40: Man sieht sich immer zweimal

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In Gedanken bei dem morgigen wichtigen Nordderby-Spiel vor heimischen Publikum und seiner nach wie vor nicht zufriedenstellenden Leistung im heutigen Training, lief Niko gerade am Bahnhof vorbei, Richtung Einkaufszentrum, denn er hatte vollkommen vergessen, sich um ein Geschenk für seine kleine Schwester zum Geburtstag zu kümmern. Wenn er wollte, dass dieses eventuell noch rechtzeitig zu ihrem Geburtstag in Wien ankommen sollte, müsste er dieses heute besorgen und anschließend gleich noch bei der Post abliefern. Doch er hatte mal wieder keine Ahnung, was er seiner Schwester überhaupt schenken sollte. Vielleicht hatte er auch einfach nicht den Kopf dafür, sich über so etwas Gedanken zu machen. Schließlich war er nach wie vor nicht zufrieden mit seiner sportlichen Leistung. Die Erinnerungen an seine schwere Verletzung zum Beginn der letzten Saison, schienen ihn nach wie vor auszubremsen und er war noch weit von seiner Form vor dem Kreuzbandriss entfernt. Doch Niko wollte nicht länger zuschauen müssen. Er wollte wieder derjenige sein, der wichtige Spiele entscheiden würde.

Auf einmal spürte er wie er ausversehen mit seiner Schulter gegen einen fremden Oberkörper stieß. Sofort spürte er wie ein Kribbeln seinen rechten Oberarm entlang strömte. Erschrocken drehte er sich zu der Person um, die er soeben angerempelt hatte, die durch ihren Zusammenprall etwas fallen gelassen hatte, auf welches Niko beinahe ausversehen getreten war. Sofort bückte er sich und hob den Autoschlüssel auf, um diesen der Person wiederzugeben und sich zu entschuldigen. Erst als er der Person direkt gegenüberstand und ihm diese braungrünen Augen entgegenleuchteten, erkannte er ihn wieder. War das nicht der Kellner aus ihrem Stammrestaurant, den er bereits damals über den Haufen gelaufen hatte?

Ihre Blicke trafen sich und auch Travis hatte Niko sofort wiedererkannt. „Das wird irgendwie zur Gewohnheit zwischen uns", spielte Niko auf ihr erstes Zusammentreffen an und konnte sich ein belustigtes Schmunzeln nicht verkneifen. Sein Blick fiel auf den Porsche Autoschlüssel, den er nach wie vor in seiner Hand hielt. Er musste wohl etwas verwirrt geguckt haben, denn dieser stellte sofort klar: „Keine Sorge. Ein Koch in der Ausbildung kann sich keinen Porsche leisten. Der gehört meinem Opa." Dankbar nahm er den Schlüssel wieder entgegen. Erneut konnte Niko nicht verhindern, dass er den Fremden neugierig musterte. Dabei entgingen ihm keinesfalls die leicht geröteten und geschwollenen Augen, welche verrieten, dass er vor kurzen geweint haben musste. „Alles in Ordnung?", fragte Niko vorsichtig. „Ja,ja alles ok", versuchte Travis sofort den Eindruck zu hinterlassen, dass alles in Ordnung sei. Doch Niko hatte so ein Gefühl, dass bei diesem alles andere als okay war, weswegen er nochmal einen Versuch startet, schließlich half es manchmal mit einer fremden und Außenstehenden Person zu reden. „Sicher, dass du nicht darüber reden willst. Ich bin nämlich ein guter Zuhörer", meinte der Österreicher und zwinkerte seinem Gegenüber aufmunternd zu. Auch wenn er die Fürsorge des Handballers zu schätzen wusste, würde er keinesfalls mit ihm über sein verkorkstes Familienleben reden. „Nein. Ich will nicht darüber reden", erklärte ihm Travis, der schon immer seine Probleme und Gefühle in sich hineingefressen hatte, anstatt offen mit jemanden darüber zu sprechen. „Ok gut", schmunzelte Niko, „ich bin nämlich noch besser im Nichtzuhören." Sobald er diese Worte ausgesprochen hatte, wurde Niko jedoch bewusst wie dumm diese Aussage eigentlich gewesen war und er würde sich am liebsten Ohrfeigen. Auch auf Travis Lippen bildete sich ein Schmunzeln. „Nichtzuhören?", gab es das Wort überhaupt. Ihre Blicke trafen sich und es baute sich diese seltsame Stimmung zwischen ihnen auf. Es war einer dieser Momente, die eigentlich so unangenehm und seltsam waren, dass du am liebsten fliehen wolltest, doch irgendetwas dich aufhielt zu gehen. Erst als ihm sein eigentlicher Grund, wieso er hier war, wieder war, erwachte Travis aus seiner Schockstarre wieder. „Ich muss dann mal weiter", entschuldigte er sich und auch Niko fiel bei einem Blick auf seine Armbanduhr auf, dass er mal weiter sollte, wenn er heute noch ein Geschenk für seine Schwester finden wollte. „Ich auch", entfuhr es ihm erschrocken. Er lächelte seinem Gegenüber nochmal kurz zu bevor er sich umdrehte und davon Richtung Sophienhof lief.

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