12: Falsches Timing

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Eine gute halbe Stunde später stand Steffen in seinem Hotelzimmer im Bad und versuchte durch seltsame Verrenkungen alle Stiche mit Fenistil einzuschmieren. Zuvor hatte er sich nach allen möglichen Ungeziefer wie Zecken abgesucht. Der Norweger lehnte unterdessen am Türrahmen und musste sich ein schadenfrohes Lachen verkneifen. "Es juckt überall", jammerte Steffen verzweifelt. "Das kommt davon, wenn man sich im Wald versteckt", konterte sein Zimmermitbewohner. "Wie oft denn noch! Ich hab mich verlaufen und nicht versteckt", erwiderte Steffen sofort genervt. Das nahm der Norweger nur schmunzelnd zur Kenntnis. Es machte Spaß Steffen etwas zu reizen. Man konnte ihn auch viel zu einfach aus der Reserve locken. "Was ist daran bitte so witzig?", fauchte Steffen genervt darüber, dass Harry ihm nur blöd dabei zusah, anstatt ihm mal seine Hilfe anzubieten. "Eine kleine Strafe hast du dir schon verdient, nachdem was du uns allen für einen Schrecken eingejagt hast", meinte dieser daraufhin nur und verließ mit diesen Worten das Zimmer.

Kurz darauf gab es Steffen verzweifelt auf ohne fremde Hilfe seine Stiche versorgen zu können. Seufzend streifte er sich sein T-Shirt wieder über und verließ mit dem Fenistil das Zimmer. Er wusste nicht so Recht, ob er sich zu Filip aufs Zimmer trauen sollte. Vorhin war Filip einfach nur froh gewesen ihn gefunden zu haben. Doch mit etwas vergangener Zeit hatte Steffen Angst, dass dieser nun wütend werden könnte. Immerhin war Filip noch immer sein Trainer. Wäre ihm das unter Alfred passiert, wäre er vermutlich jetzt schon zwei Köpfe kleiner. Der Isländer hätte ihm vermutlich eine dermaßene Standpauke gehalten. Doch Lucie wollte er dann auch nicht um Hilfe bitten. Und von den anderen Jungs erwartete er genauso eine Hilfe wie von Harald. Nämlich gar keine! Seufzend machte sich Steffen dann doch auf dem Weg zu Filips Zimmer. Sofort kamen wieder diese unangenehmen Erinnerungen an den gestrigen Abend hoch, die letztendlich für die Reihe der unglücklichen Ereignisse gesorgt hatte. Noch immer war da diese kochende Wut auf sich selbst, wie er bloß auf die schwachsinnige Idee gestern gekommen war. Vermutlich hatte er einfach einen Moment nicht richtig nachgedacht.

Vor dem Zimmer des Tschechens blieb er stehen und atmete nochmal tief durch. Er wusste nicht, was ihn auf der anderen Seite der Tür erwarten würde. Der Freund Filip oder der Trainer Filip. Die beiden konnten manchmal fließend ineinander übergehen. Erst jetzt wurde ihm wieder einmal bewusst, wie komisch ihre Beziehung dann doch wieder war. Filip war immer noch sein Vorgesetzter. Bis heute wollte Steffen noch nicht wirklich glauben, dass ihre Beziehung bisher so gut angenommen worden war. Vielleicht lag es auch daran, dass sie letzte Saison die Meisterschaft gewinnen konnten, dass es bisher so ruhig war mit Meinungen zu ihrer Beziehung. Oder vielleicht war die Welt doch schon offen genug für eine derartige Beziehung. Steffen war einfach so dankbar gegenüber jeden einzelnen im Verein, der willigte, dass er Filip lieben durfte. Vor einem Jahr hatte er nicht daran geglaubt, dass es ihnen überhaupt irgendwann erlaubt sein wird vor seinem Karriereende eine Beziehung zu führen. Bevor jemand ihn jedoch so unentschlossen wirkend vor Filips Tür vorfindet, was durchaus wieder unangenehm für ihn werden könnte, entschied sich der Franke einfach die Tür zu öffnen. Vergaß dabei jedoch vollkommen, dass er vielleicht vorher klopfen sollte.

Filip war gerade damit beschäftigt seine ganzen Quellen für seine Masterarbeit zu sichten und zu sortieren. Er hatte das gerade einfach gebraucht. Sich mit irgendetwas abzulenken, anstatt weiter daran zu denken, was alles hätte passieren können, wenn sie Steffen nicht gefunden hätten. Er war noch nie zuvor so erleichtert gewesen jemanden zu sehen. Er wusste nicht, wann er sich das letzte Mal solche Sorgen gemacht hatte. Vermutlich damals als sie Matej in Barcellona verloren hatten. Auf einmal ging seine Zimmertür auf und ein fertig wirkender Steffen mit total verstruppelten Haaren kam ins Zimmer gelaufen und ließ sich mit den Worten "Ich dreh noch durch. Überall juckt es", auf dessen Bett fallen. "Wie wäre es mal mit anklopfen und Türe schließen", entgegnete Filip ohne auf das Gejammer des Frankens einzugehen. Dieser verzog nur schmollend die Lippen, weswegen sich Filip seufzend erhob und die Zimmertür schloss.

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