Part 78 ~ Kidnapping 2.0

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Sirenen. Sie wurden lauter, und schienen immer näher zu kommen. Ich nahm das Blaulicht wahr, obwohl meine Augen geschlossen waren.
Plötzlich wachte ich auf. Ich spürte einen Windhauch, der durch das angekippte Fenster ins Zimmer kam. In ein Zimmer, welches mir völlig fremd war. Vor den Fenstern hingen zur Seite geschobene, dunkelblaue Vorhänge, welche von der Decke bis zum Boden hinab reichten. An ihnen vorbei drängte sich ein Sonnenstrahl, welcher innerhalb zwei Sekunden wieder verschwand.
Gegenüber vom Bett stand ein schwarzer Tisch, mit einer vollen Wasserflasche und einem umgedrehten Glas darauf. Davor befand sich ein kleiner, brauner Ledersessel.
Die Wände waren weiß gestrichen. Kein Bild, oder sonst irgendetwas war an ihnen angebracht worden. Es waren schlichte, weiße Wände. Nicht mehr und nicht weniger.
Vorsichtig setzte ich mich an den Bettrand. Als mein Kopf anfing zu hämmern, fiel mir wieder ein, was passiert war. Und gleich darauf realisierte ich, dass ich keine Ahnung hatte wo ich war. Es blieben also nur drei Möglichkeiten, was passiert sein könnte.
Erstens: Samra war mit mir in irgendein Hotel gefahren, nachdem ich Bewusstlos geworden war. Das war die Theorie, von der ich mir meisten wünschte, dass sie stimmte.
Zweitens: Vladislav war mit mir in irgendein Hotel gefahren. Was wiederrum bedeuten würde, dass ich wirklich am Arsch war. Obwohl, zur Not könnte ich mir hier bestimmt irgendwo Hilfe suchen, oder?
Die Dritte und absurdeste Möglichkeit: Keiner von beiden hatte mich hierhergebracht. Vladislav hatte mich an irgendwen weitergegeben, und feierte nun sein Leben mit seinen >Leuten<. In meinen Augen waren das alles einfach Affen, die jedes Mal sprangen, wenn er mit den Fingern schnippte.
Der Gedanke daran, dass die dritte Möglichkeit gar nicht so abwegig war wie ich es mir gewünscht hätte, ließ Übelkeit in mir aufsteigen. Wenn dem tatsächlich so war, musste ich versuchen zu fliehen. Die ersten beiden Möglichkeiten kamen für mich nun gar nicht mehr in Frage. Ich hatte mich an der dritten Variante festgeklammert, und wollte versuchen mein Leben zu retten. Über alles andere und das was danach passieren würde, wollte ich mir später Gedanken machen.
Leider bemerkte ich schon auf dem Weg zur Tür, dass mein Kopf nicht ganz mitspielte. Für einen Moment lang musste ich mich an der Wand abstützen und die Augen schließen, da sich um mich herum alles drehte. Mir war so übel, dass ich gar nicht wusste wohin mit mir. Nach einigen Sekunden tiefem ein- und ausatmen ließ die Übelkeit nach. Ich konnte meine Augen wieder öffnen, und meine Mission fortsetzen. Auch wenn ich mich nur langsam bewegen konnte, schaffte ich es zur Tür. Nachdem ich sie geöffnet hatte, sah ich mich um. Links und rechts befand sich ein langer Gang, mit vielen weiteren durchnummerierten Türen. Ja, das war definitiv ein Hotel.
„Ey!", rief plötzlich jemand. Als ich meinen Kopf nach rechts drehte, erkannte ich Vladislav. Er stand am Ende des Ganges, nahm seine Sonnenbrille ab, und musterte mich mit vorwurfsvollem Blick. Er trug eine kurze, schwarze Adidas – Jogginghose und ein schlichtes, weißes Shirt. In seiner Hand hielt er ein kleines, weißes Plastiktütchen mit Tragegriffen.
Als ich ihn sah, schoss mir nur ein einziger Gedanke durch den Kopf: Lauf!
Und das tat ich. Naja, zumindest versuchte ich es. Allerdings blieb es dann dummerweise auch beim Versuch.
Denn beim zweiten Schritt nach vorne drehte sich wieder alles um mich herum. Mir wurde schwarz vor Augen, und ich konnte mein Gleichgewicht nicht mehr halten. Im Nächsten Augenblick stand auch schon Vladislav neben mir, welcher mich ohne zu zögern packte, und am Arm abstütze.
„Du solltest doch liegen bleiben, Baby. Du brauchst Ruhe.", schimpfte er sorgend. „Komm."
Ich konnte meine Augen kaum offenhalten. Mir war so schwindelig und übel zugleich, dass ich nicht selbständig laufen konnte. Als ich merkte wie Vladislav die Tür öffnete, bremste ich ihn aus.
„Nein!", protestierte ich, und löste mich angestrengt von ihm. Der Schwindel hatte nachgelassen, und ich konnte wieder ohne Hilfe stehen.
„Ich schwöre, ich tu dir nichts.", versicherte er mit erhobenen Händen.
Ich schüttelte stur mit dem Kopf. Etwas in mir wollte ihm vertrauen. Doch der Rest meines Körpers schrie mich an, vor ihm wegzulaufen – so weit und so schnell, wie ich konnte.
„Du musst dich ausruhen, Baby.", sprach er sanft. Als ich daraufhin wieder mit dem Kopf schüttelte, wurden meine Beine wieder weich. Schnell hüpfte der Ukrainer zu mir herüber, und stützte mich, damit ich nicht zusammenbrach. Ohne weitere Diskussionen führte er mich zurück in's Zimmer. Der Tür hinter sich gab er einen Schubs mit dem Fuß, und schon war sie zu. Vorsichtig transportierte er mich zum Bett, auf dem er mich dann langsam absetzte. Nachdem er mich losgelassen hatte, hockte er sich vor mich.
„Ich will dir nichts tun, wirklich.", wiederholte er sich mit ruhiger, rauchiger Stimme. Er griff behutsam nach meiner Hand, welche auf meinem Schoß ruhte. Nachdem sich der Schwindel gelegt hatte, konnte ich meine Augen wieder vollständig öffnen. Ansehen konnte ich ihn allerdings nicht.
Ich zog meine Hand von seiner weg, und drehte meinen Kopf zur Seite. Es war schwer für mich, in seiner Nähe klarzukommen. Genau genommen konnte ich es nicht. In der Vergangenheit war einfach zu viel passiert.
Nachdem Vladislav merkte, dass ich mich weiterhin distanzieren wollte, setzte er sich neben mich auf das Bett. Aus Rücksicht nahm setzte er sich extra etwas weiter weg, um mich nicht zu bedrängen.
„Was muss ich machen, damit du mir glaubst?", fragte er. An seiner Stimme hörte ich, dass er ratlos war. Dennoch bedeutete das nicht, dass ich ihm glaubte, dass er alles ernst meinte.
„Das hab ich dir doch schon gesagt.", antwortete ich. „Lass mich in Ruhe."
Nun herrschte Stille. Ich hörte sein leises Atmen, und spürte wie mein Herz schneller schlug. Es war ein ekelhaftes Gefühl, wenn es so eisig zwischen uns war. Doch ich war mir sicher, dass er nicht der Vladislav war, den ich geliebt hatte. Alles in mir sagte, dass er ein falsches Spiel spielte. Er war Meister darin, sich zu verstellen, und sich als jemand anderes auszugeben.
„Wenn ich dich alleine lasse, passiert dir was. Das würde ich mir nie verzeihen."
„Wenn du mich alleine gelassen hättest, würde es mir jetzt gut gehen."
„Das war Unfall. Ich wollte das nicht.", rechtfertigte er sich leicht aufgebracht.
„Es ist mir egal!", Ich erschrak mich vor mir selbst, nachdem ich ungewollt meine Stimme angehoben hatte. „Ob du das wolltest oder nicht. Du kannst viel reden. Sooo viel, wenn der Tag lang ist. Aber ich glaube dir kein verdammtes Wort!"
„Baby.", setzte er traurig an, doch ich bremste ihn direkt aus.
„Nenn mich nicht so! Du hast nicht das Recht dazu! Und du hast auch nicht das Recht, mich zu kidnappen!"
„Hab ich nicht.", verteidigte er sich ruhig, während ich mich immer mehr hochfuhr.
„Wieso bin ich dann hier, und nicht zu Hause?"
„Weil Samra unterwegs ist, und ich dich nicht alleine zu Hause lassen wollte. Du hast dir Kopf gestoßen und warst bewusstlos, da solltest du nicht alleine sein."
„Für sowas gibt es Krankenhäuser!"
„Ach, was für Krankenhaus?", Nun wurde auch er lauter. Er war aufgestanden, und fuhr sich nun nachdenklich über seinen Bart, während er einige Schritte im Zimmer lief.
„Ich fick auf Krankenhaus, das brauchen wir nicht. Du warst oft genug im Krankenhaus wegen mir."
Schön, dass er es wenigstens einsieht, dachte ich mir.
„Dann bring mich jetzt nach Hause. Ob wir hier sind oder in unserem Haus, kommt doch aufs selbe raus."
„Nein.", entgegnete er stur. „Ich muss zu Terminen, die sind krass wichtig. Ich kann dich nicht alleine zu Hause lassen, wenn es dir nicht gut geht."
„Termine? In deiner komischen Lagerhalle, mit deinen zwielichtigen Leuten? Oder sind es wieder die Art Termine, wo du irgendwelche Leute zusammenschlägst, die schwächer sind als du?", platzte es aus mir heraus. „Oder triffst du dich wieder, um Drogen zu verkaufen?"
Nun sahen wir uns beide in die Augen. Ein Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus, und ich musste schlucken. So, wie er mich gerade ansah, bereute ich meinen Mut, ihm das an den Kopf geworfen zu haben. Vladislav war immer noch gefährlich, das durfte ich nicht vergessen. Auch, wenn die Vorstellung nicht schön war - aber wenn er mir jetzt etwas antat, wüsste ich wenigstens, dass ich Recht hatte.
„Ich bin immer noch Rapper. Ich hab Termine, die mit meiner Musik zu tun haben. Ich bin nicht 24/7 am Drogen verticken." Seine Stimme war nun wieder etwas ruhiger als eben.
Vladislav wandte seinen Blick ab, und sah zu dem kleinen Plastiktütchen.
„Hör zu, Baby.", sagte er, und öffnete es. Dann kam er wieder zu mir, und packte es aus. Auf dem Bett verteilte er Verbandsmaterialien: Kompressen, eine Mini - Sprühflasche mit Octenisept, und Pflasterverband.
„Lass mich kurz dein Dings neu machen, und dann verschwinden wir von hier."
„Ich kann das auch selber."
Der Ukrainer sah mir in die Augen. Einige Sekunden später wandte er seinen Blick wieder ab.
„Tamam, dann mach.", willigte er ein, und schob mir das ganze Zeug zu. Vorsichtig stand ich auf, sammelte alles zusammen, und bewegte mich dann in Richtung Badezimmer.
„Aber nicht abschließen!", rief er mir zu. Augenrollend zog ich die Tür zu, und legte die Materialien vor mir ab.
Na dann mal los, dachte ich mir. Also zog ich mein Shirt nach oben, und klemmte es unter meinen BH, damit es nicht herunterrutschte. Als ich begann die erste Ecke des Pflasters zu lösen, wurde mir plötzlich schwindelig.
Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich selbst. So schwer durfte es ja wohl nicht sein, so ein blödes Pflaster neu zu machen.
Bei der Hälfte angekommen, musste ich eine Pause einlegen. Ja okay, es war doch schwierig. Aber ich würde das hinbekommen. Also machte ich weiter. Irgendwann hatte ich es dann endlich geschafft, und konnte das abgezogene Pflaster in den Müll schmeißen. Zum Glück klebte die Kompresse nicht an, wodurch ich diese mit einer Bewegung entfernen konnte.
Ich sah an mir herunter, und betrachtete die Wunde. Sie war mit mehreren kleinen, blauen Fäden genäht wurden. Irgendwann musste ich mit Sicherheit nochmal zum Arzt, um sie rausmachen zu lassen. Der Gedanke daran löste kein schönes Gefühl in mir aus. Wie lange mussten die eigentlich drinbleiben? Ich erinnerte mich, dass es da so eine Faustregel gab. Je weiter die Naht vom Gesicht entfernt war, desto länger blieben die Fäden drin. Könnten 12 – 14 Tage sein, also musste das Ziehen wohl noch eine Weile warten. Zum Glück.
„Brauchst du Hilfe?" Ich zuckte fürchterlich zusammen, als Vladislav an der Tür klopfte. „Nein!", rief ich frustriert nach draußen. Warum wollte er nicht verstehen, dass ich nicht bei ihm sein wollte? Nein, halt. Wahrscheinlich verstand er es schon, aber er wollte mich einfach quälen. Das konnte er immerhin ziemlich gut.
Und wieder hielt ich mir vor Augen, wie aussichtslos meine Situation war. In meinem Zustand hatte ich keine Chance, hier vor ihm abzuhauen. Was war das eigentlich mit Samra? Er hatte mich doch gesehen, wieso half er mir nicht? Dass ich vor Vladislav Angst hatte, wusste er doch besser als jeder andere. Wieso ließ er mich mit ihm alleine? Warum ließ er zu, dass Vladislav mich in irgendein Hotel abschleppte? War ich ihm so egal, dass es ihn einfach nicht interessierte?
Ich schloss meine Augen, drehte mich zur Seite, und lehnte mich dann mit dem Rücken an der Wand an. Wie scheiße konnte das alles hier eigentlich noch werden?
„Bae." Vladislavs Stimme ließ mich erschrocken die Augen aufreißen. Plötzlich stand er vor mir, und sah mich an. Mit seinen braunen, unschuldigen Augen betrachtete er zuerst mein Gesicht, und sah dann auf meinen Bauch herunter.
„Wie?...", setzte ich an, doch wusste dann nicht wie ich mich ausdrücken sollte. Die Tür war zu. Wie konnte er also plötzlich vor mir stehen? Ehrlich, dieser Mann war ein wandelndes Mysterium.
„Komm, lass mich das machen.", brummte er leise. Ohne Protest ließ ich ihn sich um meine Wunde kümmern. Mir ging langsam die Kraft aus, um gegen alles und jeden anzukämpfen.
„Wie lange müssen so Fäden drinbleiben?", fragte er.
„14 Tage oder so.", gab ich leise als Antwort zurück. Er nickte, und holte das frische Pflaster aus der Verpackung.
„Ich kann die auch rausmachen.", schlug er vor. Ich schluckte schwer. Hoffentlich war das ein Scherz. Seinem Blick nach zu urteilen, meinte er das aber scheinbar komplett ernst.
„Hab das schon oft gemacht, keine Sorge."
„Bei wem?" Er zuckte mit den Schultern.
„Freunden. Und bei mir selbst.", antwortete er nur.
„Ne danke, das soll lieber ein Arzt machen." Nachdem das Pflaster geklebt war, rollte ich mein Shirt wieder herunter.
„Ist nicht schwer. Einfach anheben und unter dem Knoten durchschneiden. Kann jedes Kind.", versuchte er es weiter.
„Ich weiß, wie das geht. Trotzdem lasse ich das nicht von dir machen."
„Warum?", fragte er nun etwas enttäuscht. Nach dieser Frage kam ich mir wirklich verarscht vor. Hatte er es immer noch nicht verstanden?
„Weil ich dir nicht traue."
Einige Sekunden stand er einfach nur da, und schaute auf den Verpackungsmüll in seiner Hand. Dann knüllte er das Papier zusammen, und warf es in den kleinen schwarzen Mülleimer unterhalb des Waschbeckens. Irgendwie wusste ich nicht, wie ich mich jetzt verhalten sollte. Vladislav stand mir immer noch direkt gegenüber, und das Bad war wirklich sehr klein. Irgendwann hob er seinen Kopf, und sah mir in die Augen. Verdammt, ich wollte den Blick abwenden – aber es gelang mir nicht. Mein Körper wollte zur Seite ausweichen, aber auch dazu kam es nicht. Ich war wie erstarrt. Je länger er mir in die Augen sah, desto mehr verschwamm alles um uns herum. Meine Atmung wurde schwer und verschnellerte sich, als er einen kleinen Schritt auf mich zukam. Wieder schluckte ich, und schaffte es dann doch endlich, seinen Blicken auszuweichen. Meinen Kopf hatte ich etwas gesenkt. So konnte ich sehen, wie verdammt nah er mit seinem Körper bei meinem war. So nah, dass sein weißes Shirt bereits meines berührte. Ich bekam Angst. Was hatte er vor?
Sein Blick brannte regelrecht auf mir. Auch er atmete hörbar etwas schwerer, was mich irgendwie beruhigte. Das brachte eine Art Schwäche zum Vorschein. Er war nicht mehr so selbstbeherrscht und Gefühlskalt. Er ließ zu, dass ich merkte, dass auch ihn diese Situation anregte.
Also nahm ich meinen Mut zusammen, und hob meinen Kopf. Nun sahen wir uns wieder in die Augen. Innerhalb von Sekunden blendete ich wieder alles andere aus, und konzentrierte mich nur auf ihn. Auf ihn, und seine Lippen, die näher und näher kamen. So nah, bis sie irgendwann auf meinen lagen.
Ich schloss meine Augen. Im ersten Augenblick war ich mir unsicher. Dann fühlte ich mich wie betäubt. Der Geschmack von Weed und Minze ließ mich kurz in eine andere Welt abschweifen. Und dann, als er seine Hände an meinem Kinn platzierte, fühlte ich mich auf einmal sicher und geborgen. Zumindest für einige Sekunden. Plötzlich spielten sich wieder diese grauenhaften Filme in meinem Kopf ab. Schreckliche Erinnerungen, die jedes Mal hochkochten, wenn er mir zu nahekam:
Vladislav, wie er mich angrinste, während er mir das Messer an den Bauch hielt. Wie er es genossen hatte, als Vanessa auf seinem Schoß saß. Wie er mir dabei zugezwinkert hatte. Und zu guter Letzt: Wie eiskalt er gewesen war, als er mich ausgelieferte. Wie gleichgültig es ihm war, ob Khalil mich töten oder Gott weiß was mit mir machen würde.
Als die Rückblende in meinem Kopf vorbei war, riss ich meine Augen auf. Vladislav stand noch immer vor mir – nur, dass er aufgehört hatte mich zu küssen. Seine Hände, die bis eben noch mein Kinn umgriffen, hatte ich von mir weggezogen, ohne es gemerkt zu haben. Ich hielt sie fest, damit er mir mit ihnen nicht noch einmal näherkam. Ich war bis vor wenigen Sekunden noch so in meinem Flashback gefangen, dass ich diese Bewegungen reflexartig und unwillkürlich ausgeführt hatte.
„Was hast du?", fragte er verunsichert. In seinen weit aufgerissenen, besorgten Augen spiegelte ich mich. Es dauerte einige Sekunden, bis ich es schaffte, einen Ton vor mir zu geben.
„Ich muss mal.", sagte ich, um diese unangenehme Stille zu durchbrechen. Vladislav sah mich verdutzt an, und zog dann seine Hände problemlos aus meinem Griff heraus. Hastig nahm ich meine Arme herunter, und schluckte. Ich hielt den Atem an. Innerlich betete ich, dass er einfach rausgehen würde. Meine Angst wuchs mit jeder Millisekunde, in der wir uns einfach nur ansahen.
„Du musst mal?", wiederholte er ungläubig meine Worte. Damit hatte er scheinbar nicht gerechnet.
Ein letztes Mal sah er mir in die Augen. Sein Blick huschte für einen winzigen Moment an mir herunter, bevor er sich abwandte. Dann verließ er das Badezimmer.
Nachdem die Tür zu war, atmete ich auf. Verdammt, was war das denn? Wieso ließ ich mich auf ihn ein? Jetzt hatte er doch wieder genau das, was er wollte. Ich war so ein Idiot. Hatte ich denn nichts aus der ganzen Sache gelernt? Wollte ich mir etwa wieder das Herz brechen lassen? Wie konnte ich so naiv sein, nachdem er mich neulich im Hinterhof der Shishabar so verarscht hatte? Verdammt, Josy. Komm endlich klar.
Ich hopste einen Schritt nach links, und schloss die Tür ab. Endlich hatte ich mal ein paar Minuten Ruhe vor ihm.


Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt