Part 60 ~ Psychopathie

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Fünf Zigaretten später trat ich von der Terrasse wieder zurück in die Küche, und schloss die Tür ab. Diese ganze Scheiße fickte einfach meinen Kopf. Und der war sowieso schon kaputt. Ich lief nach oben, um zu sehen, ob Josy im Bad fertig war. Normalerweise war mir egal, ob sie drinnen war, wenn ich duschen wollte. Aber heute irgendwie nicht. Als ich ihr leises Schniefen aus ihrem Zimmer hörte, wusste ich dass ich freie Bahn hatte. Also holte ich mir meinen hellgrauen Jogginganzug, und ging dann unter die Dusche.

Vorsichtig klopfte ich an die Tür, und wartete auf eine Antwort. Ich vernahm ein leises, gequältes „Ja", und ging rein.
„Hey.", sagte ich, und ließ mich neben Josy aufs Bett fallen. Sie hatte sich die Decke bis über die Schultern gezogen, und eine Taschentücher Box auf ihrem Bauch platziert.
„Wie geht das jetzt weiter?", fragte sie mich leise.
„Ich hab' keine Ahnung, wallah. Vielleicht müssen wir einfach abwarten."
„Ich kann langsam nicht mehr."
„Ich weiß, Habibi."
„Weißt du, was ich nicht verstehen kann?" Ich schüttelte unwissend mit dem Kopf.
„Warum kann er sich an alles erinnern. Nur nicht an mich. Ich fange langsam an zu glauben, dass das nicht mal stimmt. Vielleicht erinnert er sich doch. Vielleicht hatte er nur einen Grund gebraucht, um zu gehen. Vielleicht war das alles so geplant, damit er sein altes Leben wiederhaben kann."
„Nein, safe nicht. Ich kenne Capi, noch besser als du ihn kennst. Er ist ein kranker Spinner, aber nicht so krank. So behindert im Kopf ist er nur als Joker."
„Aber das war doch nie ernst. Das war doch nur wegen der Musik."
„Jap, schon."
„Vielleicht irrst du dich.", nuschelte sie leise.
„Du schiebst Filme. Hör jetzt mal auf, darüber nachzudenken."
„Du hast leicht reden." Seufzend stand ich wieder vom Bett auf, und zog meinen Jogger glatt.
„Sag's ruhig.", sprach sie hinter meinem Rücken.
„Hm?"
Ich hab's dir ja gleich gesagt.", imitierte sie mich, was mich kurz zum Schmunzeln brachte.
„Naja, ist halt wirklich so. Ich hab' dir gesagt, dass er dir wehtun wird. Du wolltest ja nicht hören." Sie schniefte wieder leise.
„Schlaf jetzt einfach, Josy." Mit diesen Worten verließ ich ihr Zimmer. Ich streckte müde meinen Körper, und lief im Dunkeln über den Flur. Doch bevor ich die Hand an den Türgriff meiner Zimmertür legen konnte, wurde ich hellhörig. Ein merkwürdiges Geräusch kam von unten aus der Küche. Fuck.
Ich bewaffnete mich mit meinem Klappmesser, und schlich dann die Treppenstufen herunter. Wer auch immer sich da gerade ungebeten Zutritt verschafft hatte, ich würde ihn ficken.
Als ich unten war, sah ich wer sich in der Küche herumtrieb. Ich schnaufte laut, und lockerte meine Angriffshaltung auf.
„Was willst du hier?", fragte ich laut, mit genervtem Unterton.
„Ich wohne hier." Capi grinste mich provokativ an.
„Verpiss dich.", knurrte ich. Seine Anwesenheit fuckte mich so ab, dass ich ihm am liebsten meine Faust gegeben hätte. Aber ich versuchte, mich zusammenzureißen.
„Ok ok, ich geh.", sagte er mit erhobenen Händen, und lief in Richtung Tür.
„Nein war Spaß, ich bleibe.", lachte er und kam wieder zurück.
„Ich meins ernst Capi, verpiss dich. Du hast genug Schaden angerichtet."
„Shu Bratan, beruhig dich mal. Ich will doch nur ein bisschen Spaß haben, mehr nicht. Das mit dir ist halt Kollateralschaden, was soll ich machen Bruder.", grinste er mit absichtlich schlecht gespielter Anteilnahme.
„Kollateralschaden?", wiederholte ich schnaufend. Das brachte das Fass zum überlaufen. Ich marschierte ich auf ihn zu und wollte ihn herausschmeißen, aber der kleine Bastard war schneller und hüpfte zur Seite.
„Willst du echt drauf anlegen? Wir wissen doch beide, dass ich dich auf locker umballer."
„Mit deinen 70 Kilo? Lächerlich."
„Komm, komm.", forderte er mich auf.
„Ich hab keinen Bock auf deine Scheiße. Verpiss dich einfach, dann ist gut."
„Weil du Angst hast. Weil du ein Lutscher bist. Warst du schon immer. Deshalb wollte Josy auch von Anfang an mich, und nicht dich. Niemand steht auf Lutscher.", zog er mich auf.
Nun brannte mir endgültig eine Sicherung durch. Ohne nachzudenken ging ich auf ihn los. Der hatte keine Chance gegen mich, dachte ich mir Siegessicher. Im ersten Moment sah es so aus, als hätte ich ihn. Er lag auf dem Boden, und ich auf ihm. Genauso, wie ich es vorausgesehen hatte. Doch in der nächsten Sekunde holte er sich Schwung, und drehte uns um. Nun lag er auf mir. Er drückte sein Knie auf meinen Brustkorb, und hielt meine Hände vor meinem Gesicht zusammen.
„Runter!", brüllte ich, doch ich bekam ihn nicht von mir weg. Fuck, wo nahm der so viel Kraft her?
„Was, hm? Was für lächerlich, du kleiner Hundesohn?" Immer wieder schlug er mich mit meinen eigenen Händen leicht ins Gesicht, um weiter zu demonstrieren, dass er stärker war.
75 Kilo. Purer Hass, du Pic.", keifte korrigierend. Dabei drückte er sein Knie noch stärker gegen meine Rippen, sodass es nun richtig anfing weh zu tun. Gerade als ich ihn beleidigen wollte, flog er plötzlich zur Seite und ich war frei. Vor mir stand Josy, die mich veruweifelt ansah. Sie hielt mir ihre Hand hin, doch ich lehnte ab.
„Was willst du hier, Lan?", brüllte ich sie an, woraufhin sie erschrocken zurückzuckte.
„Dir helfen?", antwortete sie verunsichert.
„Ich brauch keine scheiß Hilfe! Ich komm auch alleine klar, ich bin kein behindertes Dreckskind!"

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt