Part 22 ~ Weiss

538 46 30
                                    

Mir wurde augenblicklich komisch in der Magengegend, als ich Samra da stehen sah. Er trug seine helle Jogginghose mit einem einfachen weißen >Samra< Shirt, und sah mich an. Seinen Blick konnte ich nicht deuten. Obwohl wir Blickkontakt hatten, konnte ich nicht sagen was in ihm vorging. Es war kein böser Blick. Sein Gesichtsausdruck war irgendwie emotionslos. Seine Augen huschten kurz zu meiner Hosentasche, in die ich die Phioloe gesteckt hatte. Hätte ich sie mal Vladislav überlassen, ich Vollidiot.
"Wir haben noch was zu klären.", sagte er mit tiefer, rauer Stimme.
"Nein, haben wir nicht." Ich versuchte so locker wie möglich auftzutreten, hielt die Luft an und lief lässig an ihm vorbei, während ich mir die Haare zusammenband. Dieses mal kein zurückhalten? Kein am Arm ziehen, oder am Handgelenk festhalten? Sollte er mich jetzt wirklich einfach so davonkommen lassen?
Ich drückte den silbernen Türgriff herunter, doch stieß auf Wiederstand. Wusste ich doch, dass er mich nicht einfach gehen lassen würde. Ich presste meine Lippen aufeinander, atmete innerlich tief durch, und drehte mich zu ihm. Er stand in der gleichen Position wie eben auch schon. Lediglich in meine Richtung hatte er sich gedreht, mehr aber auch nicht.
"Vladislav wartet auf mich. Er wird nachgucken, wenn ich ewig brauche.", sagte ich mit genervtem Unterton.
"Kein Sorge, das hier wird nicht lange dauern.", brummte er. Die Tiefe seiner Stimme beunruhigte mich, und ich bekam eine Gänsehaut. Während ich ihn ansah schluckte ich schwer, bevor ich mich traute von der Tür weg zu gehen.
"Du verschwendest deine Zeit. Ich hab es nicht hier. Es ist in meinem Zimmer."
"Wenn das so wäre, hätte Capi gesehen wie du es aus der Tasche nimmst.", ließ er meine Lüge auffliegen. Verdammt. Nun bewegte er sich. Kurz streckte er sich, indem er seinen Rücken durchdrückte und seinen Brustkorb anhob. Dann ballte er seine Hände zu Fäusten, und streckte danach all seine Finger aus. Alles in allem sah es einfach aus, als würde er sich auf einen Faustkampf vorbereiten. Um ehrlich zu sein, jagte mir das gerade eine scheiß Angst ein - denn das war ein Verhalten, das ich bei ihm noch nicht gesehen hatte. Zumindest nicht, wenn sein Fokus auf mir lag.
"Gib mir.", forderte er mich ruhig auf, und hielt mir seine ausgestreckte Hand hin. Ich schüttelte mutig mit dem Kopf, was ihn schmunzeln ließ. Nach einem kurzen, schnaufenden Kopfschütteln sah er mich an. Und dann kam er mir so plötzlich nah, dass ich keine Zeit hatte wegzuspringen. Erneut sorgte er dafür, dass ich mit dem Rücken zur Wand stand. Ich spürte die kalten Fliesen an meinen Schulterblättern, die durch das dünne Top nur teilweise bedeckt waren. Es fiel mir unfassbar schwer ruhig zu atmen, wenn er Samra mir so nah war. Er legte sein diabolisches Lächeln auf, und sah mir in die Augen. Dann stellte er plötzlich seinen Fuß zwischen meine Beine, um zu verhindern dass ich zur Seite ausweichen konnte. Es hatte keinen Sinn - beim Versuch abzuhauen wäre ich über ihn drüber geflogen. Er hatte das also gut durchdacht. Scheinbar machte er diesen Move nicht zum ersten mal. Schnell griff ich in meine Hosentasche, und umschloss die Phiole mit meiner Hand.
"Dann nehme ich sie mir.", flüsterte er grinsend. Es war mir egal, wie sehr er das Zeug haben wollte. Auch wenn mir die Konsequenzen bewusst waren, würde ich nicht zulassen dass er es bekommt. Da ich bereits ahnte dass er es sich mit Gewalt nehmen würde, war ich ihm einen Schritt vorraus.
Ich hatte die Hände hinter meinem Rücken versteckt, um es ihm schwerer zu machen. Doch das hielt ihn nicht ab. Er schob seine Hand hinter mich, und versuchte meine Finger auseinander zu drücken. Im Moment setzte ich noch alles daran, ihn zu täuschen. Sollte er nur machen. Nun war ich diejengie, die ihn angrinste. Und das verunsicherte ihn.
"Mach die Hand auf, oder ich brech dir die Finger.", drohte er.
Ich hielt meine Hand solange zur Faust geballt, wie ich konnte. Irgendwann fing er an, seine Fingernägel in meine Haut zu drücken. Dass es weh tat, konnte ich nicht überspielen. Daher war es unmöglich, ein schmerzerfülltes Stöhnen zu unterdrücken, als er zusätzlich noch seine Hand auf meinen Kehlkopf drückte. Irgendwann gab ich auf, und öffnete meine Hand. Er grinste triumphierend. Aber nur solange bis er bemerkte, dass dort keine Phiole war. Ich hielt sie die ganze Zeit in der anderen Hand. Während er damit beschäftigt gewesen war mich zu quälen, hatte ich heimlich den Deckel geöffnet und das Pulver ausgeschüttet. Sein wertvolles Koks lag jetzt einfach auf dem Boden. Nun war ich diejenige, die triumphierend grinste. Er sah erst auf meine Hand, und dann auf den Boden. Als er verstand dass ich ihn verarscht hatte, zog er scharf die Luft ein. Dann lenkte er seinen Blick wieder auf mich.
"Das war ein Fehler.", grollte er so dermaßen ruhig, dass es noch beängstigender war als wenn er brüllen würde.
"Nein, das war zu deinem besten. Ich wollte, dass du..." ich brach mitten im Satz ab, als er plötzlich den Druck auf meinen Hals verstärkte. Dieses mal deutlich kräftiger. Er hinderte mich nicht nur am sprechen, sondern drückte mir auch noch die Luft ab. Japsend klammerte ich mich an seinem Unterarm fest, den ich irgendwie versuchte wegzudrücken. Ich krallte mich regelrecht in seine Haut, doch es störte ihn kein bisschen. Er stand einfach nur da und sah mir mit funkelden Augen dabei zu, wie ich halb am ersticken war.
"Denkst du, das macht mir was aus? Ich könnte mir ein dutzend weitere davon holen. Und du wärst die letzte, die das verhindern könnte. Ein Anruf, und ich hab Nachschub. Es ist lächerlich zu denken, dass gerade du irgendetwas an mir ändern könntest." Der Druck auf meinem Kehlkopf ließ nach, und ich schnappte nach Luft. Los ließ er mich allerdings noch nicht. Mit aller Kraft versuchte ich seinen Arm herunter zu drücken. Aber es bestand keine Chance, gegen ihn anzukommen.
"Wenn es dir nichts ausmacht, warum wolltest du diese Phiole dann unbedingt haben?", krätzte ich.
"Gute Frage. Was soll ich sagen? Einfach so."
"Weil es dir Spaß macht, mich zu quälen? Oder vielleicht einfach, weil du an mir deinen Frust auslassen kannst. Du bist wütend, weil ich keine Gefühle für dich habe. Das kotzt dich an. Unerwiederte Liebe ist scheiße.", sagte ich heiser. Er verstärkte den Druck wieder ganz leicht. Ich kniff die Augen zusammen, und gab mir Mühe nicht in Panik zu geraten.
Er würde mich nicht umbringen. Er würde mich nicht umbringen. Nein, er würde mich nicht umbringen. Niemals.
Langsam ließ der Druck nach. Als ich in seine Augen sah, konnte ich es kaum glauben. Ich hatte ins schwarze getroffen. Sein Gesicht war minimal gerötet, und sein Kiefer war angespannt. Durchgehend starrte er mich an. Seine Augen waren glasig. Er war verletzt, das sah ich ihm an. Aber er setzte alles daran, es zu unterdrücken.
"Mach die Scheiße hier sauber.", knurrte er. Er nahm seine Hand von meiner Kehle weg, und richtete sich auf. Von oben schaute er auf mich herab, und ich sah wie er schluckte. Innerlich machte ich mich darauf gefasst, dass jetzt noch was kommen würde. Aber es passierte nichts. Er sah mich einfach nur an. In meine Augen, auf meine Lippen. Und dann weiter runter. Dort blieb sein Blick für drei Sekunden hängen. Auch wenn er mich nicht berührte fühlte es sich in diesen drei Sekunden an, als hätte er es getan. Meine Haut fing an zu kribbeln, und mir wurde heiß. Je länger wir so da standen, desto unwohler fühlte ich mich. Ihm war das bewusst. Genau deswegen zögerte er es auch so lange heraus, bis er sich endgültig von mir abwandte. Er entriegelte die Badtür, ging raus und knallte sie so laut zu, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Erst nachdem ich auch seine Zimmertür knallen hörte, konnte ich mich bewegen. Meine Hand ging direkt zu meiner Kehle, die immernoch heiß war, obwohl Samra sie nicht mehr berührte. Schwer schluckend rieb ich darüber, und sah auf den Boden. Dort lag das feine, weiße Pulver verstreut. Ich versuchte den Schrecken von eben zu ignorieren, und beeilte mich das alles zu bereinigen. Hier war keine Kehrschaufel, ich hätte unten eine holen müssen. Dann hätte Vladislav wiederrum gemerkt, dass ich runter gehe und wäre mir hinterher. Also musste ich das anders weg bekommen. Meine erste Idee war einfach nasses Klopapier. Ich feuchtete es an, und wischte das Kokain von den Fliesen auf. Dann warf ich alles in die Toilette, und wusch mir ordentlich die Hände. Nichts davon wollte ich an meinem Körper haben, und dachte es wäre alles weg wenn ich mir auch die Unterarme wasche. Aber das widerliche Zeug war einfach auf meinem Fuß. Also hüpfte ich nochmal schnell unter die Dusche, damit auch ja nichts mehr davon an mir haftete. Nach wenigen Minuten hatte ich meine Sachen wieder an, und tapste leise ins Zimmer zurück. Ich ging in den dunklen Raum, und schloss leise die Tür hinter mir.
"Sorry, hat länger gedauert.", entschuldigte ich mich bei Vladislav. Ich krabbelte unter die Bettdecke und wunderte mich, weshalb er nichts sagte. Nachdem ich das Licht auf dem Nachttisch eingeschaltet hatte sah ich, dass er schon schlief. Er lag auf dem Rücken, und hatte nur seinen Unterkörper zugedeckt. In der linken Hand lag sein Handy. Scheinbar war er unfreiwillig eingepennt. Mit einem leichten Lächeln drückte ich dem schlafenden Ukrainer einen Kuss auf die Wange. Dann nahm ich das Handy aus seiner Hand, beugte mich über ihn und legte es auf das kleine Schränkchen neben seinem Bett.
"So werd ich gerne geweckt.", nuschelte er, als ich halb über ihm hing.
"Hey.", schmunzelte ich, und rutschte wieder auf meine Seite.
"Wo warst du so lange?", murmelte er müde, streckte sich, und sah mich an.
"Hab einfach so lange für meine Haare gebraucht.", antwortete ich ihm leise, und konnte es mir nich verkneifen, auf seinen nackten Oberkörper zu schielen.
"Aber du hast doch nur Zopf gemacht. So lange dauert das nicht.", wiedersprach er.
"Du weißt doch, wie Frauen sind.", winkte ich ab, und legte mich ebenfalls auf den Rücken. Er drehte sich auf die Seite, und sah mich wieder an. Zuerste grinste er zufrieden, doch dann wurde sein Blick ernst.
"Ey, was ist das?", fragte er, und legte seine Hand an mein Kinn, um meinen Kopf zur Seite zu drehen.
"Was hast du gemacht, Baby?", fragte er nun leicht aufgebracht.
"Was denn?"
"Das rote. Deine Haut ist rot."
"Hat gejuckt."
"Cüs was für gejuckt? Das sieht nicht aus wie Kratzspuren, was ist das?"
"Kannst du dich mal beruhigen, bitte?" Ich drückte seine Hand von meinem Kinn weg, und drehte meinen Kopf wieder in seine Richtung.
"Ich weiß nicht was das ist, okay? Ich hab nichts gemacht. Vielleicht ist das beim Haare machen irgendwie enstanden, was weiß ich. Ist doch auch komplett egal.", redete ich auf ihn ein, während ich seine Hand hielt.
"Wo ist der Stoff?", fragte er ernst.
"Hab ich in's Klo geschüttet."
"Du hast was?", fuhr er hoch.
"Beruhig dich, es ist alles gut."
"Warum machst du so? Du weißt doch, dass er ausrasten wird.", gab er fassungslos von sich.
"Er weiß es. Er kam rein, wo ich es weg gekippt habe. Er hat sich aufgeregt, aber so schlimm war's nicht.", besänftigte ich ihn.
"Man, Baby.", schnaufte er, und ließ sich wieder zurück ins Bett fallen.
"Ich hab den Haustürschlüssel noch. Er hat ihn mir vorhind gegeben. Er hat für uns abgeschlossen, weil wir es nicht gemerkt haben."
"Ja, weil ich mich auf andere Sachen konzentriert hab.", antwortete er müde.
"Auf dein rumgeschmolle.", provozierte ich ihn grinsend.
"Ich hab nicht geschmollt."
"Natürlich hast du geschmollt. Und wie.", lachte ich.
"Halt die Klappe und schlaf endlich.", sagte er und musste selber grinsen, obwohl er versuchte es zu unterdrücken.
"Und der Schlüssel?", fragte ich, da er ihn scheinbar schonwieder vergessen hatte. Ich hielt ihm den kleine Stückchen Metall hin, und er schielte zu mir herüber. Dann fluchte er irgendetwas auf russisch, nahm ihn an sich und legte ihn in seine Nachttischschublade.
"So, schlafen jetzt.", befahl er und machte das Licht aus. Grinsend legte ich mich auf den Rücken, während er neben mir noch herumwuselte bis er endlich die richtige Position zu schlafen gefunden hatte.
"Komm her, Prinzessa.", nuschelte er neben mir. Lächelnd rutschte ich zu ihm herüber, und kuschelte mich mit dem Rücken gegen seine Brust. Ich hörte ein zufriedenes Schnaufen hinter mir, als er seinen Arm um mich gelegt hatte. Irgendwann schliefen wir dann beide ein.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt