Part 21 ~ Zwei Minuten

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Samra blendete Vladislav komplett aus, während er sich auf mich konzentrierte.
"Gib sie mir.", knurrte er bedrohlich. Er wandte seinen Blick nicht ab. Nicht einmal für eine halbe Sekunde. Er projezierte seine gesamte Wut auf mich.
"Nein.", keuchte ich trotzig.
"Tamam keine Ahnung was mit euch ist, aber ich hab keinen Bock auf das jetzt.", meckerte Vladislav, und drängelte sich zwischen uns, sodass Samra einen Schritt zurück gehen musste um ihn durch zu lassen.
"Wir sind noch nicht fertig!", krähte mir Samra hinter, als Vladislav meine Hand nahm und mich mit sich ins Zimmer zog.
"Richtig, deine Klamotten fehlen noch.", stimmte ich ihm zu. Vladislav lief zum Kleiderschrank, während ich die Sachen holte.
"Bitteschön.", sagte ich mit dem freundlichsten Grinsen, das ich aufbringen konnte.
"Freu dich nicht zu früh. Das gehört mir, und ich hol mir das zurück.", knurrte er leise, als ich ihm seine Klamotten entgegen hielt.
"Gute Nacht, Samra.", sagte ich in normalem Tonfall. Ich tat so, als wäre eben nichts gewesen. Auch wenn es ohne Vladislav's Einschreiten anders gelaufen wäre - für mich war das gerade irgendwie ein Triumph. Obwohl mir bewusst war, dass ich das vielleicht noch bereuen würde. Aber im Moment freute es mich einfach, dass er dieses mal nicht gewann. Wieder spannte er seinen Kiefer an, hielt seine Wut allerdings unter Kontrolle. Als ich mich umdrehen wollte, schnappte er nach meinem Unterarm und hielt mich zurück. Er sah mir in die Augen, und ließ mich wieder los. Dann griff er in seine Hosentasche, und drückte mir etwas in die Hand.
"Ich hab abgeschlossen, während ihr am rummachen wart. Gib ihm den wieder.", sagte er arrogant, und wandte sich ab. Ich betrachtete den kleinen Schlüssel in meiner Hand. Auch wenn ich es echt ungern zugab - wenn Samra nicht da gewesen wäre, hätten wir vergessen abzuschließen. Wir hätten es einfach vergessen. Einen kurzen Moment überlegte ich noch, ob ich ein schlechtes Gewissen haben sollte. Keine Ahnung warum, aber jetzt fühlte ich mich irgendwie mies. Weil wir so unverantwortlich gehandelt hatten. Beziehungsweise ich. Nach einigen Überlegungen schüttelte ich mit dem Kopf, drückte den Schlüssel in meine Handfläche und ging ins Zimmer. Während ich die Tür schloss, stand Vladislav vor der Kommode und starrte seinen Personalausweis an.
"Alles gut?", fragte ich, und lief zu ihm rüber.
"Ja.", antwortete er, wobei es mir irgendwie gelogen vorkam. Mit gerunzelter Stirn packte er den Ausweis wieder weg, und schloss die Schublade.
"Tut mir leid, Baby.", atmete er genervt  aus, während er sich auf das Bett fallen ließ.
"Was denn?", fragte ich sanft, als ich mich neben ihn gesetzt hatte.
"Ich wollte nen schönen Abend und so. Also du wolltest das. Ich habs verbockt.", sagte er enttäuscht und frustriert zugleich. Er spielte mit dem goldenen Ring am seinem kleinen Finger, und drehte ihn immer wieder hin und her.
"Du hast gar nichts verbockt.", schmunzelte ich.
"Das ist alles irgendwie blöd gelaufen, ja. Aber es war auch aufregend. Es war nicht alles schlecht.", sagte ich, und legte meine Hand auf seinen Oberschenkel. Er drehte seinen Kopf nach links, und sah mir in die Augen. Als er mein Lächeln sah, zuckten seine Mundwinkel ganz leicht nach oben.
"Du lachst doch schon wieder wegen dem schwulen Polizist.", äußerte er und versuchte, sein eigenes Grinsen zu unterdrücken.
"Eigentlich nicht, aber jetzt wo du es sagst..." Ich musste tatsächlich wieder anfangen zu lachen, als ich daran dachte wie er sich wegen den Handschellen aufgeregt hatte. Er zischte abweisend, und stand dann beleidigt auf.
"Du beschwerst dich wegen...keine Ahnung, fünfzehn Minuten, wo du mal Handschellen an hattest? Wegen dir hatte ich die Dinger eine halbe Nacht lang an, wenn du dich erinnerst."
"Ne, das ist ne ganz andere Sache gewesen.", verteidigte er sich direkt.
"Im Prinzip das gleiche.", sagte ich schulterzuckend.  Wieder wollte er kontern, doch ihm fiel nichts ein. Tja, so ist das wenn man im Unrecht ist.
"Willst du weitermachen, wo wir aufgehört haben?", fragte ich ihn nach ein paar Minuten.
"Lieber morgen. Ich bin zu müde dafür.", verneinte er.
"Das gerade du mal nicht willst, hätte ich nicht erwartet.", zog ich ihn auf. Er sah mich mit fragendem Blick an, und überlegte kurz.
"Tamam wenn du unbedingt willst. Aber ich mach schnell, so zwei Minuten oder so." sagte er entschlossen, und hatte bereits seinen Gürtel offen als ich checkte dass er das ernst meinte. Er kam auf mich zu, während er seine Hose auf machte und stellte sich vor mich.
"Zieh dich aus.", wies er mich an.
"Nein, das war Spaß! Das war keine Aufforderung, okay? Alles gut.", lachte ich verlegen, und hielt seine Hose fest bevor sie runterrutschen konnte.
"Also jetzt doch nicht?", fragte er verwirrt.
"Nein. Lass uns einfach schlafen gehen.", antwortete ich.
"Ich hätte auch schnell machen können.", schlug er nochmals vor, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf.
"Es ist mitten in der Nacht. Und wir sind beide Müde. Außerdem...zwei Minuten?", fragte ich lachend.
"Easy.", antwortete er, als wäre es absolut normal.
"Ganz bestimmt." Kopfschüttelnd stand ich ebenfalls vom Bett auf.
"Was, glaubst du nicht?", kam es von ihm.
"Das ist dann ein bisschen sehr schnell, glaube ich."
"Aber machbar."
"Nicht für beide Seiten."
"Aber für dich. Ich würde es sogar in einer Minute schaffen.", grinste er stolz.
"Das ist doch kein Wettbeberb."
"Nö. Aber manchmal hat man nicht so viel Zeit. Da ist es praktisch, wenn man weiß wie. So zwischendurch. Auf Klo, im Abstellraum, unterm Tisch..."
"Auf jeden Fall.", nickte ich lachend, und warf ihm seine Schalfanzghose zu.
"Warte ab, Prinzessa. Ich beweis dir das. Nur nicht jetzt.", versprach er  mit erhobenen Zeigefinger, und lief an mir vorbei in Richtung Bad.
"Warte mal, was?", fragte ich verwirrt, doch er war schon verschwunden. Ich stolperte ihm hinterher, und traf ihn dann wieder im Bad an. Er stand vor dem Spiegel und putzte sich die Zähne.
"Wie meinst du das?", fragte ich misstrauisch, als ich mir ebenfalls meine Zahnbürste schnappte.
"Was denn?", nuschelte er.
"Das, was du eben gesagt hast."
"Keine Ahnung was du meinst, Baby." Er zuckte mit den Schultern und spuckte ins Waschbecken. Dann stellte er seinen Becher wieder weg, und machte seine Hose auf.
"Ich geh duschen. Kommst du mit?", fragte er, während er sich auszog.
"Ich war vorhind schon."
"Und?"
"Geh alleine duschen?", lachte ich. Er schüttelte unzufrieden den Kopf, und ich kümmerte mich weiter um meine Mundhygiene.
Es dauerte nicht mal 5 Minute, bis er aus der Dusche wieder heraus kam. Im Handtuch eingewickelt stellte er sich neben mich ans Waschbecken, und betrachtete sein Gesicht.
"Was war das vorhind? Das mit Samra." Als er mir die Frage stellte, fiel mir die Sache wieder ein. Ich hatte das wohl irgendwie schon verdrängt.
"Nichts.", antwortete ich, so als wäre es wirklich unrelevant gewesen. Nur leider war es das ganz und gar nicht.
"Lüg mich nicht an, Baby. Ich merke das.", mahnte er mit tiefer Stimme.
"Wirklich, es war nichts.", wiederholte ich schulterzuckend.
"Hmmm.", brummte er. Es war aber kein akzeptierendes >hm<, sodern mehr so ein >ach, ist das so, ja?<.
Er trocknete sich seine Hände ab, und drehte sich dann zu mir. Mit einem Schritt in meine Richtung stand er direkt hinter mir.
"Was?", fragte ich, als wüsste ich von nichts und sah ihn im Spiegel an.
"Ich bin nicht dumm, Baby. Du kannst nicht lügen, nicht bei mir."
Augenrollend atmete ich aus, und drehte mich dann zu ihm um. Als ich in seine Augen sah merkte ich, dass er es ernst meinte. Dennoch entschied ich mich, es ihm nicht zu sagen. Samra war sowieso schon geladen. Wenn Vladislav jetzt rausfinden würde was er versucht hatte zu verheimlichen, würde ihn das wahrscheinlich noch wütender machen.
"Sagst du's mir?", fragte er leise, und drückte sich sanft gegen mich. Seine Hand legte sich auf meine rechte Schulter, die er dann leicht massierte. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Einerseits wollte ich ihn nicht noch mehr belügen - aber andererseits sollte er es auch nicht wissen. Dass er sich einmischt wollte ich nicht. Und ich wusste nicht, wie er reagieren würde wenn ich es ihm sage. Ja klar war es nur eine kleine, dämliche Phiole. Egal ob hier oder woanders, Samra würde es sowieso nehmen. Aber ich denke einfach dass Samra sich bei ihm beschwert hätte dass ich es habe, als er dazwischen gegangen ist. Und das hat er nicht. Ich schüttelte statt einer Antwort einfach mit dem Kopf, und wandte den Blick von ihm ab. Diese Situation war unangenehm, weil ich voll zwischen den Stühlen stand. Das schien auch er zu bemerken, denn er atmete laut hörbar durch die Nase aus und legte seine andere Hand auf meine Hüfte.
"So schlimm, dass du mich belügen musst, hm?", fragte er. Als ich meinen Blick wieder in sein Gesicht lenkte, blickte ich direkt in seine enttäuschten, braunen Augen.
"Ist okay.", sagte er. In dem Moment spürte ich, wie er seine Hand in meine Hosentasche rutschen ließ. Nun befand sich die Phiole zwischen seinen Fingern. Er hielt sie hoch, damit wir beide sie sehen konnten. Ein paar mal drehte er sie, bevor er mich wieder ansah.
"Hattest du vor, das zu nehmen?", fragte er streng.
"Nein, Natürlich nicht!"
"Warum hast du sowas dann in deiner Tasche? Und woher..." Er stoppte, als es ihm bewusst wurde.
"Deswegen war Samra so stinksauer. Du hast sie ihm geklaut."
"Geklaut würde ich das nicht nennen. Sie ist aus seinem Schrank gefallen, als ich ihm ein Shirt mitgebracht habe. Ich musste mir eine Ausrede einfallen lassen, damit der Polizist es nicht merkt."
"Und jetzt willst du sie ihm nicht wiedergeben."
"Dass ihn das kaputt macht weißt du genauso gut wie ich. Es ist nicht so wie bei dir. Bei ihm ist es schlimmer."
"Aber es bringt nichts, Baby. Der holt sich neuen Stoff, egal wie oft du ihm den klaust."
"Ich weiß.", seufzte ich, und stahl mir die Kapsel zwischen seinen Fingern zurück.
"Trotzdem will ich sie ihm nicht wiedergeben. Wir müssen ihm irgendwie helfen. Wenn der so weiter macht, ist es bald zu spät."
"Ist süß und so, aber er wird keine Hilfe annehmen. Würde ich auch nicht machen an seiner Stelle. Es bringt nix. Er muss selber klarkommen, da kann keiner helfen. Also wir zumindest nicht, verstehst du?"
"Und was...wenn er sich keinen neuen Stoff holen kann?" Er sah mich fragend an, und zog eine Augebraue nach oben.
"Warte, stop.", sagte er, ging einen Schritt zurück und dachte nach.
"Willst du ihn einsperren?", fragte er verwundert.
"So in der Art. Was wäre, wenn er seinen Schlüssel verlieren würde, und du nicht da bist? So, dass er halt nicht raus kommt?"
"Du willst ihn einsperren und auf Entzug setzen?"
"Hast du ne bessere Lösung?" Wieder dachte er nach, während er im Bad auf und ab lief.
"Keine Ahnung. Lass uns morgen nochmal darüber reden. Mein Kopf kann nicht mehr denken, ich bin zu müde.", antwortete er abgeschlafft.
"Okay.", stimmte ich ihm zu. Er hatte Recht. Vielleicht war es jetzt einfach nicht der beste Zeitpunkt, um sich über sowas Gedanken zu machen und irgendwelche Pläne zu schmieden, die dann am Ende nicht richtig durchdacht sind.
"Kommst du mit ins Bett?", fragte er, und kam wieder zu mir.
"Gleich. Ich will meine Haare noch machen, dann komm ich."
"Gut.", murmelte er, und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Er ging mit seinem Handtuch um den Hüften zurück ins Zimmer, während ich meine Haare kämmte. Ich wollte sie zusammenbinden, doch mir fehlte der Zopfgummi. Suchend sah ich mich um, und entdeckte ihn auf dem Fensterbrett am anderen Ende des Raumes. Als ich mit dem Gesicht zu Fenster stand, hörte ich wie die Badtür ins Schloss fiel.
"Ich komm gleich. Ich mach mir nur schnell die Haare zusammen, dann bin ich da.", rief ich nach hinten, und kippte das Fenster an. Hier drinnen war die Luft irgendwie verbraucht. Normalerweise hätte Vladislav geantwortet, doch er sagte nichts. Als ich mich umdrehte wusste ich den Grund. Es war nicht Vladislav, der da stand und mich beobachtete.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt