Part 51 ~ Joker's Palace

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Der Staub wirbelte hinter uns auf, während Samra sein Auto auf der mit Kies bedeckten Fläche abstellte. Vor uns befand sich eine riesige Lagerhalle. Als ich sie betrachtete, durchfuhr mich ein widerliches Kribbeln. Nun wusste ich, weshalb mir diese Adresse bekannt vorkam: Es war die Lagerhalle, in die Samra mich hatte bringen lassen, als er diesen fiesen Scherz abgezogen hatte. Die Leere weit und breit um uns herum und die Dämmerung, die bereits eingetreten war, machten diesen Ort für mich noch unheimlicher.
„Wie gesagt, du musst nicht.", sagte der schwarzhaarige Libanese auf dem Fahrersitzt.
„Wie gesagt...doch, ich muss." Ich schob meine Zweifel beiseite, und schnallte mich ab. Auch Samra löste seinen Gurt, und stieg aus dem Lamborghini aus. Etwas überrascht sah ich zu ihm herüber.
„Ohne mich lassen die dich nicht rein." Damit war meine unausgesprochene Frage also beantwortet.
Wir näherten uns dem Tor. Mit jedem Stückchen, das wir aufrückten, wuchs meine Nervosität. Samra klopfte dreimal kräftig gegen die graue Stahltür, und das ungute Gefühl in meinem Bauch wurde zu Übelkeit. Ein frischer Windzug wehte mir direkt in den Nacken, was meine Gänsehaut noch verstärkte. Da das Wetter heute ungewöhnlich warm war, hatte ich meine dicke Jacke weggelassen. Stattdessen trug ich ein Shirt mit Spitze und V-Ausschnitt, und darüber eine Kapuzenjacke. Ich zog den Kragen der Jacke etwas höher, und legte meine Haare nach vorne. Samra schielte kurz zu mir herüber, sah aber dann wieder nach vorne.
„Chill.", brummte er leise, als ich anfing, von einem Bein aufs andere zu tippeln. Man, ich konnte doch auch nichts dafür. Ich hatte einfach nur riesige Angst, dass ich dem ganzen nicht gewachsen war. Dass ich ihm nicht gewachsen war.
Genauso war es ja eigentlich auch. Er war nicht mehr der Vladislav, den ich kannte. Es war ja nicht nur so, dass er mich vergessen hatte. Nein, er war insgesamt einfach viel kälter. Viel brutaler. Das machte mir Angst.
Ich schnappte kurz nach Luft, als ich ein dumpfes Geräusch vernahm. Die Tür wurde geöffnet.
„Salam alaykum, Habibi.", begrüßte Samra die Person, die vor ihm stand. Erst als ich einen Schritt nach links trat, sah ich diese Person ebenfalls. Vor mir stand ein groß gebauter Kerl, mit schwarzen Haaren und fast dem gleichen Bart wie Samra ihn trug.
„Keine Kahbas, du kennst die Regeln.", sagte er streng, und hielt mir seine Hand vor den Brustkorb, als Zeichen dass ich ihm fern bleiben sollte.
„Anweisung vom Boss.", fügte er hinzu, nachdem Samra ihm seine Hand auf die Schulter gelegt hatte.
„Das ist seine Freundin, Bruder. Glaub mir mal, das passt."
„Er hat keine Freundin."
„Vertraust du mir nicht?", fragte Samra ihn mit ernstem Blick. Ohne zu antworten drehte sich der Mann vor mir so, dass ich passieren konnte. Er sah mich mit merkwürdigem Blick an, und verriegelte die Tür dann wieder hinter uns.
Nun standen wir in der Halle. Allerdings sah hier nichts so aus wie beim letzten Mal. Als ich mit Vladislav hier war, befand sich in dieser Halle nichts. Nun waren hier mehrere Wände aufgebaut, die das ganze räumlich aufteilten. Wir befanden uns in einem schwarz ausgekleideten Vorraum, an dem sich seine Leute scheinbar hauptsächlich aufhielten. In einer Ecke stand ein Sessel, der von zwei Sofas umgeben war. Auf dem Tisch in der Mitte stand ein Glasschälchen mit Sonnenblumenkernen, welches von allen möglichen Dingen umgeben war: Zigarettenschachteln, Bierdeckel, Flaschen, Gläser...und natürlich die Männer, die rings herum saßen und eine Shisha rauchten.
„Salam alaykum, Jungs.", warf Samra in die Runde. Von fast allen gleichzeitig kam ein "Alaykum selam" zurück. Wieder wurden mir merkwürdige Blicke zugeworfen, als wir an ihnen vorbeiliefen.
„Samra, Bro.", wurden wir direkt von Milo begrüßt, der aus einer anderen Richtung auf uns zukam.
„Dachte, die Regeln waren klar?", sagte er zu Samra, welcher sich lässig vor ihn stellte. Der Größenunterschied zwischen den beiden war so enorm, dass Samra ihm locker auf den Kopf spucken konnte. Milo war insgesamt nicht größer als ich. Bedeutete aber nicht, dass er deswegen harmlos war.
„Lass meine Sorge sein.", entgegnete Samra mit rauer Stimme, und wollte an ihm vorbei. Doch Milo bremste ihn aus, indem er von der Seite seine Hand auf Samras Brustkorb legte.
„Er will keine Huren im Hauptquartier. Die da schon gar nicht.", sagte er in gedämpfter Tonlage. Die beiden sahen sich in die Augen. Um uns herum war alles plötzlich still, und eine unglaubliche Spannung lag in der Luft. Ich hatte das Gefühl, meine aufgeregte Atmung wäre so laut, dass sie jeder hier hören konnte.
„Ich kann das nicht zulassen, Bro. Sorry.", sagte Milo, ohne den Blickkontakt abzubrechen.
„Josy, geh ihn suchen.", sagte er Samra völlig entspannt zu mir.
„Mach!", fuhr er mich nun laut an, als ich mir unsicher war und nicht reagierte. Direkt zuckte ich zusammen, und rannte dann los. Als ich mich beim rennen kurz umdrehte sah ich, wie Samra Milo an den Armen zurückhielt. Verdammt, ich musste mich beeilen. Ich musste ihn finden, bevor diese anderen Typen mich einholten. Mist, woher sollte ich wissen wo Vladislav jetzt war? Er könnte überall sein. Ich kann doch nicht in jeden Raum reinstürmen, wer weiß was hier noch für Gestalten rumlaufen. Spontan entschied ich mich, die schmale Gittertreppe nach oben zu flitzen. Dort traf ich auf einen Gang, der weit nach hinten reichte. Wie groß war diese verdammte Halle?!
Ziemlich am Ende des Ganges war eine weiße Tür. An ihr Befand sich ein großer, goldener Joker. Also nicht Heath Ledger, sondern dieses kleine Tattoo, welches Vladislav auf der linken Hand hatte. Keine Zweifel, hier war ich richtig.
Okay, jetzt war es so weit. Ich hatte es bis hier hergeschafft, und nun musste ich es durchziehen. Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück. Sollte ich klopfen oder einfach reingehen? Was, wenn er nicht drin war? Was machte ich dann?
Als ich schnelle Schritte auf mich zukommen hörte, hatte ich keine Zeit mehr darüber nachzudenken. Schnell riss ich den Türgriff nach unten, schloss die Tür und stemmte mich dagegen. Ich bemerkte den goldenen Schlüssel der von innen im Schloss stecke, drehte ihn hastig um, und verstaute ihn dann ohne großartig nachzudenken in meiner hinteren Hosentasche. Wie von einem elektrischen Schlag getroffen sprang ich zurück, als es an der Tür donnerte.
„Capi, mach auf!", brüllte einer der Gorillas, die von außen gegen die Holztür hämmerten.
„Lass Tür eintreten!", schrie der andere.
Auf einmal vernahm ich ein Klimpern hinter mir. Ruckartig drehte ich mich um, und sah ihn.
Vladislav machte gerade seinen Gürtel zu, während er mich mit Feuer in den Augen anstarrte. Wenn man durch die halb offne Tür hinter ihm nicht wüsste dass er gerade vom Klo kam, hätte man in dem Moment echt was anderes denken können.
„Haltet eure Fresse nahui! Denkt ihr ich werde nicht mit einer scheiß Kahba fertig oder was, wer hat euch gefickt amina koyim?!", brüllte Vladislav so laut, dass es mir in den Ohren klingelte. Ich hopste einen Schritt zurück, als er an mir vorbei ging um die Tür zu öffnen.
„Was zum fick ist das hier?!", keifte er direkt, als er feststellte, dass die Tür abgeschlossen war. Oh oh.
Er sah mich an, und es machte direkt klick in seinem Kopf. Dieser Blick, den er mir in dem Moment zuwarf...er ließ meine ganzen Zweifel und Ängste die ich vorhind so schön verdrängt hatte wie eine Welle wieder hochkommen.
„Ich komm klar. Geht wieder runter.", rief er seinen Jungs von der anderen Seite der Tür aus zu.
„Samra ist unten.", antwortete einer vom Flur aus.
„Er soll auf mich warten, bis ich hier fertig bin." Ich schluckte schwer. Verdammt, was hatte ich mir dabei gedacht?
„Jetzt zu dir.", sprach er, an mich gewandt. Nein, ich konnte das nicht. Ich konnte meine Angst nicht verbergen, das ging nicht. Er trat einen Schritt von der Tür weg, und sah mich an. Er blickte mir direkt in die Augen, ohne etwas zu sagen. Dass es zwischen uns mal so sein würde, hätte ich nie auch nur im Traum gedacht. Es brach mir das Herz.
„So viel Angst, dass du schon heulst?", grinste er, während er weiter nach links lief. Ich versuchte auf Abstand zu bleiben, und ihn nicht aus den Augen zu lassen. Irgendwann war er so weit nach links gegangen, dass wir uns gedreht hatten. Ich stand mit dem Rücken in Richtung Tür, und er stand circa 2 Meter ntfernt vor mir. Dann rückte er plötzlich auf. Verdammt, ich wusste, was er da tat. Er wollte mich in die Enge treiben. Und das schaffte er auch – denn ehe ich Zeit hatte über einen Ausweichschritt nachzudenken, war er mir schon viel zu nah. Nun drückte ich mich selbst mit dem Rücken gegen die Tür, in der Hoffnung, dass er nicht weiter aufrücken würde. Natürlich war diese Hoffnung schwachsinnig.
Er stand direkt vor mir. Mein Herz schlug so schnell und intensiv, dass ich mir sicher war er würde es hören.
„Ich heule nicht.", brachte ich mit zittriger Stimme hervor. Für zwei Sekunden hob sich sein rechter Mundwinkel zu einem halben Lächeln nach oben. Dann engte er mich komplett ein. Ich atmete schnell und flach, während er von oben in meinen Ausschnitt starrte. Dann ging sein Blick wieder nach oben.
„Schlüssel her, yallah.", knirschte er.
„Er ist..." Wenn ich ihm den jetzt gebe, schmeißt er mich direkt raus. Das musste ich verhindern, wenn ich mit dieser ganzen Aktion hier noch irgendetwas erreichen wollte.
„Gegessen. Runtergeschluckt, der ist weg.", sagte ich aufgeregt. Ja, ganz schlau. Als ob der mir das jetzt abkauft.
„Ich hab' kein Problem damit, den aus dir raus zu schneiden.", sagte er todernst. Ach du Scheiße.
Mein Herz setzte aus, als ich seine Finger plötzlich an meinem Bauch spürte. Er schob mein Shirt ein Stück nach oben, und zog dann ein Messer aus seiner Hose heraus. Fuck, meint der das jetzt ernst? Das kann der nicht ernst meinen, oder? Niemals, der blufft. Das ist viel zu krass, nein.
In mir stieg eine unglaubliche Hitze auf, als die Messerspitze meine Haut berührte. Er setzte genau dort an, wo mein Magen war. Oh mein Gott. Wenn der weitermacht, heule ich wirklich gleich.
„Sag bye bye.", sagte er leise, lächelte, und konzentrierte sich dann auf das Messer in seiner Hand. Scheiße, der meint das ernst.
„Warte!", quietschte ich hektisch auf. Sein Blick ging wieder nach oben, und er sah mich an.
„Willst du noch was sagen vorher?", fragte er mit geheuchelter Aufmerksamkeit.
„Er ist nicht da. Der Schlüssel. Das war gelogen. Bitte.", sprach ich, den Tränen nah.
„Schade.", entgegnete er nur. Er nahm seine Finger von mir weg, und steckte das Messer zurück in seine Hose.
„Her damit.", forderte er. Seine Augen blitzten auf, und er hatte diesen wahnsinnigen Blick drauf. Dieser Blick, der noch beängstigender war als seine ekelhafte Art.
„Nein. Ich will erst mit dir reden."
Er rümpfte seine Nase. Wieder sah er nach unten in meinen Ausschnitt.
„Das kostet. Niemand spaziert hier einfach rein, klaut meinen Schlüssel und geht mir dann auf die Eier. Schon gar keine Kahi wie du.", zischte er.
„Dann bin ich wohl die erste.", widersprach ich ihm, ohne nachzudenken. Keine Ahnung woher ich den Mut nahm, aber eine Sekunde später zog ich bereits die Konsequenzen daraus. Ehe ich mich versah, schnellte seine Hand nach vorne. Mein Kopf schlug gegen die Tür, und mir wurde schwindelig. Er drückte seine Hand gegen meine Kehle, und mein Kinn dabei nach oben. Ich brauchte einige Sekunden, ehe ich die Augen wieder öffnen konnte.
„Wer hat dir erlaubt so frech mit mir zu reden, hm? Weißt du nicht, wer ich bin? Weißt du nicht, was ich machen kann, wenn jemand meine Nerven fickt?!", zischte er. Ich war durch den Aufschlag mit dem Hinterkopf immer noch etwas benommen, und daher noch nicht fähig ihm zu antworten.
Als ich keine Reaktion auf seine Frage zeigte, verstärkte er den Druck auf meine Kehle und rückte näher an mich heran.
„Gib mir den Schlüssel.", verlangte er. Ich versuchte kontrolliert zu Atmen, während ich ihm in die Augen sah. Sie funkelten regelrecht vor Wut. Aber da war noch etwas anderes. Etwas, was ich noch nie an ihm gesehen hatte. Das war es, was mir umso mehr Angst machte. Trotzdem wollte ich nicht einfach aufgeben. Es hatte viel Überwindung gekostet, überhaupt hier zu sein. Ich würde mich jetzt nicht so einfach von ihm rausschmeißen lassen.
„Du kriegst ihn, aber ich will erst reden.", krächzte ich. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Er schnaufte amüsiert, und lockerte den Griff an meinem Hals.
„Und wieso glaubst du, ich würde mit dir verhandeln?", fragte er.
„Weil ich dir den Schlüssel sonst nicht gebe." Wieder schnaufte er belustigt auf. Seine Hand verließ meinen Hals, und umpackte unsanft mein Kinn.
„Ich hab' tausend Möglichkeiten, den Schlüssel zu kriegen. Sag mir warum du denkst, dass ich mich auf dein lächerliches Spiel einlasse."
„Du kannst machen was du willst, Vladislav. Ich geb' ihn dir nicht, bevor wir geredet haben." Sein Lächeln verschwand blitzschnell, und er drückte meinen Kopf nach oben.
„Nenn mich nie wieder so. Für dich bin ich Capital, merk' dir das."
„Du warst immer beleidigt, wenn ich nicht deinen richtigen Name gesagt hab'."
Für einen kurzen Moment sah er mir einfach nur in die Augen. Seinen Blick konnte ich nicht deuten. Ich wusste nicht, ob ihn das noch mehr provoziert hatte, oder ob er gerade wirklich so einen kleinen Flashback-Moment hatte.
Er drehte meinen Kopf nach rechts, und kam näher.
„Sei froh, dass du überhaupt mit mir reden darfst.", hauchte er in mein Ohr. Dann ließ er mich komplett los, und ging zwei Schritte rückwärts. Mit einer lässigen Drehung ging er zu seinem Schreibtisch, und setzte sich darauf. Ein Bein hatte er mit dem Oberschenkel auf der Tischplatte, während das andere herunterhing. Aus seiner Bauchtasche zog er eine Zigarette hervor, welche er direkt anzündete.
„Rede.", forderte er mit kratziger Stimme.

", forderte er mit kratziger Stimme

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Danke an  capitalxbra für das Bild. ❤️

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt