bar.
Obwohl noch geöffnet war, waren wir so ziemlich die letzten, die gingen. Entweder hatten wir alle vergrault, oder...keine Ahnung. Es war auch schon relativ spät.
Ich entriegelte das Auto, und Vladislav ließ sich direkt auf die Rückbank plumsen. Müde nahm Samra auf dem Beifahrersitz platz, und zog krafltos die Tür zu.
"Ach fuck, mein Handy.", kam es von hinten.
"Hast du liegen lassen?", fragte Samra.
"Jap. Aber ich bin gerade zu voll um zurück zu gehen. Scheiß drauf."
"Ich hol's.", sagte ich seufzend.
"Du bist beste.", nuschelte er aus dem hinteren Teil des Wagens.
Seufzend stieg ich wieder aus, und lief die paar Meter zurück zur Bar. Ich dachte mir nichts böses, als ich durch die Tür ging, und unserem Tisch ansteuerte. Ohne großartige Suche sah ich es auf der Couch liegen, und schnappte es mir. Ich verstaute das Handy in der Bauchtasche und zog den Reißverschluss zu.
„Guck, wer da ist.", hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme. Als ich nach vorne sah, blieb mir fast das Herz stehen. Dort stand Khalil, zusammen mit Beto. Scheinbar waren sie gerade erst rein gekommen.
Raus hier, ganz schnell.
Ohne ihn aus den Augen zu verlieren, lief ich vorsichtig im Rückwärtsgang zur Tür. Sein Blick löste Panik in mir aus, doch ich blieb ruhig. Ich musste nur zur Tür, und dann zum Auto rennen. Mir konnte also eigentlich nichts passieren. Dachte ich zumindest.
Als ich mich umdrehte um dann schnell abhauen zu können, rannte ich fast in einen groß gebauten, angsteinflößend aussehenden Glatzkopf der mir den Weg versperrte. Sein Gesicht kam mir bekannt vor. Wenn mich nicht alles täuschte, war er der Bruder von diesem anderen, der auch mit in Team Kuku war. Wer auch immer er war - er sah nicht so aus, als würde er mich durchlassen wollen. Er drängte mich von der Tür weg und ich musste zurückweichen - und damit näher zu Khalil laufen.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt