Part 42 ~ Die Abmachung

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"Wie geht's deinem Kopf?", fragte Kareem. Bis eben hatte ich noch bei ihm im Auto geschlafen. Blinzelnd sah ich ihn an, und kniff kurz die Augen zusammen, als ich das leichte Stechen in meiner Stirn fühlte.
"Tut ein bisschen weh, aber geht schon." Ich lehnte mich zurück und versuchte den Schmerz zu ignorieren. Mir war nicht bewusst, wie spät war es war. Da es draußen langsam anfing dunkler zu werden, musste es spät am Nachmittag sein.
"Wir gehen was essen. Auf was hast du Hunger?", fragte er mich mit ruhiger Stimme.
"Eigentlich habe ich gar keinen Hunger." Genau in dem Moment knurrte mein Magen. Gutes Timing, wie immer...
"Wir gehen zu einem Abi von mir. Wallah, der macht den besten Döner der Stadt. Da kriegst du Hunger, auch wenn du keinen hast.", sagte er überzeugt, mit einem leichten Grinsen am Ende des Satzes.
"Warum bist du so nett?", fragte ich ihn, ohne vorher gründlich nachgedacht zu haben. Sei doch einfach froh dass er nett ist, und hinterfrag' es nicht noch, schoss es mir durch den Kopf. Mit konzentriertem Blick sah er auf die Straße, und dann kurz zu mir. Er gab mir keine Antwort darauf. Warum stellte ich auch so eine dumme Frage?
"Ich bin nicht so ein schlechter Mensch, wie man denkt." Oh, er antwortete ja doch darauf.
"Du hast Samra bewusstlos geschlagen.", merkte ich vorsichtig an. Ein kleines Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab, während er seinen Rücken gerade machte.
"Guck. Samra hatte Schulden. Er hat mich verarscht, mehrmals. Jedes mal hatte er kein Geld dabei, und jedes mal hatte er eine andere Ausrede. Wir wissen beide, dass er mehr als genug Para hat. Er war nur zu faul, das mitzubringen. Das ist für mich respektlos. Wenn du Schulden bei jemandem hast, solltest du gucken dass du es schnell zurückzahlst. Einfach aus Respekt. Ohne dass man dich darum bitten muss. So hat mir meine Mutter das beigebracht.", erklärte er.
"Ich bin ein geduldiger Mann, Josephine. Aber wenn jemand meine Geduld ausnutzt, vergesse ich meinen Anstand." Er hatte ja Recht. Es war respektlos von Samra, seine Schulden nicht zu bezahlen, obwohl er das Geld hatte.
Nach weiteren zehn Minuten Autofahrt hielt er irgendwann in einer Seitenstraße an.
"Bleib' sitzen.", befahl er, und stieg dann aus. Völlig entspannt lief er einmal um das Auto herum, bis er vor meiner Tür stand. Diese öffnete er, und reichte mir seine Hand. Ich schnallte mich ab und ließ mich dann von ihm aus dem Auto ziehen. Als ich auf beiden Beinen stand wurde mir direkt schwindelig, und ich verlor für eine Sekunde das Gleichgewicht. Sofort reagierte Kareem, legte seinen Arm um mein Becken und hielt mich somit fest.
"Immer langsam.", sagte er charmant.
"Sorry. Mein Kreislauf..." entschuldigte ich mich bei dem schwarzhaarigen Mann.
"Du musst was essen. Dann wird besser.", sagte er zuversichtlich. Er verriegelte das Auto, und stütze mich dann leicht beim gehen.
Wir traten in den Dönerladen seines Kumpels, wo er direkt freudig begrüßt wurde.
"Setz sich, ich bin gleich bei dir." Er ließ mich alleine, um sich kurz mit dem fröhlich lächelnden Kerl hinter dem Thresen zu unterhalten. Während er mit dem Rücken zu mir stand, sah ich mich um. Nach wenigen Sekunden entdeckte ich das WC - Schild, welches sich ganz hinten rechts befand.
"Kareem?", unterbrach ich ihn bei seiner Konversation.
"Darf ich kurz auf Toilette?" Überrascht sah er mich an. Auch sein Freund sah mich komisch an, wodurch ich mich direkt unwohl fühlte.
"Warum nicht?", antwortete er mit einer Gegenfrage. Ich zuckte nur mit den Schultern.
"Geh.", sagte er ruhig, und widmete sich dann wieder seinem Gespräch. Immernoch etwas wackelig auf den Beinen lief ich in Richtung WC.
Mein Körper zitterte leicht. Ich stützte mich mit beiden Händen am Waschbecken ab, und atmete tief durch. Wieder überkam mich dieser Schwindel, und mir wurde schlecht. Schnell ließ ich kaltes Wasser über meine Hände laufen, und schaffte es somit wieder einigermaßen klar denken zu können. Als ich in den Spiegel sah, durchfuhr mich ein leichter Schreck. Meine Haare waren teilweise zerzaust. Auf meiner Stirn klebte ein großes, weißes Pflaster, welches durch die darunter liegende Wunde in der Mitte minimal rot gefärbt war. Ich zog meine Jacke aus, und krempelte die Ärmel meines Pullovers nach oben. Auch an den Unterarmen befand sich jeweils ein großes Pflaster. Traurig betrachtete ich mein Handgelenk, an dem sich das Armkettchen von Vladislav befunden hatte. Sollte ich sauer auf ihn sein? Eigentlich konnte ich nicht sauer sein. Klar, er hätte es mir sagen können. Aber irgendwie fand ich das auch unnormal süß. Mich wunderte es nur, woher Kareem wusste, dass das Kettchen meinen Standort sendete.
Behutsam krempelte ich die Ärmel wieder herunter, und fuhr mit den Fingern durch meine Haare, um sie etwas ordentlicher aussehen zu lassen. Dann atmete ich noch einmal durch, und versuchte mich zusammen zu reißen.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt