Part 101 ~ Spiel, Satz und...

65 5 3
                                    

Am liebsten hätte ich dem Typ ins Gesicht getreten, welcher gerade dabei war meine Knöchel unter dem Stuhl zusammenzuschnüren. Meine Handgelenke hatte er vorher bereits auf Befehl von Vladislav mit einem Seil an den Stuhllehnen befestigt. Somit hatte ich also keine Möglichkeit mehr, mich großartig zu bewegen. Der Ukrainer saß mir an einem schwarzen Tisch gegenüber und lächelte mich an, während ich immer wieder erfolglos an den Seilen zog.
„So gefällt mir das besser.", äußerte er zufrieden. Vladislav stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab, rückte mit seinem Stuhl näher heran, und betrachtete mich wortlos schmunzelnd.
„Und jetzt? Was hast du jetzt vor?", hechelte ich. Ich versuchte, mir meine Angst nicht anmerken zu lassen. Vladislav war unberechenbar. Der gezielte Schlag in den Solarplexus hatte mich beinahe ohnmächtig werden lassen. Noch immer spürte ich den Punkt, an dem er seine Faust in meinen Bauch gerammt hatte. Die ganzen Strapazen der letzten Tage hatten mich sowieso schon geschwächt. Zu den Kopfschmerzen und der ständigen Übelkeit, verursacht durch die Gehirnerschütterung, kamen nun auch noch Magenschmerzen hinzu. Meine Beine fühlten sich an, als wäre Beton an ihnen befestigt. Sie waren so schwer, dass die beiden Männer, die mich herbrachten, mich zu zweit tragen mussten. Obwohl, tragen konnte man das nicht nennen. Sie hatten mich, kurz nachdem ich durch den Faustschlag zu Boden sackte, unter den Armen gepackt und dann in diesen Raum geschliffen.
   „Djamal!", brüllte er plötzlich so laut, dass mein Herz vor Schreck einen Hüpfer machte. 
„Ja, Boss?"
Ein groß gebauter, bärtiger Mann betrat den Raum. Seine Augen waren so schwarz wie sein Haar, welches ihm leicht gelockt über die Stirn wuchs. Er erinnerte mich an...
„Samra!", entfuhr es mir, woraufhin mich beide Männer verblüfft ansahen. Vladislav fing sich jedoch schnell wieder, und wandte sich Djamal zu.
„Geh und hol, was ihr vorbereitet habt. Es wird Zeit."
Djamal verließ den Raum, während Vladislav sich auf seinem Stuhl lässig zurückfallen ließ.
„Wofür wird es Zeit? Und was ist mit Samra? Was hast du mit ihm gemacht? Lebt er noch?!"
„Scht, Prinzessa. Eins nach dem anderen. Vielleicht solltest du dich jetzt lieber um dich Sorgen, statt um andere."
Als Djamal mit einem riesigen, abgedeckten Tablett wieder zurückkam, wurde mir kotzübel. Ich begann, unruhig auf meinem Stuhl hin- und her zu rutschen, während mir die widerlichsten Horrorszenarien durch den Kopf schossen.
Was hatte er mit mir vor? Was befand sich auf diesem Tablett? War es das, was ich vermutete?
Mein Gegenüber grinste mich wieder an. Ich ahnte nichts Gutes. Nein, ich ging direkt vom schlimmsten aus. Vor meinem geistigen Auge spielten sich unzählige, grausame Folterszenen ab. Die Verzweiflung in mir wuchs in Sekundenschnelle. Meine Handgelenke brannten vom Seil, welches durch meine sinnlosen Befreiungsversuche immer wieder über dieselben Hautstellen rieb. Das Herz klopfte mir bis zum Hals. Dieser fühlte sich an, als würde ein fetter Kloß darin stecken, der sich nicht herunterschlucken ließ.
„Das...das kannst du nicht machen! Das ist krank!", stammelte ich, dem Nervenzusammenbruch nah. Khalils herumgeschneide an meinem Körper war schon schlimm. Wenn ich mir ausmalte, was Vladislav...nein, was der Joker mir antun könnte...
Vladislav nickte Djamal kurz zu. Dieser legte seine Finger an den Griff vom Deckel des Tabletts. Beide hielten es spannend. In Vladislavs Augen konnte ich sehen, wie er meine Todesangst genoss.
Dann hob Djamal den Deckel nach oben, und ich atmete erleichtert auf. Erschöpft ließ ich mich nach hinten fallen, und schloss für einen Moment die Augen, um wieder klarzukommen.
„Was? Dachtest du, ich habe vor dich zu foltern?", lachte der Ukrainer auf. Mit einer abwinkenden Handbewegung schickte er Djamal wieder nach draußen.
Auf dem Tablett befand ein kleines Schälchen mit einem Löffel. Wenn ich es richtig erkannte, war das Vanillepudding.
„Zu große Schweinerei. Ich habe kein Bock schonwieder überall Blut auf meinen Möbeln zu haben."
Schonwieder?!
„Iss, Prinzessa.", wies er mich an. Im gleichen Moment wurde sein Lächeln noch breiter.
„Oh, ich vergaß. Du hast keine Hand frei. Aber das macht nix.", sagte er seelenruhig. In der nächsten Sekunde schrie er wieder: „Djamal!", und der Mann, der Samra so täuschend ähnlich sah betrat wieder den Raum.
„Hilfst du unserem Gast bitte beim Essen?", bat er seinen Handlanger. Als sich dieser hinter mir positionierte, wurde ich wieder unruhig.
„Entspann dich, Baby. Das ist nur zu deinem Besten."
Djamal griff nach dem Löffel, schaufelte etwas Pudding auf und hielt ihn mir vor die Nase. Jedoch drehte ich meinen Kopf zur Seite. Ich wollte nichts essen, was von Vladislav kam. Woher sollte ich wissen, dass da nicht irgendetwas drin war?
„Weißt du, was das hier ist?", fragte mich der Ukrainer, während er mit irgendetwas in seiner Hand herumknisterte.
„Du kennst das, hm?"
Natürlich erkannte ich, was er da zwischen den Fingern hatte. Es handelte sich um eine Venenverweilkanüle.
„Du weißt ja, dass man Menschen auch anders ernähren kann, oder?", fragte er, und hielt demonstrativ die Verpackung nach oben.
„Also entweder lässt du dir jetzt von Djamal helfen, damit du wieder zu Kräften kommst, oder..." Er richtete auf, und beugte sich dann über den Tisch. „Ich ramm dir das Teilchen hier in die Vene, und dann gucken wir mal, was passiert."
Ich schluckte schwer. Wann würde dieser Albtraum endlich ein Ende nehmen?
„Komm schon, Mädchen. Mach den Mund auf.", brummte das Samra-Double hinter mir.
Alles in mir sträubte sich dagegen, diesen Pudding zu essen. Was, wenn da Rattengift oder sowas drin war? Dem bekloppten war doch alles zuzutrauen.
Plötzlich riss Vladislavs Geduldsfaden. Er sprang auf, und schlug mit der Faust auf den Tisch. Das kam so unerwartet und heftig, dass sogar Djamal hinter mir kurz zuckte. Beinahe dachte ich, dass der Pudding durch die Wucht des Aufpralls aus der Schüssel schwappen würde.
„Verdammte Scheiße, ich habe langsam die Nase voll mir dir, nahui!", brüllte er mich ungehalten an.
„Glaubst du, du kommst damit durch, wenn du auf Stur machst? Glaubst du, ich lass mich von dir verarschen, nahui?!", schrie er so laut, dass man das Gefühl hatte der Boden würde beben.
„Ich bin der verfickte Joker, niemand spielt Eier mit mir, hörst du? Jeder der sich bisher mit mir angelegt hat, bekam meine scheiß Wut zu spüren!"
Er stand von seinem Stuhl auf, drehte sich um, und fuhr sich nachdenklich durch die Haare. Meine Fingernägel krallten sich in die Armlehne. Ich begann wieder, nervös an den Seilen zu zerren. Mir wurde schwindelig, wenn ich mir die Frage stellte, was wohl als nächstes passieren würde. Dann drehte er sich wieder um. Seine Augen glühten vor Zorn. Wutfalten zierten seine Stirn, und immer, wenn er einatmete, blähten sich seine Nasenflügel auf. Die Körperhaltung glich der eines Gorillas, der jeden Moment alles kurz und klein schlagen würde. Binnen Sekunden war er bei mir, griff nach der Lehne meines Stuhls, und riss ihn dann mit nur einer Hand so herum, dass er mir nun direkt gegenüberstand. Seit wann war er so unheimlich kräftig? War es das Adrenalin, welches in ihm hochkochte und ihm zu so viel Kraft verhalf? Es war mir ein Rätsel. Meine Atmung wurde so hektisch, dass ich Angst hatte, meine Lunge würde kollabieren. Ich drückte mich selbst nach hinten, als er seine Hände auf meinen Unterarmen abstütze, und sich dann zu mir herunterbeugte. Als er mir noch näherkam, rutschte ich auf meinem Stuhl immer weiter nach unten, um ihm irgendwie auszuweichen. Er starrte mich mit funkelnden Augen an. Wie ein blutrünstiger Wolf. Bereit, seine Beute jeden Moment mit den Zähnen zu zerfleischen.
„Was mache ich nur mit dir, hm?", knurrte er. Als er keine Antwort von mir erhielt, schien ihm die nächste Sicherung durchzubrennen. Er krallte sich mein Kinn, und zwang mich so, im in die Augen zu sehen. Dann griff er hinter mich. Nun war er derjenige, der mir den Löffel vor die Nase hielt. Djamal hingegen hatte seine Hände auf meine Schultern gelegt, um zu verhindern, dass ich meinen Oberkörper bewegen konnte.
„Willst du das hier wirklich auf die harte Tour, Prinzessa? Willst du wirklich, dass ich dir diese scheiß Nadel in den Arm jage? Oder bist du ein braves Mädchen und machst den Mund auf?"
Eine Sache ging mir nicht in den Kopf. Vladislav sagte, der Joker würde mich töten, wenn ich nicht tat, was er verlangte. Es war nicht so, dass ich es darauf anlegte. Aber wieso tat er es nicht?
„Warum tust du es nicht?", knirschelte ich.
Vladislavs Blick veränderte sich schlagartig. Der geisteskranke Psychopath sah mich plötzlich an, als wäre er ein kleiner Junge, der die Welt nicht mehr verstand. Die Falten auf seiner Stirn drückten nun mehr keine Wut, sondern Verwirrung aus.
„Was?", fragte er ganz leise und verunsichert. Dann ließ er mein Kinn los.
„Du hättest mich schon längst töten können." Ich schluckte schwer. Entweder war das hier ein guter Schachzug oder einfach nur saudämlich. „Aber das hast du nicht." Soweit es Djamal zuließ, rutschte ich auf dem Stuhl wieder nach oben. Vladislavs irritierte Augen ließen dabei nicht von meinen ab.
„Es gab so viele Möglichkeiten. Stattdessen holst du einen Arzt, der nach mir sieht. Du zwingst mich zum Essen, damit ich wieder Kräfte aufbaue. Und du drohst mit...mit absurden Dingen, die du am Ende nicht wahrmachst."
Es war beängstigend ruhig. Vladislav schaute mich an, als wäre ich ein Geist. Dieser Zustand hielt allerdings nicht lange an. Denn gerade, als ich dachte, dass der Zug vielleicht doch clever war, bereute ich es direkt wieder.
Erneut packte mein Gegenüber mein Kinn zwischen seine Finger, um kam mir mit seinem Gesicht so nah, dass sich unsere Lippen fast berührten.
„Nur weil du noch lebst, heißt das nicht, dass ich dich nicht töten würde. Vergiss das niemals. Du solltest mich lieber nicht unterschätzen, Josy.", knurrte er so bedrohlich, dass es mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Wieder schluckte ich schwer, klammerte mich an den Armlehnen fest, und sammelte ein weiteres Mal meinen Mut zusammen.
„Dann mach doch."
Wieder war sein Blick völlig verwirrt. „Lieber sterbe ich, als dein blödes Spiel mitzuspielen."
Einige Sekunden sah er mich einfach nur an. Es war schwer abzuschätzen, ob ich ihn wirklich erwischt hatte, oder ob er nur so tat, als hätte ich ihn aus der Fassung gebracht.
„Djamal.", sagte er, während er weiter Blickkontakt mit mir hielt. „Lass uns allein.", wies er den Mann hinter mir an. Unverzüglich ließ er meine Schultern los, und begab sich dann nach draußen. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, veränderte sich Vladislavs Mimik wieder. Ein breites, dämonisches Grinsen zog sich ihm über beide Ohren.
„Du dreckige.", lachte er schon fast. Nun war ich diejenige, die die Welt nicht mehr verstand.
„Du stehst da drauf, was?", fragte er, und leckte sich dabei über die Lippen.
„Wie bitte?!", fiepste ich empört.
„Du provozierst, immer und immer wieder. Weil es dich geil macht, wenn ich wütend werde."
„Hast du sie noch alle?!", fuhr ich ihn nun an. Wie realitätsfern konnte man bitte sein?
„Streite es nicht ab, Baby. Ich sehe das in deinen Augen." Sein Griff um mein Kinn wurde stärker. So, dass es begann wehzutun. Dann rutschte seine Hand langsam herunter, und legte sich sanft auf meinen Hals. Vladislav spreizte einen seiner Finger ab, um mein Kinn weiterhin nach oben zu drücken. Dann, blitzschnell und unerwartet schnappte er zu. Wie eine Cobra die nach vorne schnellte, um ihre Beute zu verschlingen, schnippte seine Hand um meine Kehle und drückte zu.  
„Hör auf!", röchelte ich verzweifelt. Meine Handgelenke brannten wie Feuer, weil sich die Seile durch meine Bewegungen immer mehr in mein Fleisch brannten.
„Du stehst drauf, wenn ich laut werde, hm?"
„Nein!" krächzte ich.
„Doch, natürlich!", brüllte er in mein Gesicht. „Bei Samra stehst du doch auch drauf. Deshalb provozierst du ihn immer! Ich bin nicht dumm, Baby!"
Das atmen fiel mir schwer. Mir wurde immer wärmer. Nein, mir wurde heiß. Richtig heiß. Sein Griff minderte die Blutzufuhr zu meinem Gehirn. Es war damit zu rechnen, dass ich jeden Moment Ohnmächtig wurde.
Doch bevor es so weit kommen konnte, ließ er meinen Hals los. Um mich herum schwebten kleine, funkelnde Sternchen, immer wenn ich die Augen bewegte. Mein Körper fühlte sich schwach an. So schwach, dass es mir schwerfiel, meinen Kopf oben zu halten. Es benötigte einige Sekunden, bis sich dieser Zustand besserte.
„Ihr Bitches seid so leicht zu durchschauen.", schnaufte Vladislav triumphierend. Wenn meine Blicke töten konnten, hätte ich ihn in diesem Moment mit Giftpfeilen durchbohrt. Meine Wut auf ihn verflog allerdings sofort wieder. Angst machte sich breit, als er sich vor mich kniete, und seine Hand auf meinem Oberschenkel ablegte. Seine Augen hatten wieder dieses dämonische Funkeln. Die Wärme seiner Hand verwandelte sich in Hitze, die durch mein gesamtes Bein fuhr. Wieder fürchtete ich mich vor dem, was er als nächstes tun würde. Er provozierte, indem er seine Hand weiter nach oben fahren ließ. Es fehlten nicht mehr viele Zentimeter.
Doch seine Aufmerksamkeit galt nicht dieser Stelle. Nein, er begann plötzlich, irgendetwas an dem Seil herumzufummeln, welches meine Füße zusammenhielt. Es ratschte, und ich konnte meine Füße wieder bewegen.
Gleich danach befreite er meine Handgelenke mit seinem Klappmesser, und ich konnte auch diese wieder bewegen.
Ehe ich darüber nachdenken und mich fragen konnte, warum er das getan hatte, zog er mich auf die Beine.
Auf einmal begann sich alles um mich herum zu drehen. Als hätte ich zu viel Alkohol getrunken. Meine Knie wurden weich, und ich klammerte mich panisch an seinen Armen fest.
„Reicht jetzt mit dem Schauspiel.", motzte er. „Ich weiß, dass du nur so tust."
Aber ich spielte das nicht vor. Mein Kopf schien auszusetzen. Der Boden unter mir begann immer mehr auf- und abzuschwingen, sodass ich kaum noch gerade stehen konnte.
„Ich kann...ich weiß nicht...schwindelig...", murmelte ich. Keinen vernünftigen Satz bekam ich mehr zustande. Klar denken konnte ich auch nicht mehr.
„Ich kann nicht.", war das letzte, was ich von mir gab. Dann war der Boden unter meinen Füßen plötzlich verschwunden. Ich spürte, wie er mich unter den Armen hielt, damit ich nicht fiel. Irgendetwas sagte er, doch ich verstand ihn nicht. Ich verstand gar nichts mehr. Bis ich dann gänzlich das Bewusstsein verlor.

Seht ihr das Bild oben, also das Cover vom Kapitel? Ich sehe es in der Bearbeitung & in der Vorschau, im veröffentlichten Kapitel allerdings nicht 😕

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.


Seht ihr das Bild oben, also das Cover vom Kapitel? Ich sehe es in der Bearbeitung & in der Vorschau, im veröffentlichten Kapitel allerdings nicht 😕

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt