Part 31 ~ Melancholie

455 37 14
                                    

Nachdem wir bezahlt hatten, verließen wir zu dritt das Restaurant. Samra und Vladislav liefen vorne weg, während ich gedankenverloren hinterher schlenderte. Wie auch schon vorhin hatte mir Vladislav seine Jacke gegeben, damit ich nicht zu sehr frieren musste. Und wieder atmete ich diesen unglaublichen Duft ein, der mir wenigstens für drei Sekunden mal kurz das Gefühl gab, glücklich zu sein. Doch drei Sekunden waren schnell vorbei, und der Glücksmoment somit auch.
Die ganze Zeit über hatten sich die Jungs unterhalten, während ich mir das Essen hereingezwungen hatte. Eigentlich wollte ich nichts essen - aber Vladislav bestand darauf. Und er hätte nicht locker gelassen, also tat ich ihm den Gefallen. Mehr oder weniger freiwillig. Während wir im Restaurant waren, hielt ich mich eher zurück. Vladislav und Samra besprachen einige Dinge die wirklich wichtig waren. Doch die meiste Zeit blödelten sie einfach herum oder holten lustige Geschichten aus der Vergangenheit hervor. Obwohl Samra mich mehrmals mit dem Ellenbogen angestoßen hatte um mich zum Lachen zu animieren, stimmte ich nicht mit ein. Mehr als ein gefaktes Schmunzeln konnte ich nicht dazu beitragen. Die Sache mit Vladislav machte mir nach unserem Gespräch keine Sorgen mehr. Was mich nun immens aufregte, war Samras Aktion. Anfangs musste ich die Tränen herunterschlucken. Es machte mich so unglaublich wütend, dass er einfach meine Gefühle ausgenutzt hatte, um sich einen Spaß zu machen. Am liebsten wäre ich aufgstanden, hätte ihn nach draußen gezogen und ihn zur Rede gestellt. Doch was würde mir das bringen? Es wäre doch eine Genugtuung für ihn gewesen, wenn ich mich jetzt bei ihm beschwert hätte. Das was er wollte, hatte er ja bereits erreicht. Ihm jetzt noch mehr zu verdeutlichen wie wütend ich war, wäre für ihn wie Kino. Allerdings konnte ich auch nicht so tun, als wäre nichts. Deshalb ignorierte ich ihn einfach so gut ich konnte. Immer wieder sah mich Vladislav an. Irgendwie bekam auch er dadurch die kalte Schulter von mir ab. Obwohl ich das nicht an ihm auslassen wollte, konnte ich einfach nicht anders als mich von beiden zu distanzieren.  Zumindest solang, wir so eng beieinander saßen. Durch ein kleines Lächeln in Vladislav's Richtung versuchte ich ihm zu signalisieren, dass alles gut ist. Trotzdem ging es nicht spurlos an ihm vorbei, das wusste ich. Es tat mir so leid - und das zog meine Laune noch weiter nach unten. Dadurch, das ich nicht wirklich lachen konnte, war Vladislav wie ausgebremst. Natürlich alberte er trotzdem mit seinem besten Freund herum. Und selbstverständlich lachte er auch. Aber es brach mir das Herz, wenn ich sah, wie sein Lächeln nachließ sobald er mich ansah. Das tat einfach noch mehr weh. Mit anzusehen, wie ich ihn verletzte, weil ich einfach in dem Moment keine gute Laune haben konnte.
Beim laufen schlang meine Arme um meinen zitternden Körper, und dachte an vorhind zurück, als wir noch im Restaurant waren.

"Ich geh kurz Toilette.", unterbrach ich die beiden Jungs, welche sich gerade angeregt unterhielten. Vladislav sah kurz zu mir, und nickte leicht. Dann sprachen sie einfach ungehindert weiter, während ich mich von ihnen entfernte.
Im Badezimmer wartete ich bis die Tür zu fiel, und stellte mich dann vor eines der Waschbecken. Seufzend stützte ich mich auf dem Waschbeckenrand ab, und betrachtete das Mädchen im Spiegel. Waren diese Augenringe schon die ganze Zeit da? Oh man.
Ich fuhr mir einige male durch die Haare, um sie ein wenig mit den Fingern zu kämmen. Eigentlich musste ich gar nicht auf die Toilette. Ich wollte nur mal fünf Minuten Pause von dem ganzen hier haben. Die Tür ging auf, und ich räusperte mich leicht. Ich sollte wohl wieder zurückgehen. Allerdings würde ich viel lieber noch ein paar Minuten hier stehen bleiben.
"Alles gut?", fragte mich plötzlich eine Frau, die mich mit besorgten Blicken musterte. Sie trug eine helle Jeans mit einer blauen Bluse, und war schätzungsweise so Anfang 40. Oder jünger, keine Ahnung. Ich bin eine Niete wenns um's Schätzen vom Alter ging.
"Ja, alles gut.", antwortete ich freundlich lächelnd.
"Du bist mit den zwei Jungs hier, oder?", verwickelte sie mich in ein Gespräch.
"Ja."
"Also wenn du Hilfe brauchst oder so..."
"Was? Nein, alles gut. Wir sind nur essen. Der eine ist mein Freund. Wirklich, alles gut.", versicherte ich ihr. Ich bemerkte, wie ihre Blicke auf meinen Hals gingen. Ach man, diese verdammte Narbe. Jedes mal.
"Das ist nicht...also das war nicht...ähm...das ist schon älter. Ist als Kind mal passiert.", plapperte ich nervös.
"Aber es blutet.", sagte die Frau und starrte weiter.
"Was?", gab ich verblüfft von mir, und drehte mich zum Spiegel um. Es war nicht so schlimm, wie ich dachte. Nur ein kleiner Fleck, der wohl irgendwie aufgegangen war. Ein Stückchen Schorf, welches sich vermutlich gelöst hatte, als dort der Kragen von Vladislavs Jacke war. Mit einem feuchten Taschentuch wischte ich es weg.
"Sicher, dass du keine Hilfe brauchst?", fragte mich die Frau erneut.
"Ja. Alles gut.", winkte ich ab. Als sie schulterzuckend in der Toilette verschwand, rollte ich kurz mit den Augen. Es war ja mega lieb, dass sie sich sorgte und so. Aber irgendwie nervte mich das auch ein bisschen. Irgendwie nervte mich gerade alles ein bisschen. Erneut wischte ich über die winzig kleine offene Stelle an meinem Hals. Zum zweiten mal ging die Tür auf, und ich schnaufte leise auf. Konnte man hier nicht mal für zwei Minuten seine Ruhe haben?
"Alles gut?", hörte ich Vladislav's Stimme, die plötzlich aus dem Nichts kam. Nach einem kurzen erschrockenen Zucken sah ich im Spiegel, dass er hinter mir stand und das Stückchen Zellstoff in meiner Hand analysierte.
"Ja.", antwortete ich kurz angebunden, und warf es in den Mülleimer.
"Wenn du wegen mir traurig bist...ist wirklich alles gut. Ich bin dir nicht böse, Baby.", sprach er sanft.
"Nein, das ist es nicht. Das war ja geklärt. Ist nicht mehr wichtig."
"Irgendwas ist aber." Er ließ nicht locker. Ich wich seinen Blicken im Spiegel aus, und strich mein Kleid gerade.
"Wegen Samra? Ach, ärger dich nicht. Du weißt doch, wie er ist."
"Weiß ich. Trotzdem ärgert mich das. Aber das kann ich ihm nicht sagen, weil er sich dann doppelt freut. Und das regt mich auf.", gab ich genervt von mir.
"Ich klär das, mach dir keinen Kopf.", versuchte er mich zu beruhigen.
"Und dann heißt es wieder, dass ich mich bei dir ausgeheult habe."
"Hast du ja auch.", erwiederte er grinsend. Ich warf ihm durch den Spiegel einen wütenden Blick zu.
"Wenn das so mies deinen Kopf fickt, kann ich dir auch anders helfen runter zu kommen.", sagte er leise, während er einen Schritt auf mich zugekommen war. Ich spürte einen kalten Luftzug hinter mir, und schon hatte er seine Hände unter meinem Kleid.
"Vlad..."
"Scht.", unterbrach er mich, während er sein Gesicht von hinten in meine Halsbeuge drückte.
"Wir sind hier nicht alleine.", flüsterte ich, ehe er noch weiter gehen konnte. Mit skeptischem Blick drehte er sich um.
"Was redest du? Da ist keiner."
"Doch, da ist eine Frau."
"Baby, da ist niemand.", wiederholte er sich. Nun drehte auch ich mich um. Keine der Toiletten war verschlossen, alle waren auf.
"Aber da...da war eben eine Frau. Mit so einer hellblauen Bluse."
"Hast du dir irgendwas eingeschmissen?", fragte mich der Ukrainer. Das konnte unmöglich sein. Ich hatte mich doch mit ihr unterhalten. Und sie war zu einhundert Prozent noch nicht wieder herausgegangen. Oder doch, Hä? Ich war doch nicht so verpeilt, oder ?!
"Da ist keiner. Wir sind alleine.", sagte Vladislav zum wiederholten Mal und legte seine Hände auf meine Hüfte. Dann zog er mich an sich, sodass ich leicht gegen ihn prallte. Im nächsten Moment ging er mit mir ein paar Zentimeter zurück, und ich spürte den Waschbeckenrand an meinem Hintern. Er brummte kurz, legte dann seine Hand an meinen Hals, und wischte mit seinem Daumen etwas fester über die kleine Narbe an meiner Kehle.
"Blutet?", fragte ich flüsternd. Mit gerunzelter Stirn schüttelte er den Kopf.
Er betrachtete die Stelle noch einige Sekunden, bevor er wieder Blickkontakt suchte. Dieses mal ließ ich es zu, anstatt wegzusehen.
Gerade als er sich bewegen wollte, hörten wir die Klospülung. Wusste ich doch, dass die Frau nicht heraus gegangen war. Wir schauten beide gleichzeitig zur Tür, die gerade aufging. Vladislav beobachtete durch den Spiegel, wie die Frau ans Waschbecken lief. Es herrschte eine unangenehme Stille. Kurz sah mir die Frau in die Augen, und trocknete sich die Hände ab.
"Was gibt's da zu glotzen?", fragte Vladislav direkt genervt. Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm, um zu signalisieren dass das unangebracht war.
"Was? Ist doch kein Kino, nahui."
"Das ist die Frauentoilette. Normalerweise haben sie hier gar nichts zu suchen.", argumentierte die Frau selbstbewusst.
"Ist hier betreten verboten Schild oder so ein Scheiß? Nein. Also verpiss dich jetzt, und geh mir nicht auf die Eier.", paffte er die arme an. Kopfschüttelnd verließ sie den Raum.
"Was sollte das denn?", fragte ich Vladislav erzürnt.
"Mir geht das halt auf den Sack, wenn jemand die ganze Zeit gafft."
"Sie hat doch nur kurz zu mir geschaut?!"
"Ja, und? Reicht doch."
"Sei doch nicht direkt so unfreundlich." Ich schob mich von ihm weg, und wischte ein letztes mal über die Wunde auf meiner Haut.
"Sorry, Baby.", entschuldigte er sich, und stellte sich wieder hinter mich.
"Kannst du mich für ein paar Minuten alleine lassen, bitte? Ich komm' gleich nach."
"Tamam. Aber nur kurz, Prinzessa.", willigte er ein, verpasste mir einen Kuss auf den Hinterkopf, und ging wieder nach draußen.

"Hey.", sagte Vladislav, holte mich damit aus meinen Gedanken zurück in die Gegenwart und legte während des laufens einen Arm um meine Schultern. Samra lief ein paar Meter vorne weg, wodurch wir ungestört waren.
"Guck mal, wegen der Sache auf Klo. Sorry. Ich bin scheiße manchmal, ich weiß.", entschuldigte er sich erneut.
"Ach, das hab ich doch schon längst wieder vergessen.", winkte ich ab.
"Dann immernoch wegen der Sache mit Samra? Wenn du willst, rede ich jetzt direkt mit ihm.". schlug er vor.
"Nein. Sag nichts zu ihm. Vergiss das einfach."
"Aber das fickt deinen Kopf, ich seh's."
"Ja, aber ist egal."
"Baby.", sagte er, und stellte sich plötzlich ausbremsend vor mich.
"Lass mich regeln. Ich klär das mit ihm. Vertrau mir mal." Ich sah an ihm vorbei, um sicher zu gehen, dass Samra weit genug weg war um uns nicht zuhören zu können.
"Was würde das ändern? Meinst du, er ist dann auf einmal nett? Sag bitte einfach nicht's zu ihm. Ich hätte dir das nicht sagen sollen. Lass mich das selber mit ihm ausmachen...früher oder später. Oder gar nicht.", sagte ich, und lief an ihm vorbei. Sanft griff er nach meiner Hand, und hielt mich auf.
"Mach nicht so. Verschweig mir nicht, Baby. Ich helf dir, du weißt. Egal bei was. Tamam, wenn du selbst klären willst, kannst du. Aber sag mir, wenn was ist ja? Nichts Geheimnisse und so."
"Okay.", sagte ich leise.
"Kommt ihr?", rief Samra, der zehn Meter weiter bereits am Auto stand. Vladislav schenkte mir ein kleines aufmunterndes Lächeln, welches ich erwiederte. Ganz leicht drückte er immer mal wieder meine Hand, und schaffte es somit, mir ein kleines bisschen die miese Laune weg zu zaubern.

 Ganz leicht drückte er immer mal wieder meine Hand, und schaffte es somit, mir ein kleines bisschen die miese Laune weg zu zaubern

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Hab einfach mal versucht, einen Rückblick einzubauen. Ist mal was anderes. Soll ich das öfter mal machen, oder findet ihr das doof? Verwirrt das zu sehr, wenn das zu lang ist, oder kommt es mir nur so vor ? 🤭
Schreibt ruhig mal eure Meinung.
Danke an Capisfrau   für die Tipps wegen dem Rückblick ❤️

Nächstes Kapitel wird wieder etwas spannender. <3

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt