Part 34 ~ Durchschaut

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"Übertrieben geiler Abend.", sagte Vladislav zufrieden. Er torkelte vorneweg ins Haus, nachdem ich mit dem Schlüssel aus seiner Bauchtasche aufgeschlossen hatte.
"Du bist Top als Bauchtaschen-Beschützerdings.", lobte er mich grinsend, und nahm mir die Tasche ab.
"Oh, und als Jacken-Beschützerfrau auch.", fügte er schmunzelnd hinzu. Er gab sich Mühe gerade stehen zu bleiben, während er mir seine Jacke auszog. Auf einmal kniff er die Augen zusammen, und visierte meine rechte Schulter an.
"Was das, nahui?", fragte er mit klarer Stimme, und fuhr mit seinem Zeigefinger über meine Haut.
"Was denn?" Ich sah an mir herunter, und bemerkte die roten Streifen, die Miri mit seinem Messer auf mir hinterlassen  hatte. Es waren keine Kratzer oder Schrammen, sondern einfach nur schmale, rote Linien.
"Keine Ahnung, vielleicht vom Reißverschluss deiner Jacke eben.", entgegnete ich schulterzuckend.
"Kann sein." Er gab sich damit zufrieden, und kramte das Handy aus seiner Bauchtasche heraus, welches ich extra für ihn zurück geholt hatte.
"Baby ich telefonier noch kurz, dann geh ich pennen. Kommst du mit?", fragte er müde.
"Ja, bin gleich da. Ich will nur noch kurz was trinken." Er nickte, und schlurfte dann mit langsamen Schritten nach oben. Leise seufzend nahm ich mir ein Glas aus dem Schrank, befüllte es mit Wasser, und ließ mir einen Moment Zeit, um in Ruhe zu trinken.
"Woher ist das?", fragte Samra, den ich bis eben ausgeblendet hatte. Er deutete mit seinem Blick auf die Linien, die meine Schulter zierten.
"Wahrscheinlich vom Reißverschluss, hab' ich doch gesagt."
"Als ob. Ich merk' das, wenn was nicht stimmt. Du lügst.", konfrontierte mich der Libanese streng. Gespielt unwissend trank ich mein Glas aus, und stellte es in die Spüle.
"Ich lüge nicht. Keine Ahnung, woher das ist. Gute Nacht." Ich wollte ihn damit abwimmeln und stehen lassen, doch er machte mir direkt einen Strich durch die Rechnung. Als ich an ihm vorbei ging griff er leicht nach meinem Oberarm, und rückte zu mir auf.
"Capi kannst du vielleicht verarschen, aber mich nicht. Das kommt nicht vom Reißverschluss. Sag, woher das ist.", sprach er leise. Mit einem leichten Ruck versuchte ich mich loßzureißen, doch er hielt dagegen.
"Ich hab' doch gesagt, keine Ahnung."
"Wenn ich rausfinde dass du ihn bescheißt, kannst du was erleben.", knurrte er. Empört riss ich mich von ihm los, und ging einen Schritt zurück.
"Bist du bescheuert? ", Kurz erschrak ich mich vor mir selbst, weil mein Ton lauter war als ich gedacht hatte. Mit einer niedrigeren Tonlage fuhr ich fort.
"Wie soll das denn gehen? Ich bin 24/7 bei euch, wie soll ich ihn da bescheißen?! Außerdem liebe ich ihn, sowas würde mir nicht mal im Traum einfallen!"
"Dann sag jetzt, wo das herkommt!", fauchte er, ebenfalls in heruntergeschraubter Lautstärke, während er mir wieder näher kam.
"Man, keine Ahnung! Wie oft denn noch?" Er sah mich wütend an, und kam nochmal näher.
"Lass das!", zischte ich, als er den Träger meines Kleides berühren wollte. Er hielt kurz inne und sah mich an, ignorierte dann aber meinen Protest.
Etwas gröber griff er nun nach dem schwarzen Träger, und zog ihn ein Stück nach unten. Mit dem Daumen berührte er die kleine rote Linie, woraufhin ich vor ihm zurückwich.
"Jetzt sag schon.", forderte er weiter, nun aber in einem sanfteren Ton. Die Veränderung seiner Stimmlage brachte auch mich dazu, etwas ruhiger zu werden.
"Samra, bitte. Ich hab' dir doch gesagt, dass ich keine Ahnung habe. Ist doch jetzt auch egal.", versuchte ich ihn abzuwimmeln.
"Nein, ist es nicht. Das kommt nicht einfach so von alleine. Wenn ich unrecht hätte und du es wirklich nicht wüsstest, wärst du nicht so nervös."
"Ich bin nicht nervös."
"Ich hör dein Herz bis hier her schlagen. Also sag nicht, du bist nicht nervös. Du bist unnormal nervös. So ist das, wenn man lügt." Fuck, wieso musste er mich immer durchschauen?
"Außerdem seh' ich das in deinem Blick. Ich hab' Recht, und das macht dir Angst. Genau so guckst du."
"Erzähl doch nicht...", versuchte ich es weiter abzustreiten.
"Sag jetzt, oder ich hol Capi her." Aufgeschreckt sah ich ihn an. Meine Antwort dauerte ihm zu lange, und er holte Luft. Doch bevor er nach dem Ukrainer rufen konnte, hüpfte ich zu ihm nach vorne.
"Nein!" quietschte ich, und legte panisch meine Hand auf seinen Mund.
"Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht."
Mit großen, flehenden Augen sah ich ihn an. Von ihm kam nicht mal ein Zucken, als ich ihn am sprechen gehindert hatte. Er stand einfach vor mir, und schaute mir in die Augen. Dann griff er sanft nach meinem Handgelenk, und zog es von seinem Gesicht weg.
"Warum?" Er ließ mich los, während ich innerlich mit mir selbst diskutierte. Wie sollte ich ihm das sagen? Und sollte ich es ihm überhaupt erzählen? Was, wenn ich das dann nur wieder bereuen würde? Andererseits würde er es so oder so aus mir herausbekommen. So, wie er das immer schaffte.
Letzten Endes gab ich es dann auf, und entschied mich dazu ihm die Wahrheit zu sagen. Noch mehr Lügen würden mir in dieser Situation höchstwahrscheinlich auch nicht weiterhelfen.
Ich fuhr mir durch die Haare, und lief zum Küchenstuhl. Dort ließ ich mich nieder, und überlegte kurz.
Dann erzählte ich kurz und knapp, was passiert war als ich zurück in die Bar ging, um Vladislav's Handy zu holen. Das mit Granit ließ ich natürlich aus. Immerhin wollte ich ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Sie würden es sicherlich nicht gut finden, wenn sie wüssten, dass Granit die Sache den Jungs mir zu Liebe nicht zur Sprache kommen lassen würde.
"Fuck, man.", stieß Samra hervor, und setzte sich mir gegenüber.
"Bitte, sag Vladislav nichts davon. Er würde sich nur Vorwürfe machen, das will ich nicht. Und dann dürfte ich wieder keinen Schritt alleine machen."
"Also hab' ich jetzt ein Druckmittel gegen dich.", brummte der Libanese.
"Das ist nicht lustig!"
"Man, chill." Er stand wieder auf, und griff nach seiner Zigarettenschachtel auf der Küchentheke.
"Aber das machen wir nicht nochmal.", sagte er, während er die Terassentür öffnete und nach draußen ging. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter, als er das sagte. Schnell hüpfte ich auf und folgte ihm nach draußen, bevor er die Tür zumachen konnte.
Es war draußen einfach tausendmal kälter als vorhind. Logisch, war ja auch mitten in der Nacht.
"Geh wieder rein, sonst wirst du krank.", sagte er mit rauchiger Stimme.
"Was können wir nicht wieder machen?" Durch die Kälte fing mein Körper an zu zittern. Aber das war mir gerade egal.
"Na dass du irgendwo alleine hingehst. Ohne uns. Dann kann sowas wie heute nicht passieren."
"Aber ich...es ist doch nichts passiert. Ich bin doch hier." Tränen sammelten sich in meinen Augen, doch ich schluckte sie herunter.
"Aber nur wegen Glück."
"Ich will nicht wieder weniger Freiheiten. Ich bin froh, dass Vladislav mich alleine in die Bar zurückgehen lassen hat. Oder dass er mir seinen Schlüssel gibt. Und ich bin dankbar, dass du nicht ausgerastet bist, als ich mit deinem Auto abhauen wollte. Dass ich überhaupt mit dem Auto fahren durfte, hätte ich nie gedacht. Bitte, lass uns einfach so tun als wäre das heute Abend nicht passiert.", flehte ich ihn an.
Er betrachtete mich nachdenklich, und zog an seiner Zigarette.
"Geh schlafen jetzt. Ist spät. Und Capi wartet oben safe auf dich."
"Versprich mir erst, dass du so tust als wüsstest du von nichts. Bitte Samra, versprich mir das."
"Wieso sollte ich?", fragte er mit seiner arroganten Art.
"Keine Ahnung. Sag was ich machen soll, ich mach's. Aber versprich mir das, bitte. Lass einmal deinen Hass auf mich außen vor. Nur dieses eine mal. Bitte, Samra.", bettelte ich ihn weiter an. Ich musste ihn einfach dazu bringen, mir dieses Versprechen zu geben. Egal was ich dafür tun musste, ich würde es in Kauf nehmen. Hauptsache, er würde dicht halten. Er kniff die Augen zusammen, und pustete den Qualm in die Luft.
"Tamam, okay. Jetzt geh endlich rein, bevor ich es mir anders überlege." Von meinem Herzen fiel ein schwerer Stein, und ich konnte wieder durchatmen. Auf meine Lippen schlich sich ein erleichtertes Lächeln, welches ich direkt wieder verschwinden ließ. Er hatte es zwar trotzdem gesehen, aber das war mir egal. Ich war einfach froh, dass er zustimmte.
"Ey!", hielt er mich auf, als ich wieder drinnen war und er noch auf der Terasse stand.
"Dann will ich aber,!dass du aufhörst mich zu ignorieren. Weil ich dich verarscht hab' und so." Das hatte ich glatt schon wieder vergessen. Stimmt, eigentlich war ich sauer auf ihn. Aber ich musste über meinen Stolz springen, wenn ich wollte, dass er sein Versprechen hielt.
"Okay.', stimmte zu, obwohl ich eigentlich nicht wollte. Durch den ganzen Trubel mit Khalil  hatte ich vergessen, was er gerissen hatte. Und dass ich mega wütend auf ihn war. Aber das musste ich nun herunterschlucken. Er nickte, und drehte sich dann mit dem Rücken zu mir, um in Ruhe seine Zigarette fertig zu rauchen. Ich rollte meine Augen nach oben, atmete einmal kurz durch, und versuchte die Sache zu vergessen.

Müde von den ganzen Ereignissen freute ich mich einfach nur auf mein Bett. Da das Licht im Zimmer aus war ging ich davon aus, dass Vladislav schon schlief. Also schaltete ich aus Rücksicht die Lampe gar nicht erst an, und machte so leise wie möglich.
Plötzlich berührte mich jemand an der Schulter, und ich zuckte aufgeschreckt zusammen.
"Scht.", flüsterte der Ukrainer hinter mir. So viel zum Thema schlafen. Ich entfernte mich von ihm, und schaltete dann doch das Licht ein. Er stand mitten im Raum, kniff die Augen zusammen bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, und grinste dann.
"Ich hab' ewig gewartet. Was hat so lange gedauert?", fragte er nuschelnd, und näherte sich mir wieder.
"Ich hab' noch kurz mit Samra geredet."
"Gut oder schlecht?", brummelte er, während sich seine Arme von hinten um meinen Bauch legten.
"Gut."
"Tamam."
"Was machst du da?", fragte ich, als er den Träger meines Kleides nach unten striff.
"Dich ausziehen. Wollte ich die ganze Zeit schon machen."
"Ich dachte, dir gefällt das Kleid?", fragte ich ihn lachend.
"Jap. Aber gefällt mir noch mehr, wenn du gar nix an hast."
"Warte. Eben musstest du dir noch Mühe geben das Gleichgewicht zu halten, und jetzt bist du plötzlich wieder klar im Kopf?"
"Powernap, Baby. Zwei Minuten Schlaf, reicht."
"Als ob.", lachte ich.
"Glaubst du nicht? Ich beweis' dir." Angestachelt striff er nun auch den anderen Träger meiner Kleides herunter, und plötzlich lag das Kleid auf meinen Füßen. Ruckartig zog er mich an den Hüfen an sich, sodass ich mit dem Hintern gegen ihn prallte.
"Ich zeig' dir, wie wach ich bin.", knurrte er von hinten gegen meinen Hals, bevor er mich umdrehte und mit einem Ruck auf's Bett warf.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt