Part 79 ~ Draufgängerjunge

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„Du bleibst hier!", befahl Vladislav streng.
" Ich will, dass du bleibst. Ich lass dich jetzt nicht gehen."
Seine warme Hand lag auf meiner Kehle, und mein Körper wurde grob gegen die Wand gedrückt. Sein psychotischer Blick durchbohrte mich regelrecht, während ich versuchte seinen Arm von mir wegzuziehen.
„Lass los!", brachte ich hechelnd hervor. Sein Griff wurde daraufhin stärker, und ich schnappte nach Luft.
„Hörst du nicht? Du gehst nirgendwo hin. Gib mir erst, was ich haben will.", knurrte er aggressiv. Ich verstand jedoch nur Bahnhof.
„Was meinst du?"
„Du weißt, was ich meine!", brüllte er plötzlich. Sein Schreien änderte aber nichts daran, dass ich absolut keine Ahnung hatte, was er von mir wollte.
„Du willst Spielchen spielen? Ist kein Problem, kannst du haben." Ich sah die Klinge seines Messers aufblitzen. Er präsentierte sie mir kurz, und hielt sie dann mit der Spitze an meinen Bauch. Panik stieg in mir auf. Noch stärker als eben versuchte ich, seine Hand von meinem Hals wegzubekommen. Als ich das sanfte Piksen auf meiner Haut spürte, schossen mir vor  lauter Verzweiflung Tränen in die Augen.
„Jetzt rede, oder ich stech dich ab!", brüllte er wieder.
Plötzlich ging die Tür hinter ihm auf. Es war Samra, der uns beide mit überraschten Blicken betrachtete.
„Stör ich?", fragte er. Mit meinem Blick bettelte ich nach Hilfe. Weiterhin versuchte ich, Vladislavs Hand von meinem Hals wegzudrücken. Doch je mehr ich es versuchte, desto steifer wurde sein Griff.
„Hilfe!", krächzte ich hervor. Vladislav drehte sich zu dem Libanese um, und sie tauschten Blicke aus, die ich nicht deuten konnte.
„Sam!", war alles, was ich noch herausbekam. Für mehr fehlte mir einfach die Luft.
Vladislav drehte sich wieder zu mir. Er sah kurz nach unten, und ich merkte, wie er die Messerspitze stärker gegen meinen Bauch drückte. Aus dem Piksen wurde ein schmerzhaftes stechen.
„Ich hab dir gesagt. Rede, oder ich stech zu.", wiederholte er sich ungeduldig. Erneut ging mein Blick zu Samra. Er stand einfach nur regungslos da, und beobachtete das Messer, welches sich langsam durch meine Haut bohrte. Auf seinen Lippen zeichnete sich ein kleines, zufriedenes Lächeln ab.


„Bae." Ich wurde im Auto wach. Für eine Augenblick musste ich mich kurz sammeln und überlegen, was passiert war. Links neben mir saß Vladislav, dessen besorgter Blick zwischen der Straße und mir hin- und her wechselte.
„Alles gut? Du hast geweint beim Schlafen.", sagte er.
„Ja.", murmelte ich schlaftrunken. Beim Aufrichten merkte ich, wie mir der Kopf brummte. Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen, um erst einmal auf mein Leben klarzukommen.
„Sind gleich da.", kam es von dem Ukrainer.
„Super.", entgegnete ich mit Sarkasmus. Müde blickte ich aus dem Fenster. Diese Gegend kam mir kein bisschen bekannt vor.
"Wo sind wir?", fragte ich, während ich mir über meine müden Augen rieb.
„Gleich da."
„Das beantwortet nicht meine Frage." Vladislav ignorierte mich einfach. Er parkte den Wagen, und stieg dann aus. Wenige Sekunden später stand er bei meiner Tür, und öffnete sie für mich. Die Sonne blendete meine Augen, sodass ich sie zusammenkneifen musste. Ich sah nur noch Vladislavs Hand, welche er mir unterstützend hinhielt. Meine Beine waren wie Pudding. Ich hatte das Gefühl, einfach völlig kraftlos zu sein. Also nahm ich seine Hand, damit er mich herausziehen konnte.
„Du musst dich erst abschnallen.", kommentierte er schmunzeld.
„Oh, ja." Das hätte ich fast vergessen. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Watte ausgestopft. Das hinderte mich daran, klar denken zu können.
Nachdem Vladislav mich auf die Beine gezogen hatte, hielt er meine Hand noch einen Moment fest. Er hatte bemerkt, dass ich kaum alleine stehen konnte.
„Du siehst echt scheiße aus.", sagte er eiskalt.
„Danke, du Penner." Ich zog meine Hand von ihm weg, und schlug ihm gegen die Brust.
Als er bemerkte wie dumm dieser Satz ankam, fing er plötzlich an zu lachen.
„Sorry, Baby. Das hab ich so nicht gemeint."
Da ich mich am Auto abstützen musste, um nicht umzukippen, war mir überhaupt nicht zum Lachen zumute.
„Soll ich dich reintragen?"
Auch wenn ich ihn gerade nicht ansah, hörte ich deutlich das Lächeln, wenn er sprach.
„Fass mich nicht an.", zischte ich gereizt.
„Okay, dann warten wir ein, zwei Minuten, bis es besser ist." Er schloss die Autotür neben mir, und verriegelte dann seinen Wagen. Als nächstes hörte ich das Klicken seines Zippos. Anschließend stieg mir der Zigarettengeruch in die Nase, welcher durch den Wind direkt in mein Gesicht geschossen wurde. Vielen Dank dafür.
Ich drehte mich um, sodass ich mich mit dem Rücken am Auto anlehnen konnte. Ein Blick nach links verriet mir, dass Vladislav das gleiche tat. So standen wir nun nebeneinander. Er schaute verträumt in den Himmel und zog an seiner Kippe, während ich tief ein- und aus atmete, um meinen Kreislauf zu stabilisieren.
„Was hast'n überhaupt geträumt eben?", fragte er mich nach einigen Sekunden Stille. Seine Neugier nervte mich.
„Nichts.", antwortete ich daher kurz und knapp.
„Aber du hast geweint und so. Muss was Krasses gewesen sein."
„Bitte, rauch einfach deine Kippe und lass mich."
„Tamam.", kam es dann nur neben mir als Antwort. Man, ja. Natürlich war es auch für mich nicht schön, wenn ich so zickig zu ihm war. Aber was hatte er denn erwartet, nachdem er mich verletzt, verraten und verkauft hatte? Dass ich ihm um den Hals fiel, und dann so tat, als wäre das alles nie gewesen? Das ging einfach nicht. Ich sah in ihm noch immer den Joker. Das geisteskranke, wahnsinnige Oberhaupt eines Drogenkartells, mit dem man sich lieber nicht anlegen sollte. So schnell würde ich dieses Bild wahrscheinlich auch nicht aus meinem Kopf herausbekommen.
„Bist du soweit?", fragte er, und riss mich somit aus meinen Gedanken. Mein Kreislauf hatte sich nun wieder einigermaßen stabilisiert, und ich konnte mich ohne fremde Hilfe fortbewegen. Ich nickte ihm zu, und wieder hielt er mir seine Hand hin.
„Nein, geht schon. Danke."
„Okay, dann komm." Vladislav lief mit langsamen Schritten vom Auto weg, und ich folgte ihm. Einige Male drehte er sich zu mir um, und lief dann wieder nach vorne. Entweder hatte er Angst, dass ich abklappte, oder dass ich abhaue. Wahrscheinlich eher beides.
„Hat Samra geantwortet?", fragte er mich. Stimmt, das hatte ich schon wieder total vergessen. Aufgeregt holte ich mein Handy aus der Hosentasche, und drückte auf den Home-Button. Da war nichts, keine neuen Benachrichtigungen. In diesem Augenblick war ich so enttäuscht, dass mir die Tränen kamen.
„Nein.", antwortete ich auf seine Frage.
„Wird er schon noch.", warf er mir von vorne zu. Um nicht wirklich noch in Tränen auszubrechen, packte ich das Handy schnell weg. Verdammt, wo war dieser Kerl, wenn man ihn brauchte?






Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt