Part 62 ~ Skepsis

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„Was is?", fragte Vladislav schnippisch, nachdem ich ihm zum fünften Mal über die Schulter sah.
„Ich guck nur, dass du da nichts reinmischst."
„Çüş bitte, hör auf mit diese Filme. Ich misch da nichts rein."
„Ich trau dir nicht." Weiterhin ließ ich ihn nicht aus den Augen. Dasselbe wie mit Samra würde mir nicht noch einmal passieren. Dieses Mal achtete ich auf jede kleine Bewegung, die er da über unserem Essen machte.
„Warum sollte ich was reinmachen, wenn ich das dann selber esse?" Ich ließ seine Frage unkommentiert, und beobachtete ihn stattdessen weiter.
Sorgfältig portionierte er die Nudeln auf den Tellern, und reichte mir dann einen nach dem anderen.
„So, fertig.", sagte er stolz, und setzte sich hin.
„Stopp.", sagte ich, als er schon das Besteck in der Hand hielt. Ich tauschte unsere Teller und Gläser aus, woraufhin er mich fragend ansah.
„Ich bin doch nicht blöd.", kommentierte ich schnaufend.
„Du bist behindert, ja.", kam es nur beleidigt von ihm zurück.
„Dann iss." Antwortete ich, und wies mit den Augen auf seinen Teller.
„Kein Problem." Er grinste provokativ, und schob sich dann eine Gabel voll Nudeln in den Mund.
„Perfekt.", lobte er sich selbst. Dann nahm er eine Gabel voll von meinem Teller, und spülte mit einem Schluck aus meinem Glas nach.
„Glaubst du mir jetzt, dass ich dich nicht vergiften will?" Prüfend betrachtete ich beide Teller, und begann schließlich auch, etwas zu essen.
„Siehste, geht doch.", schmunzelte er. Während wir aßen, sprachen wir nicht großartig. Irgendwie herrschte eine unangenehme Stille. Die Luft zwischen uns war immer noch sehr angespannt. Auch wenn er so tat als wäre alles normal, veränderte das meine Haltung ihm gegenüber nicht. Ich konnte nicht sagen, ob es tatsächlich stimmte, was er da behauptete. So richtig glaubte ich ihm nicht, auch wenn ich es gerne würde.
„War lecker?", fragte er, nachdem ich aufgegessen hatte. Ich nickte ihm stumm zu, und legte das Besteck auf den leeren Teller.
„Wusste ich. Ich mach Baba essen.", gab er selbstlobend von sich, während er die Teller in die Spülmaschine räumte. Auch ich erwies mich als nützlich, und wollte ihm die Schüssel hinstellen. Genau in dem Moment als ich direkt hinter ihm war, drehte er sich um und griff nach ihr – sodass wie sie nun beide festhielten. Ich sah zu ihm hoch. Seine braunen Augen sahen mich direkt an, während er seine Finger an der Schüssel weiter nach vorne schob, bis sie meine berührten. Mein Herz geriet sofort aus dem Rhythmus, und überschlug sich beinahe. Die Kraft in meinen Beinen verringerte sich, als er mit seinem Gesicht näherkam. Als Vorsichtsmaßnahme wich ich mit meinem Kopf ein Stückchen nach hinten.
„Woher weiß ich, dass das kein Trick ist?", fragte ich ihn leise. Doch statt einer Antwort kam er mir wieder näher, während ich in meiner Position unbewegt blieb. Kurz zögerte Vladislav noch, und dann berührten sich unsere Lippen. Für den ersten Moment war ich Bewegungsunfähig. In meinem Körper stieg Hitze auf, und mein Bauch begann zu kribbeln. Dann, wenige Sekunden später, erwiderte ich seinen Kuss. Auch wenn ich immer noch misstrauisch war: Ich ließ zu, dass er das tat. War das falsch? Ach, scheiß auf richtig oder falsch. Das Gefühl war einfach zu schön.
Meine Augen waren die ganze Zeit geschlossen. Er nahm mir die Schüssel ab, und platzierte sie blind hinter sich auf der Küchentheke. Als nächstes rückte er zu mir auf, und legte seine Hand seitlich an meinen Kopf. Verdammt, dieses Gefühl wurde immer schöner. Er beschleunigte das Tempo, und ich tat es ihm gleich. Vorsichtig drängte er mich einige Schritte zurück, bis ich die Tischkannte an meinem Po spürte. Das war der Moment, wo er noch schneller wurde. Aber nicht nur das: Sein Griff an meinem Kopf festigte sich minimal, und er drückte seine Fingerspitzen in meinen Nacken. Als es mir etwas zu schnell ging, berührte ich sein Handgelenk, um ihm ein Signal zu geben. Er fasste es jedoch völlig falsch auf, und drückte seinen Unterkörper gegen meinen. Langsam aber sicher wurde es mir dann zu viel. Ich genoss den Moment, aber Vladislav wurde sehr schnell zu hektisch. Ich wollte mich von seinen Lippen lösen, aber es ging nicht. Er ließ mir keine Möglichkeit dazu. Es war nicht mal möglich ihn weg zu schieben, weil er meine Hand nach unten drückte. Mit der anderen Hand versuchte ich seine Hand von meinem Nacken zu lösen. Doch ich erreichte damit nur, dass er sich intensiver festkrallte. Erst als lautstark die Hauseingangstür ins Schloss fiel gab er endlich nach und blickte dorthin, wo eben das Geräusch ertönte. Erschrocken und wütend zugleich sah ich ihn an, doch er stierte mit finsterem Blick an mir vorbei. Ich drehte meinen Kopf nach hinten, und dort stand Samra. Der Libanese schaute auf Vladislavs Hand, die immer noch an meinem Kopf lag. Sein Blick traf mich wie ein Schlag in die Magengegend. Er hob seine Nasenflügel, und richtete sich dann auf, bis er komplett gerade dastand. Auch wenn er nicht sprach, konnte ich genau sehen, was er dachte. Es war die pure Enttäuschung, welche sich rasend schnell in Wut konvertierte. Kopfschüttelnd zog er an uns vorbei. Ich schnappte nach Luft und wollte etwas sagen, doch er war so schnell weg, dass ich postwendend wieder verstummte. Nachdem er oben angekommen war ließ er die Tür so laut zuknallen, dass ich vor Schreck aufzuckte.
„Ignorier einfach. Lass weitermachen.", sagte Vladislav, als ich ihm direkt hinterher wollte.
„Lass mich los!", zischte ich, und entfernte nun endlich seine Hand von mir.
„Ey, wir waren noch nicht fertig!", fuhr er mich plötzlich mit erhobener Stimme an, während er mein Handgelenk festhielt. Ich sah auf seine Hand, und dann in seine Augen. Sie funkelten buchstäblich vor Jähzorn. Ohne etwas darauf zu erwidern brachte ich all meine Kraft auf, um mich mit einem Ruck von ihm loszureißen. Dann ließ ich ihn einfach stehen, und suchte Samra in seinem Zimmer auf.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt