Part 29 ~ Schlechtes Gewissen

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Völlig in Gedanken versunken lief ich die Treppen nach oben. Am liebsten hätte ich Vladislav angerufen. Oder geschrieben. Irgendwas, damit ich mein Gewissen beruhigen konnte. Aber wahrscheinlich würde mir das nichts bringen. Zumal er jetzt eh nicht rangehen oder antworten würde, wenn er unterwegs war. Er hatte nicht mal gesagt, wohin er wollte. Vielleicht war es auch besser, wenn ich das nicht wusste. Das, was ich heute mitbekommen hatte war schon heftig genug. Wie ist er erst drauf, wenn ich nicht dabei bin? Oder wenn er mit Granit unterwegs ist? Lieber nicht darüber nachdenken.
Ich schüttelte mit dem Kopf, und versuchte so die Gedanken wegzuschieben. Doch die Sache mit dem Release ließ mir einfach keine Ruhe. Und jetzt dachte ich schon wieder darüber nach. Mit einem lauten Ächzen ließ ich mich rückwärts auf unser King Size Bett fallen, und schloss für einen Moment die Augen.
"Lebst du noch?", hörte ich plötzlich Samra. Er stand in der Tür, und sah mich erstaunt an.
"Man, lass mich einfach in Ruhe.", motzte ich genervt, und schmiss mit Vladislavs Kissen nach ihm.
"Chill mal, ich frag nur.", beschwerte er sich, fing das Kissen und legte es an's Fußende des Bettes.
"Seit wann juckt dich das? Du freust dich doch, wenn es mir scheiße geht."
"Hä, gar nicht." Ich schloss wieder meine Augen, und versuchte ihn zu ignorieren. Gerade als ich dachte dass er rausgegangen wäre, sackte die Matratze neben mir ein. Wieder öffnete ich die Augen.
"Man, Samra. Was willst du?", krächzte ich. Der Libanese saß neben mir auf dem Bett, und gaffte mich an.  Wie mich das aufregte.
Mit gerunzelter Stirn schnappte ich mir mein eigenes Kissen, und drückte es mir aufs Gesicht. Einfach, damit er mich nicht mehr anglotzen konnte.
"Schlechtes Gewissen?", hakte er nach.
"Bitte, geh einfach raus.", bat ich ihn in verzweifelter Tonlage.
"Wie du willst." Die Matratze hob sich wieder, und ich hörte wie er mit seinen Hausschuhen aus dem Zimmer herausschlurfte.
"Hatte Capi nicht gesagt, dass du duschen sollst? Ich würde lieber gehen, bevor er wieder kommt.", rief er mir von der Tür aus zu.
"Raus!", brüllte ich ihn an, und schmiss nochmal mit dem Kissen nach dem schwarzhaarigen Riese. Ich wusste nicht, wohin mit meinen Gefühlen. Der Junge regte mich gerade so auf, dass ich echt an der Heulgrenze war. Fuck, ich wollte nicht heulen. Nicht wegen diesem Vollidiot. Aber es war ja nicht mal wegen ihm. Es war mein Kopf, der mich gerade einfach fertig machte. Warum musste Vladislav jetzt unbedingt nochmal weg? Warum, verdammt? Hätte er sich nicht diese eine beschissene Minute Zeit nehmen können?
Frustriert hob ich das Kissen vom Boden auf, und schmiss es so doll ich konnte gegen die Wand.
"Das Kissen kann auch nix...oh." Ich drehte mich zu Samra um, der mich musterte. Warum guckt der so dämlich? Als ich ich etwas an meiner Wange spürte, wusste ich warum. Schnell wischte ich mir diese kleine Wutträne weg, und hob das Kissen wieder auf. So plötzlich wie er in der Tür stand, war er dann auch wieder verschwunden. Keine Ahnung was mit dem los war, aber scheinbar hatte er es sich heute zur Tagesaufgabe gemacht, mich ordentlich fertig zu machen. Würde mich nicht wundern. Noch einmal wischte ich über mein Gesicht, und schluckte meinen Frust herunter. Dann suchte ich mir frische Unterwäsche aus meiner Schublade, griff nach meinem kleinen Täschchen und steuerte aufs Bad zu.
"Dein Ernst?", fragte ich den Libanese, der Oberkörperfrei vor dem Spiegel stand und seinen Hosenbund in der Hand hielt.
"Du bist nicht die einzigste, die sich fertig machen muss. Gibt ja zwei Duschen, also reg dich ab.", entgegnete er genervt. Augenrollend stellte ich meine Tasche auf dem Waschbecken ab, während er sich neben mir die Hose auszog.
"Hättest du nicht warten können?", motzte ich und strengte mich an, nicht rüberzugucken.
"Nö.", gab er ignorant von sich, und wickelte sich ein Handtuch um die Hüfte. Ich schaute weiterhin nicht zur Seite, bis ich hörte wie die Duschtür zu ging. Na endlich. Ich zog mein Shirt und meine Hose aus, und wickelte mir ebenfalls das Handtuch um. Nichtsahnend steuerte ich auf die andere Dusche zu, als seine Tür plötzlich aufging.
"Duschbad vergessen.", sagte er, und lief komplett nackt an mir vorbei. Als wäre es das normalste der Welt. Gott, jetzt bloß nicht ausversehen in seine Richtung gucken. Das konnte doch nicht sein Ernst sein, oder? Als ich hörte wie die Dusche anging, konnte ich mich endlich wieder umdrehen.
"Unfassbar." nörgelte ich leise, schüttelte mit dem Kopf und ging dann ebenfalls unter die Dusche.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt