Part 52 ~ Gefährliches Spiel

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Immer noch stand ich mit dem Rücken zur Tür, während Vladislav an seiner Zigarette zog. Er kniff ein Auge leicht zusammen, und pustete dann den Rauch nach oben in die Luft.
„Was ist jetzt? Rede endlich, umso eher bin ich dich los.", kommentierte er mit Ungeduld in der Stimme.
„Erinnerst du dich an gar nichts mehr?", fragte ich traurig. Er sah zu mir herüber. Dann hüpfte er von seinem Schreibtisch herunter, und kam mir wieder näher. Dieses Mal ging ich provisorisch einen Schritt von der Tür weg, damit ich zur Not ausweichen konnte.
Mit prüfenden Blicken schlenderte er einmal um mich herum, und kam dann vor mir zum Stehen.
„Doch.", sagte er. Erinnerte er sich tatsächlich an etwas? Der kleine Hoffnungsfunke ließ mein Herz sofort schneller schlagen.
„Daran, dass du mir von der ersten Sekunde an übertrieben auf die Eier gegangen bist." Er drehte mir wieder den Rücken zu, und ging zu seinem Schreibtisch zurück. Damit war der Hoffnungsfunke weg. Geplatzt, wie ein aufgeblasener Luftballon. Es tat so weh, wenn gerade er so gemein zu mir war. Aber ich durfte nicht schon wieder heulen. Also schluckte ich den Schmerz herunter, und griff in meine Hosentasche.
„Was das?", fragte er mich streng, und wies mit seinem Blick auf meine Faust.


„Hier.", sagte Samra emotionslos, und schob die Hand in seine Jackentasche. Während er sich weiterhin auf die Straße konzentrierte, streckte er mir seine geschlossene Hand entgegen. Skeptisch gestimmt hielt ich meine Hand unter seine. Ich spürte einen kleinen, kühlen Gegenstand in meiner Handfläche. Samra sah nicht einmal zu mir herüber. Es schien mir als wäre er genervt davon, dass er mir das gab.
Ich sah auf das, den Gegenstand in meiner Hand. Meine Augen begannen zu brennen, und ich spürte wieder diesen Schmerz in meiner Brust. Vor mir hielt ich die Überreste des Armkettchens, welches Vladislav mir geschenkt hatte.
„Wo hast du das her?", fragte ich Samra mit brüchiger Stimme, und sah zu ihm herüber. Immer noch konzentrierte er sich mit sturem Blick auf die Straße.
„Kam heute früh. War in 'nem Brief von Kareem."
„Und was stand da drin?"
„Keine Ahnung, weiß nicht mehr.", entgegnete er unfreundlich.
„Hast du ihn hier?"
„Warum soll ich so einen Müll mit mir rumschleppen? Nimm das doch einfach, und gut ist." Etwas gekränkt über seine Reaktion sah ich wieder auf das Armkettchen. Warum hatte Kareem es mir zukommen lassen? Und wann hatte er es aufgehoben? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er es vom Boden aufgelesen hatte. Welche Gründe er auch hatte: ich war ihm dankbar dafür. Denn das konnte mir im Bezug auf Vladislav vielleicht helfen.
„Sorry.", nuschelte Samra nach einigen Minuten voller Schweigen. Seit wann entschuldigte er sich bei mir?



„Das hast du mir geschenkt. Als wir in der Roadrunnerlounge waren. Weißt du noch? Wir hatten uns gestritten, und du hast mich von Samra dort hin bringen lassen. Wir haben über alles geredet, was wir zusammen erlebt haben. Du hast mir das Kettchen geschenkt. Danach sind wir nach Paris geflogen. Im Flieger hast du die ganze Zeit meine Hand gehalten, weil du mega Flugangst hast. Du warst irgendwann so kaputt, dass dir einfach die Augen zugefallen sind." Auf meine Lippen schlich sich ein kleines Lächeln, als ich zurückdachte. Wie gerne wäre ich jetzt wieder mit ihm im Flieger. Wie sehr ich mir doch wünschte, dass es endlich wieder wie früher wäre.
Er betrachtete ausdruckslos das kaputte Armkettchen in meiner Hand, während er wieder an seiner Zigarette zog. Dann griff er nach vorne, und nahm es an sich. Er nuschelte ein kurzes „Hm.", und drehte sich zu seinem Schreibtisch, wo er dann seine Zigarette ausdrückte. Anschließend drehte er sich wieder zu mir herum, und kam näher. Er sah auf das Kettchen in seiner Hand, und dann in meine Augen.
„Erinnerst du dich?", fragte ich und betete innerlich, dass es irgendwie klick bei ihm gemacht hatte. Erneut sah er auf das Kettchen.
„Baby..." nuschelte er leise. In meinen Augen bildeten sich bereits kleine Freudentränen. Mein Herz begann schneller zu schlagen, und ich machte mich bereit, ihm um den Hals zu fallen wenn er sich jetzt tatsächlich erinnerte.
„Es war krass dumm von dir, hier her zu kommen."
„Was?", stieß ich mit erstickter Stimme hervor.
„Wir haben geredet. Du hast gekriegt, was du wolltest. Jetzt ist Bezahlung dran." Mit fiel die Kinnlade herunter. in seinem Gesicht machte  sich ein fieses, dreckiges Grinsen breit, und er ließ das Kettchen achtlos auf den Boden fallen. Erschrocken trat ich einen Schritt zurück.
„Nein.", sagte ich, als er mir wieder näher kam. In mir stieg Angst auf. Ich wusste ganz genau, was er vorhatte. Aber ich wollte das nicht. Auf einmal griff er nach meinem Kinn, und drückte meinen Kopf nach oben.
„Doch.", grinste er. Ohne Vorwarnung legte er seine linke Hand auf meinen Hintern, und drückte mich an ihn heran.
„Ich hab' nein gesagt!", wehrte ich mich, aber er ließ mich nicht los. Stattdessen wurde sein Grinsen immer breiter. Als er seine Hand an den Knopf meiner Hose legte, brannte mir eine Sicherung durch. Überwältigt von Wut und Panik zugleich holte ich aus, und schlug meine Handfläche mit voller Kraft in sein Gesicht. Es steckte so viel Wucht hinter dem Schlag, dass es seinen Kopf zur Seite gedreht hatte. Sofort ließ er mich los, taumelte zwei Schritte zurück, und blieb dann stehen.
„Fass mich nie wieder so an!", Schrie ich, außer mir vor Wut. Mein gesamter Körper war am Zittern, so aufgewühlt war ich. Erst jetzt drehte er sein Gesicht wieder in meine Richtung. Seine Wange war knallrot angelaufen.
Mit angespannten Schultern stand ich ihm gegenüber. Mein Herz lief gerade einen Marathon, während meine Lunge pumpte wie verrückt. Immer noch kochte die Wut in mir. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er so weit gehen würde.
„Was hast du, Prinzessa?", fragte er mit unheimlich ruhiger Stimme.
„Wenn wir ja angeblich zusammen waren, dürfte dir das doch nichts ausmachen." Mir fiel keine Antwort ein. Stattdessen beobachtete ich ihn, wie er weiter in sich hinein grinste. Er machte seinen Rücken gerade, und kam wieder näher. Die Wut in meinem Bauch ließ nach, und die Angst drang wieder zurück an die Oberfläche. So langsam wurde mir bewusst, was ich da eben getan hatte. Und ich bereute es. Nicht, weil er es nicht verdient hatte - bei Gott, er hatte es so sehr verdient. Sondern einfach, weil ich es hasste anderen weh zu tun. Bei ihm war das nochmal was komplett anderes.
Während ich über mein Handeln nachdachte, schnappte er sich wieder mein Kinn.
„Ich würde dir raten, das nicht nochmal zu machen.", flüsterte er.
„Ich dir auch.", entgegnete ich, erstaunt darüber wo der Mut plötzlich wieder her kam.
„Aber Baby. Du vergisst da was." Immer wieder sah er auf meine Lippen. Dann in meinen Ausschnitt, und dann wieder in meine Augen. Es war unangenehm, so von ihm angegeiert zu werden.
„Das hier ist meine scheiß Halle. Du stehst in meinem scheiß Büro, und hast dich, so dumm wie du bist, freiwillig mit mir hier eingesperrt." Er drückte mein Kinn unsanft nach oben, was mich kurz aufstöhnen ließ.
„Und dann redest du noch so frech mit mir und wagst es, mir einfach eine zu ballern? Uff, Baby. Glaubst du, du tust mir weh damit, hm? Soll ich dir mal zeigen, wie man anderen richtig weh tut?" Wieder begann er zu grinsen.
„Ich hab' nichts zu verlieren.", trotzte ich ihm weiter entgegen.
„Du hast einiges zu verlieren, Habibi. Ich kann dir zeigen." Ich hörte dieses bekannte klick-Geräusch. Ein Laut, der mir jedes Mal aufs Neue das Blut in den Adern gefrieren ließ. Eine Sekunde später spürte ich bereits die kalte Klinge an meiner Kehle.
„Die Zeit heilt alle Wunden. Es sei denn, man kratzt sie immer wieder auf.", sagte er leise. Dann spürte ich den bekannten Schmerz. Er hatte genau an der Stelle angesetzt, wo die Narbe von Samra's Klappmesser war.
„Willst du mir jetzt immer noch hinterherrennen?", fragte er siegessicher.
„So lange, bis du dich an alles erinnerst." Sein Grinsen war mit einem Zucken verschwunden. Er wischte das kleine bisschen Blut an meinem Shirt ab, und klappte das Messer dann wieder zusammen. „Deine freche Art macht mich schon geil.", sagte er, während er sein Werk betrachtete. Um den ganzen Nachdruck zu verleihen, drückte er seinen Daumen auf die Wunde, und strich dann über sie. Dadurch brannte es noch mehr, aber ich blieb stark und biss die Zähne zusammen.
„Andererseits gehst du mir übertrieben auf die Eier mit deinem Gelaber." Endlich ließ er mein Kinn los, und ich konnte den Blick von ihm abwenden.
„Ich hab keine Zeit für deine Kinderscheiße. Ich muss Sachen regeln. Rück den scheiß Schlüssel raus, und dann zieh endlich ab.", warf er mir kalt zu, und drehte sich von mir weg.
„Du schadest dir selbst, wenn du weiter deine Geschäfte machst." Nun drehte er sich wieder in meine Richtung um. Fragend und angestachelt zugleich zog er eine Augenbraue nach oben.
„Willst du mir drohen?", fragte er in bedrohlicher Stimmlage.
„Nein. Ich will verhindern, dass du in den Knast gehst wegen deinen dummen Geschäften."
„Hör mal zu, Schlampe.", setzte er an.
„Erstens geht es dich einen Scheiß an was ich für Geschäfte mache, und zweitens geh ich nicht Knast. Die kriegen mich nicht, ich bin überall und nirgendwo, kapiert? Ich fick die alle dreifach, bevor die mich ficken können. Und solltest du mir in die Quere kommen, wirst du genauso gefickt. Und nicht auf die geile Weise, wenn du verstehst was ich meine."
„Wie gesagt, ich will dir helfen. Ich will, dass du dich erinnerst. Und ich will bestimmt nicht, dass du in den Knast gehst." Mit vor Zorn, funkelnden Augen sah er mich an. Dann lockerte sich seine Haltung wieder.
„Wo wir gerade vom Ficken reden. Du hast immer noch Schulden bei mir."
Schnaufend schüttelte ich den Kopf.
„Träum weiter.", sagte ich.
„Ey!", brüllte er plötzlich, als ich mich von ihm abwandte. Seine Stimme war so laut, dass sie durch den kompletten Raum schallte.
„Bild dir nicht ein, dass du mir davonkommst, ohne zu bezahlen!"
„Hörst du dir selbst überhaupt noch zu? Das ist ekelhaft, was du hier abziehst! Du kannst mich nicht dazu zwingen, das zu machen! Und so wie du dich gibst, ist das das letzte was du von mir bekommen würdest!"
„Ist das so? Wollen wir testen, ob das so ist?", provozierte er wieder. Blitzschnell stampfte er auf mich zu. Schneller als ich reagieren konnte packte er mich, und trug mich zwei Meter nach vorne. Dann stellte er mich vor sich ab, und drückte mich wieder gegen die Wand.
„Lass das!", schrie ich, als ich seine Hände an meinem Bauch spürte.
„Du sollst aufhören!" Ich versuchte seine Hände wegzuschlagen, aber es machte ihm nichts aus.
„Was denn, du kennst das doch? Waren doch zusammen, oder? Ist das nicht so, hm? Hast du doch gesagt. Dann kann ich dich doch auch anfassen, wo ich will. Ist doch nix dabei, wenn ich das vorher auch gemacht hab'.", zog er mich auf. Er legte seine Hände an den Bund meiner Hose, und drückte meinen Unterleib gegen seinen.
„Bitte, hör auf.", flehte ich ihn nun an. Die Stärke und den Mut den ich eben besaß um mich gegen ihn zu stellen, waren komplett verschwunden. Ich fühlte mich so gedemütigt von ihm, dass es mir wieder im Herzen weh tat.
„Reicht dir das schon?", fragte er belustigt.
„Wie kannst du nur so sein? Nach allem, was wir durchgemacht haben?" Meine Sicht verschwamm, und meine Stimme versagte am Ende. Ich konnte nicht mehr. Wieder fuhr er mit der Hand an meinen Hintern.
„Nicht.", bat ich ihn ein letztes Mal. Er holte seine Hand wieder hervor, und präsentierte mir den Schlüssel.
„Ich wusste die ganze Zeit, wo er ist. Ich wollte nur mit dir spielen. Du dachtest, du hast Spielchen mit mir gespielt? Nein Baby, andersrum." Er trat einen Schritt zurück, und ging dann zur Tür.
„Jetzt verpiss dich endlich, bevor ich dich wirklich noch ficke." Mit gesenktem Kopf zog ich an ihm vorbei. Er folgte mir, schloss seine Tür von außen ab, und packte mich dann grob am Arm, um mich mit sich mit zu ziehen. Gemeinsam liefen wir die Gittertreppe nach unten, und trafen dann wieder auf seine Jungs. Rücksichtslos schubst er mich dem Mann in die Arme, der mich vorhin nicht reinlassen wollte. Dieser fing mich regelrecht auf, und hielt mich dann ebenfalls am Arm fest.
„Bring die Kahba hier weg. Ich bin fertig mit ihr.", wies er den Gorilla hinter mir an.
„Samra, wir reden. Komm." Winkend wies er den Libanese an, ihm zu folgen. Ich hatte vorher gar nicht bemerkt, dass er zwischen den anderen auf der Couch gesessen hatte.
„Warte am Auto, ich komm gleich.", rief er mir zu, während mich der Typ nach draußen schubste.
Nach einem lauten Knall war die Tür zu, und ich stand nun allein da. Es war stockdunkel und eiskalt. Traurig und gekränkt zugleich schlang ich die Arme um meinen Körper. Jetzt wo ich ganz allein war konnte ich nicht mehr anders, als meine Gefühle raus zu lassen und drauf los zu heulen.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt