Part 17 ~ Sturheit

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Ganze fünf Minuten sah ich mir das Schauspiel an. Wie er einfach einen auf unantastbar machte, seinen Kopf leicht zum Beat mitwippen ließ, und so tat als wäre er der übelste Gangster. Eigentlich wollte ich es gut sein lassen, und nicht weiter mit ihm diskutieren. Aber irgendwie regte es mich auf, dass das Gespräch direkt beendet war nur weil er alles gesagt hatte, was er zu sagen hatte. Also fasste ich den Entschluss, das verdammte Autoradio einfach auszumachen.
"Shu was soll der scheiß?", fuhr er mich direkt an.
"Wir waren noch nicht fertig.", entgegnete ich eigenwillig.
"Doch Baby, waren wir.", meinte er nur und schaltete die Musik wieder ein.
Dieses mal ließ ich nicht locker, und schaltete das Teil wieder aus.
"Lan was soll das?", fragte er nochmal, dieses mal deutlich genervter und lauter als eben. Doch statt auf eine Antwort zu warten, drückte er wieder auf diesen dämlichen kleinen Knopf, und seine Stimme dröhnte aus der Anlage.
"Jetzt lass das scheiß Ding aus, wenn ich mir dir reden will!", keifte ich ihn wütend an, und drückte die Anlage zum dritten mal aus. 
"Provozier mich nicht, ich schwöre ich pack dich sonst in Kofferaum.", sagte er todernst, während er sich  stirrunzelnd auf die Straße konzentrierte.
"Du kannst nicht einfach die Stumm-Taste bei mir drücken, wenn du keinen Bock mehr hast mit mir zu reden. Das ist unfair."
"Ich will aber nicht  mehr reden jetzt. Wir haben doch alles geklärt, was willst du noch reden, hm?", beschwerte er sich neben mir, und versuchte dabei nun wieder möglichst ruhig zu klingen. Sein Blick fiel auf das ausgeschaltete Autoradio, und dann wieder auf die Straße.
"Wehe. Wenn du das jetzt wieder anmachst, hau ich dich.", drohte ich ihm eisern, und beobachtete jede seiner Bewegungen ganz genau.
"Ich will einfach nicht, dass du mich ausschließst. Das machst du jedes mal, wenn irgendwas ist. Du fährst einfach alles über den Haufen, interessierst dich null dafür wie ich denke und tust das, was du für richtig hälst."
"Ja, und nur deswegen lebst du noch.", entgegnete er lässig.
"Das weißt du doch gar nicht."
"Doch, weiß ich."
"Nein."
"Doch."
„Nein, weiß du nicht!"
„Doch."
"Versuch mich doch einfach auch mal zu verstehen!", schrie ich ihn aufgebracht an.
„Du willst nicht dass mir was passiert, und ich will nicht dass dir was passiert. Du machst doch auch alles, um mich zu beschützen. Lass mich doch das gleiche für dich machen. Wo liegt das Problem?"
"Das Problem? Wir reden hier von einer verfickten arabischen Großfamilie, denen es scheißegal ist wie viele die auf dem Gewissen haben. Dagegen ist Khalil Kindergarten. Wenn du bei denen verkackst, ficken die dich solange bis du freiwillig das Land verlässt oder Suizid machst."
"Und da willst du es alleine mit denen aufnehmen?", stellte ich ihn schnaufend in Frage.
"Keine Ahnung, ich muss mir da erst Kopf drüber machen. Vielleicht ist auch besser wenn ich zu Polizei gehe."
"Was, Polizeischutz?"
"Nicht Polizeischutz nahui. Ich bin doch kein Lutscher der sich hinter Polizei versteckt. Ich bin Capital Bra, und nicht irgendein Hurensohn der Schwanz einzieht. Ich hab keine Angst vor so ein paar scheiß Arabern, die denken dass sie hart sind, nur weil sie Teil von Großfamilie sind. Was wollen die machen, hm? Mir auf die Fresse hauen? Sollen die kommen, interessiert mich nicht. Die kriegen keinen verfickten Cent von mir nahui.", fuhr er sich hoch und fuchelte aggressiv mit den Händen vor sich herum.
"Ist ja gut.", entgegnete ich mit erhobenen Händen.
"Nein, nicht gut. Denkst du ich hol Polizeischutz man? Denkst du ich hab keine Eier oder was?", schnauzte er mich an.
"Hä? Du wiedersprichst dir die ganze Zeit selbst. Du sagst man soll Angst vor denen haben, weil sie dein Leben kaputt machen können, aber andererseits hast du keine Angst vor denen und willst es alleine mit denen aufnehmen. Du sagst, du gehst zu Poilzei, aber regst dich auf du willst keinen Polizeischutz."
"Nein Baby, du verstehst nicht. Mich juckt das nicht, ich fick die wenn die mir auf die Eier gehen. Das mit Polizei ist nur sowas wie Drohung, die können eh nichts machen. Ich zeig denen einfach, dass die nicht Spielchen mit mir machen können."
"Ist ja schön und gut. Aber was ist mit meinen Eltern? Dir können sie vielleicht nichts, aber meinen Eltern schon."
"Mach dir keinen Kopf, ich regel das. Das sind nicht die ersten, die mir ans Bein pissen, Baby. Ich hab das schon tausend mal durch, vertrau mir mal. Wenn alle Stricke reißen sorg ich halt dafür, dass sie abtauchen können. Irgendwie mach ich das schon. Aber ich will, dass du dich da raus hälst. Du bist zu leichtes Ziel für die."
"Aber was, wenn du einfach mit denen redest? Wenn du sagst die lügen und du schuldest denen nichts, warum redest du dann nicht mit...keine Ahnung, dem Clanchef oder wie man das nennt. Kann doch sein, dass der gar nichts davon weiß, und dann seine Leute zurückpfeift. So wie bei Khalil. Drilon weiß doch auch nicht, dass Khalil das mit uns macht, oder? Was, wenn das da genauso ist?"
"Ich hab keinen Bock auf schwule Gespräche. Ich klär das so wie immer."
"Aber das..."
"Nein, ich will nicht mehr diskutieren jetzt. ", würgte er mich ab, und schaltete dann wieder die Musik an. Ich schnaufte beleidigt, schüttelte mit dem Kopf und sah aus dem Fenster. Was war so schlimm daran, das einfach wie normale Menschen zu klären? Warum musste denn immer alles gleich mit Gewalt und Drohungen geregelt werden? Ich verstand es einfach nicht.
Wenige Minuten später kamen wir zu Hause an, und Vladislav parkte das Auto in der Garage. Immernoch runzelte er die Stirn, während er den Motor ausschaltete und dann ausstieg. Ich tat es ihm gleich, und ging zu ihm rüber.
"Ich will nicht, dass meine Eltern wegrennen und sich verstecken müssen. Das wäre zu viel für sie.", sagte ich zu ihm, als wir zur Tür liefen.
"Können wir jetzt mit dem Thema aufhören? Der Scheiß hat eh schon unseren Abend versaut. Ich will jetzt nicht mehr mit dir diskutieren, Baby. Akzeptier das, tamam?", fragte er und legte diesen Blick auf den er zeigte, wenn er irgendwas haben wollte. So ein Blick, wo er mich dann Mitleid erregend , mit glasigen Augen ansieht.
"Okay. Dann akzeptier du aber auch, dass ich nach einer anderen Lösung suchen werde, auch wenn dir das nicht passt."
Als er nicht die Anwort bekam die er wollte, verdrehte er genervt die Augen und seufzte laut.
"Man, ja mach halt. Aber wirst eh keinen Erfolg haben damit."
"Das sehen wir noch." Ich legte ein provokatives Grinsen auf, lief auf Zehenspitzen zu ihm hin um auf seiner Höhe zu sein, und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Nebenbei mopste ich mir den Haustürschlüssel aus seiner Hand, und schob mich elegant an ihm vorbei.
"Gehts?", fragte er zynisch, musste aber dabei grinsen.
"Türlich.", sagte ich selbstsicher, und öffnete uns beiden die Tür.
"Warum lachst du, wenn vor gerade mal zwei Stunden das Leben deiner Eltern bedroht wurde?", fragte er angesteckt von meinem Lächeln, und griff nach meiner Hand bevor ich weghüpfen konnte. Er zog mich sanft an sich heran, und angelte sich nebenbei den Schlüssel zurück.
"Du hast doch gesagt, du willst mit dem Thema aufhören. Dann lass uns den restlichen Abend noch irgendwie schön machen, wenn alles andere schon nach hinten losgegangen ist.", sagte ich, während er seinen Arm um mich gelegt hatte und mich leicht gegen seinen Körper drückte.
"Was meinst du mit schön machen?", hinterfragte er mit einem erregten Grinsen.
"Keine Ahnung", sprach ich leise, und fuhr mit meiner Hand an seinem Arm nach unten. Sein grinsen wurde breiter, und ich sah ihm an dass er bereits die übelsten Filme in seinem Kopf schob. Meine Hand strich über seinen Unterarm, über seine Uhr, und verschränkte sich dann leicht zwischen seinen Fingern. Das selbe tat ich auch an seinem rechten Arm, bis ich auch dort unten angekommen war. Durch unsere ineinander verankerten Hände fand ich etwas Halt, den ich nutzte um mich auf die Zehenspitzen stellen zu können. Ich stützte mich quasi durch ihn ab, und rückte dann ganz nah auf. Unmittelbar auf Augenhöhe näherte ich mich seinem Gesicht. Er hingegen stand einfach nur da und sah mich mit funkelnden Augen an. Ich legte meine Lippen langsam, und ganz sanft auf seine. So sanft, dass ich sie nur minimal berührte. Einfach nur um ihn zu ärgern.
"Film gucken oder so.", sagte ich locker, und grinste ihn nochmal extra breit an. Boah, dieser Blick war unbezahlbar. Elegant tänzelte ich von ihm weg und wollte mich aus dem Staub machen, aber er schaltete reflexartig. Seine Hand schnellte nach vorne und er griff nach meiner. Ehe ich mich versah, hatte er mich einmal um mich selbst gedreht und an sich gezogen, sodass ich mit dem Rücken an seinem Brustkorb klebte.
"So also, ja? Mich geil machen und dann stehen lassen?", raunte er gegen meinen Hinterkopf.
"Kommt dir bekannt vor?", fragte ich. Er wusste genau, was ich meinte. Genau deswegen fing er auch an hinter mir zu kichern.
"Du lernst also von mir.", freute er sich, während er meine Haare zurückstrich, um mich hinter dem Ohr zu küssen.
"Ab und an.", sagte ich schwer Atmend, als er meinen Hals küsste.
"War schon gut, aber da fehlt was."
"Das da wäre?"
Er antwortete nicht sofort, sondern lachte mit einem leisen, grummelnden Geräusch hinter mir auf. Sein Gesicht vergrub er in meiner Halsbeuge, während er parrallel dazu seine Hand auf meinen Oberschenkel legte.
"Mehr Körpereinsatz.", brummte er gegen meine Haut, und rutschte mit seiner Hand unter mein Kleid.
"Wir wohnen hier nicht alleine, vergiss das nicht.", mahnte ich ihn schmunzelnd, und drückte seine Hand wieder nach unten.
"Dann sein mal froh dass das so ist, sonst würdest du jetzt schon auf dem Küchentisch liegen.", sagte er und nahm meine Hand, mit der ich seine eben von mir weggeschoben hatte.
"Jaja, so viele Worte. Früher warst du nicht so zurückhaltend.", grinste ich und löste mich von ihm.
"Was, willst du jetzt echt dass ich dich in der Küche ficke, wenn Samra jeden Moment reinplatzen könnte?", fragte er mich verblüfft, nachdem ich ihn stehen lassen hatte.
"Oh mein Gott, nein! So meinte ich das nicht.", lachte ich als ich fest stellte, dass das wirklich gerade so klang als hätte ich das gewollt.
"Versteh mich nicht falsch. Es ist echt schön, wenn du mal nicht 24/7 an Sex denkst. Aber du kannst ruhig mal wieder...naja du weißt schon."
"Ich weiß schon.", sagte er, grinste und nickte dabei mit auf und ab wackelnden Augenbrauen.
"Geh schonmal hoch, ich kümmer mich gleich um dich.", schmunzelte er und zwinkerte mir zu. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht drehte ich mich um, und lief zum Treppenaufgang. Als ich um die Ecke war, bemerkte ich erst mal dass ich immernoch diesen riesigen Colafleck auf dem Kleid hatte. Das erste was ich wollte war, aus diesesn verdammten Kleid rauszuschlüpfen. Mit ihm würde ich den Abend und alles schlechte was heute passiert ist einfach in die Ecke schmeißen - und es erst morgen wieder hervorholen. Eilig schnappte ich mir frische Sachen und tapste ins Bad. Ich wollte noch schnell den ganzen Dreck abwaschen, der sich an mich geheftet hatte, bevor Vladislav soweit war. Einfach alles an mir roch gefühlt nach Müllcontainer. Wiederlich.
Frisch geduscht zog ich meine Unterwäsche an, und wickelte mir dann mein Handtuch um. Das Kleid schmiss ich in die Wäschetonne, bevor ich entspannt zurück in mein Zimmer lief.
"Vladislav?", rief ich, als ich ihn nicht im Zimmer vorfand. Zuerste dachte ich, er würde sich hinter der Tür oder so verstecken. Aber irgendwie war er nicht hier. Eigentlich wollte ich mich jetzt nicht erst wieder anziehen, aber ich tat es trotzdem. Skeptisch eingestimmt zog ich mir Shorts und ein Top über, und machte mich dann auf die Suche nach dem Ukrainer. Oben war er jedenfalls nicht, da hatte ich jedes Eckchen abgesucht. Anders als erwartet fand ich ihn unten auch nicht, was mir jetzt doch irgendwie Sorgen bereitete.
"Vladislav?", rief ich erneut nach ihm, doch keiner antwortete. Ist der jetzt gegangen oder was? Nee, sein Autoschlüssel liegt ja auf dem Tisch. Im Erdgeschoss gab ich die Suche auf, und ging wieder nach oben. Kurz überlegte ich, bei Samra zu klopfen. Aber ich wusste ja nicht mal, ob er da war. Und ehrlich gesagt wollte ich mir den Abend nicht noch mehr kaputt machen lassen, also ließ ich es sein.
"Vladislaaaaaav.", sang ich durch das gesamte Haus, aber es regte sich einfach nichts. Wieder in meinem Zimmer angekommen sah ich mich nochmal um. Aber so wie auch schon zehn Minuten zuvor, war hier keiner. Ich nahm mein Handy von der Kommode, und drückte auf den Homebutton. Keine neuen Nachrichten. Super, wie mir einfach keine Sau schreibt. Augenrollend sperrte ich es und legte es wieder zurück. Ich drehte mich um und zuckte zusammen, als plötzlich jemand am Fenster stand.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt