Part 13 ~ Gut & Böse

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Der darauffolgende Tag verlief relativ ruhig. Samra verbrachte die meiste Zeit damit mich zu ignorieren, während er auf der Couch lag und eine Kippe nach der anderen rauchte. Granit blieb noch bis zum Mittagessen, und ließ mich dann mit dem faulen Libanesen allein zurück. Von Vladislav hatte niemand etwas gehört. Wahrscheinlich hatte er die ganze Nacht im Studio verbracht...oder sonst was gemacht. Vielleicht war es besser wenn ich nicht wusste, was für Dummheiten er anstellte.
Da mir langweilig war, sammelte ich die schmutzige Wäsche aus allen Zimmern ein und schmiss sie im Keller in die Waschmaschine. Ab und zu setzte mich zu Samra auf die Couch, und sah mit ihm irgendwelche Mafia-Serien. Scheinbar stand er auf diesen ganzen Kram. Wenn ich mal nicht daneben saß zog er sich auch ab und zu mal Spongebob rein. Naja, das erklärte zumindest einiges.
Obwohl wir ja nun wieder am Anfang des Freiheitsentzuges standen und Samra schon wie ein Flummi aufschnippte wenn ich nur ein Fenster ankippte, erlaubte er mir unerwarteter Weise raus zu gehen, um die Wäsche im Garten aufzuhängen. Natürlich nur unter zeitlicher Begrenzung. Aber immerhin durfte ich mal ein paar Pigmente haschen - auch wenn es nur für zehn Minuten war. Heute war so ein warmer Tag, dass die Wäsche innerhalb einer Stunde bereits getrocknet war - somit hatte ich wieder etwas zutun und erneut die Möglichkeit, Vitamin B durch die Sonnenstrahlen zu tanken.
"Ich fühl mich wie im Knast. Nur ohne den orangenen Anzug.", sagte ich demprimiert, als Samra die Balkontür hinter mir wieder abschloss und mich vorwärts schob. Er antwortete nicht, steckte den Schlüssel weg und wanderte wieder zur Couch zurück.
"Willst du mich jetzt für immer ignorieren? Ich hab dir ja nicht mal was getan.", rief ich ihm hinterher, doch das ließ ihn kalt. Augenrollend ging ich mit dem Wäschekorb in der Hand nach oben und verteilte die frischen Sachen in den Schränken. Als ich in meinem Zimmer stand und meine Shirts im Schrank sortierte, fiel mir etwas ins Auge. Es war Samras Klappmesser, das ich bei Kareem sicherstellen konnte. Durch den ganzen Stress hatte ich vollkommen vergessen, dass es in meinem Besitz war. Für einen kurzen Moment überlegte ich, es zu verstecken. Einfach, damit er niemanden mehr damit verletzen konnte. Aber da ich wusste, wie sehr er an diesen nervigen Teil hing, brachte ich es nicht übers Herz das zu tun. Außerdem hätte er es eh irgendwann gefunden. Oder Vladislav würde es finden und Samra dann ausrasten, weil ich es vor ihm versteckt habe.
Ich betrachtete es ein paar Minuten, und schloss dann meine Schranktür. Mit dem kleinen scharfen Gegegstand in meiner Hand lief ich den Flur entlang, ging die Treppe nach unten und suchte ihn dort auf wo der schon den ganzen Tag rumhing. Es lag kein Zweifel daran, dass er mich immernoh ignorieren würde. Also stellte ich mich vor ihn, und schmiss ihm das zusammegeklappte Messer auf den Bauch. Er zuckte kurz, und prüfte  dann was ich ihm zugeworfen hatte.
"Kareem hatte es. Aber ich konnte es mir nehmen, nachdem er die Narbe an meinem Hals damit wieder aufgeschnitten hatte. Keine Sorge, ich hab's abgewaschen. Da ist also nichts mehr von mir dran." Er bewegte es spielerisch ziwschen seinen Fingern, ohne mich dabei anzusehen. Irgendwann drehte ich mich um und wollte gehen, aber mir fiel noch etwas ein.
"Weißt du, eigentlich wollte ich es dir nicht wiedergeben. Ich wollte es verstecken, damit es keinen Schaden mehr anrichten kann. Aber so bin ich nicht. Ich bin kein Mensch, der anderen ohne schlechtes Gewissen böses tun kann. Sowas könnte ich niemals machen. Das passt mehr zu dir.", fügte ich noch hinzu und ging dann von ihm weg. Gerade als ich wieder nach oben gehen wollte und innerlich betete dass er mir nicht hinterher gespackt kommen würde, hörte ich wie die Tür aufgeschlossen wurde. Vladislav.
Er trat herein, schloss wieder ab und steckte den Schlüssel in seine hintere Hosentasche.
"Willkommen zurück, Bruder.", sagte Samra, der sich aufgerichtet hatte um den wiedergekehrten Rapper zu begrüßen.
"Dann kannst du dich ja jetzt wieder um das hier kümmern.", sagte der Libanese, zeigte auf mich und ging dann an mir vorbei. Natürlich konnte er es sich nicht verkneifen, mich im vorbeigehen mit der Schulter so doll anzurempeln dass es schmerzte.
"Willst du mir erklären, was da schon wieder los ist?", fragte mich Vladislav und wies mit seinen Augen auf Samra, der lässig in seinem Jogginganzug wieder zurück zur Couch schlenderte.
"Fünfzig Euro, wenn du es vor mir herausfindest.", sagte ich nur trocken und wandte mich dann von ihm ab.
"Baby.", sagte er mit leicht kratziger Stimme, und griff nach meiner Hand. Als ich mich zu ihm umdrehte sah ich das getrocknete Blut auf seinen Fingerknochen. In dem Moment bemerkte auch er dass ich es gesehen hatte, und zog seine Hand wieder weg.
"Willst du mir erklären, was da los war?", fragte ich ihn ernst und deutete mit einem Blick auf seine Hand, die er zu einer Faust geballt hatte.
"Fünfzig Euro, wenn du einfach nicht nachfragst.", sagte er kalt und ging an mir vorbei in die Küche.
"Schön.", warf ich in den Raum, und ging dann genervt nach oben. Es dauerte nur wenige Augeblicke, bis er mir hinterhergelaufen kam. Er warf seine Bauchtasche aufs Bett und setzte sich hin. Dann legte er seine Ellenbogen auf die Knie und fuhr sich durch seine kurzen, schwarzen Haare.
"Wie war dein Tag?", fragte er, nachdem wir Minuten lang mit ausreichend Abstand sinnlos auf dem Bett herumhockten. Er saß mit dem Rücken zu mir, und drehte seinen Kopf leicht nach hinten, um mich im Augenwinkel zu sehen.
"Warst du schonmal im Knast?", antwortete ich mit einer Gegenfrage.
"Früher, ja. Ist schon lange her. Warum?"
"Tja, dann kannst du dir vorstellen wir mein Tag war.", sagte ich und stand vom Bett auf.
"Erzählst du mir jetzt bitte, was mit dir und Samra los ist? Ich dachte ihr versteht euch jetzt endlich."
"Ich habe doch gesagt, ich weiß es nicht. Gestern Abend war noch alles gut. Und dann hat er sich plötzlich vom netten Samra in den Arschloch-Samra verwandelt, so wie er es immer macht."
"Was heißt gestern Abend? Ich dachte, er hat gepennt bis heute früh?", fragte er misstrauisch und stand ebenfalls auf.
"Nein, er war dann wach als wir wieder da waren. Wir konnten beide nicht schlafen, und haben uns auf seinem Balkon noch eine Weile unterhalten."
"Es muss doch einen Grund geben, dass er so krass abgefuckt auf dich ist. Was hast du gemacht?", fragte er nochmal und sah mich dabei an.
"Seit wann braucht Samra irgendwelche Gründe, um sich wieder letzte Penner zu verhalten? Frag ihn doch selber wenn du Antworten willst. Und klär mich auf wenn du es weißt, ich habe nämlich ehrlich gesagt keine Ahnung.", fuhr ich ihn an und drehte mich um. Ich visierte die Tür an und wollte rausgehen, doch ehe ich soweit kam packte er mich an der Hand, wirbelte mich herum und fing mich in seinen Armen auf. Mit schweren Atemzügen klebte ich an ihm, und spürte seinen warmen Atem in meinem Nacken.
"Ich will nicht mit dir streiten, Baby. Das fickt mich.", raunte er gegen meinen Kopf, und verstärkte den Druck um mich ein kleines bisschen.
"Und was willst du dagegen machen?", fragte ich leicht benebelt, da ich durch seinen angenehmen Duft wieder dieses schöne Gefühl bekam.
"Es wieder gut machen. Damit du nicht mehr böse auf mich bist."
"Und wie? Indem du schon wieder versuchst, mit mir zu schlafen?", fragte ich ihn, woraufhin er nur leise knurrte.
"Vielleicht versuche ich es nicht. Vielleicht mach ich es einfach.", entgegnete er dominant, und küsste meinen Hals.
"Das würdest du nicht.", sagte ich mit stockendem Atem.
"Stimmt. Dafür liebe ich dich zu sehr.", raunte er, drehte mich schwungvoll um mich selbst und gab mich somit wieder frei.
"Aber jetzt mal Ernst und so. Bitte Baby, sei nicht mehr böse auf mich. Ich geh auch einmal am Tag mit dir Gassi.", sprach er und grinste beim letzten Satz als weil dachte, er wäre lustig.
"Schnauze.", sagte ich, und konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneigen.
"Nana Prinzessa, nicht so frech. Nicht nur Samra kann ein Arsch sein, ich kann das auch."
"Achso?", fragte ich ihn gespielt überrascht.
"Da.", lachte er, kam auf mich zu und legte seinen Arm um mich.
"Würde der böse Vladislav auch mit einem Messer auf mich losgehen?", fragte ich ihn scherzend.
"Der böse Vladislav würde ganz andere Sachen mit dir anstellen, mein Schatz.", grinste er und lief  mit mir im Arm nach unten.

Mademoiselle ~ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt