Part 72 ~ Wie im Traum

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„Ich hab dich gerettet. Dafür bist du mir was schuldig." Seine Stimme klang so tief, dass eine Gänsehaut in mir auslöste. Ein warmer Windzug wehte in meine Richtung, sodass mir der Duft seines Parfums in die Nase stieg. Paco Rabanne. Gott, ich liebte diesen süß-würzigen Duft. Obwohl Samra immer gefühlt zwanzig Parfumflaschen offen stehen hatte, wusste ich genau dass es diese Marke war, die er auf sich gesprüht hatte. Das war die einzige Flasche, die ich mir gemerkt hatte. Fragt mich nicht warum. Genau in diesem Moment machte er einen Schritt nach vorne. In meinem Bauch begann es zu kribbeln. Diese Situation sollte normalerweise zu viel für mich sein. Dieses Aufdrängen, und sein Blick dazu...es müsste mir Angst machen. Es sollte mich verunsichern... doch das tat es nicht. Ganz und gar nicht. Auch nicht, als ich den Griff der Haustür im Rücken hatte, als er sich mir weiter genähert hatte. Diese Nähe...sie gab mir etwas. Ein Gefühl von Sicherheit. Dieses Gefühl, dass mir nichts passieren würde, solange er bei mir war. Das war neu. Naja, so neu nun auch wieder nicht. Aber bei ihm kam das ziemlich selten vor. Meistens nur in kritischen Situationen, in denen die Gefahr nicht von ihm ausging. Doch nun spürte ich es in einem Moment, in dem keinerlei Gefahr von außen bestand. Das verwirrte mich.
Während ich in seine dunklen Augen sah, ertönte ein Klappern. Mein Blick ging nach unten. Seine Hände lagen an seinem schwarzen Ferragamo-Gürtel, welchen er gerade geöffnet hatte. Im ersten Moment war ich verunsichert. Doch dann wurde ich plötzlich locker. Es schockierte mich nicht, dass er diese Bewegung gemacht hatte. Denn dadurch wusste ich, worauf er hinaus wollte. Ich sollte Abneigung spüren...doch ich tat es nicht. Alles war umgekehrt. Jede Faser meines Körper schrie mich an, das ganze zu beschleunigen. Ich war so aufgeregt, dass ich nicht mehr wusste wo oben und unten war. Mein Kopf hatte gerade nur noch eine Sache im Kopf: Ihn. Als ich wieder in seine Augen sah, funkelten sie. Als würde man tausend kleine Sterne sehen, die aufgeregt umhertanzten.
Plötzlich kam er näher. Ich dachte ich könnte nicht weiter zurück, doch es ging. Denn nun waren wir nicht mehr vor der Haustür. Wir waren in seinem Zimmer. Und hinter mir befand sich sein Bett. Als ich meinen Kopf wieder nach vorne drehte, war sein Gesicht plötzlich nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Er hatte sich zu mir heruntergebeugt. Sein Bart streifte meine Wange, und sein offener Gürtel berührte meine Shorts. Ungewollt atmete ich schneller. Hektischer. Mein Körper war Paralysiert. Mehr als regungslos dastehen war nicht möglich.
„Bezahl deine Schulden, Prinzessin.", flüsterte Samra in mein Ohr. Mein Herz begann zu rasen. Eine unglaubliche Hitzewelle schoss durch meinen Körper, welche meine Atmung noch schwerer werden ließ. Plötzlich war die Paralyse weg, und ich konnte mich bewegen. Wie ferngesteuert fanden sich meine Finger an den Knopf seiner Hose wieder, mit dem Ziel sie aufzumachen. Was ich als nächstes tun wollte, wusste ich nicht. Ich dachte nicht nach, sondern machte einfach. Doch bevor ich seine Hose öffnen konnte, schnappte er nach meinen Handgelenken und stoppte mich. Er zog mich mit einem Ruck an sich heran. Ich musste auf Zehenspitzen stehen, so hoch hielt er mich.  Eine zweite Hitzewelle strömte durch mich durch. Dann war mein Rücken plötzlich an der Wand, und ich hing auf seiner Hüfte. Es fühlte sich an, als würde ich schweben. Seine Hände krallten sich in meine Haare, und sein heißer Atem prallte an meinem Hals ab. Mein Verstand wurde ausgeschaltet, und ich genoss das leichte Kratzen seines Bartes auf meiner Haut. Wieder stieg mir der Duft seines Parfums in die Nase, welcher mich fühlen ließ, als wäre ich auf Droge. Seine freie Hand befand sich am Bund meiner Shorts. Ehe ich gucken konnte, was er da tat, fühlte ich es.









Nach Luft schnappend wachte ich auf.
„Ach du Scheiße.", fluchte ich, und rieb mir über die Stirn. Was zum Teufel hatte ich da geträumt? Ich erinnerte mich an jedes einzelne Detail. An jedes Gefühl. An seinen Duft...oh man. Es war nur ein Traum. Ein absurder Traum. Als ob ich mit Samra...nein, niemals. Niemals nie. Das war so bescheuert, dass ich kurz lachen musste. Was man manchmal für Scheiß träumt. Gähnend rieb ich über meine Augen, und sah mich im Zimmer um. Dann stach mir wieder dieser Teddy ins Auge, und das Lachen verging mir augenblicklich. Erst jetzt fiel mir wieder ein, was eigentlich los war. Bis eben war ich noch verwirrt von diesem eigenartigen Samra – Traum. Doch die schwarzen Knopfaugen des Plüschtieres erinnerten mich wieder an meine ganzen Probleme. Warum ich ihm diesen blöden Teddy gestern nicht um die Ohren gehauen hatte, fragte ich mich. Er hätte ihn mitnehmen sollen, als er abgehauen ist. Als er weggefahren ist, um Gott weiß was für Dinge zu tun. Meine Sorgen hätte ich damit nicht loswerden können. Aber zumindest würde es dann nicht ständig diese schmerzhaften Erinnerungen in mir aufwühlen.
Aufgewühlt. Genau so sah ich mit Sicherheit gerade aus. Wie ein Wischmopp um die Haare. Ich griff nach meinem Handy, und meine Vermutung wurde bestätigt. Eigentlich war meine Vorstellung sogar noch untertrieben. Mit dem Aussehen könnte ich als Zombie durchgehen. Als Zombie, der in die Steckdose gegriffen hatte.
Als ich Datum und Zeit sah, erschrak ich. 16:43 Uhr. Donnerstag. An dem Abend als mir Vladislav das Handy wiedergegeben hatte...das war Dienstag. Hatte ich wirklich zwei Tage lang geschlafen? Das konnte doch nicht sein. Nein, ich hatte mich sicherlich verguckt. Das mit Vladislav war gestern Abend. Hundertpro. Kein normaler Mensch schläft zwei Tage durch.
Dann fielen mir die Nachrichten auf. Mein Handy war auf „Nicht stören" eingestellt. Daher erkannte ich nur an der kleinen eins in der rechten Ecke des WhatsApp – Symboles, dass mir jemand geschrieben hatte. Moment, was war keine eins. Da war noch eine Null dahinter. Ups. Wer mir geschrieben hatte, konnte ich mir schon denken. Sollte ich die App öffnen? Oder es doch lieber sein lassen? Ach, komm.
Ich zog mit dem Finger die Mitteilungen nach unten. So konnte ich sehen, wer geschrieben hatte, ohne online zu gehen. Und natürlich war es Vladislav. Acht Nachrichten waren von ihm. Mehrmals hatte er sich entschuldigt. Sprachnachrichten geschickt. Doch ich wollte sie nicht hören. Und lesen wollte ich seine Nachrichten auch nicht. Ich konnte nicht.
Irgendwo in der Mitte waren die Nachrichten von Samra.



Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt