80: Verschlafen

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Filip:

"Papa wach auf...du hast glaub verschlafen...Victor hat gerade angrufen...ich war leider nicht schnell genug", schlugen die Wortfetzen meiner Tochter wie eine große Wasserwelle auf mich ein. Ich hatte das Gefühl mein Kopf könnte jeden Moment explodieren, als hätte ich die wildeste Party hinter mir. Doch ich war weder auf einer Party gewesen, noch hatte ich etwas getrunken. Langsam kamen in Fetzen die Erinnerungen des gestrigen Abends wieder hoch. Die Spielvorbereitung - der Pulli - die Truhe- die Bilder und das kleine Geburtsbändchen. Mein Schädel brummte und das Gerüttel meiner Tochter an meiner Schulter machte das Pochen in meinem Kopf nur noch schlimmer. Verschlafen blinzelte ich der Helligkeit entgegen. Ich blickte in die Augen meiner Tochter, die ein Spiegelbild meiner waren, die über mich gebeugt auf meinem Bett kniete. Ihre Hand wedelte wie wild vor meinem Gesicht herum. "Papa...jetzt wach endlich auf", fauchte sie mittlerweile leicht genervt. Ein erleichtertes Atmen entfuhr ihrer Kehle, als ich mich langsam aufsetzte und mir erschöpft übers Gesicht fuhr, während das Pochen in meinem Kopf wenigstens etwas schwacher wurde. "Wieso schreist du, um diese Uhrzeit so rum?", fragte ich sie gähnend und mein Blick wanderte auf den Wecker. 7:15! Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so schnell aus dem Bett gesprungen war. Lucie hatte gerade noch so zur Seite springen können, sonst hätte ich sie wohl unabsichtlich aus dem Bett geworfen.

"Scheiße", entfuhr es mir. Wie konnte das bloß passieren? Ich hatte verschlafen. Zum ersten Mal in meinem Leben. Ich musste vergessen haben mir ein Wecker zu stellen. "Victor hat angerufen", erinnerte mich Lucie daran, wovon sie wohl wach geworden war und reichte mir mein Handy, auf welchem nur noch 20% Akku angezeigt wurden. "Ich geh mich schnell unten umziehen und fahr dich dann", entschied sie, bevor sie bereits aus dem Schlafzimmer gestürmt war. In einer dreiviertel Stunde war Abfahrt und ich stand hier noch immer in Boxershorts. Ich zog einfach eine meiner Traineroutfits aus dem Schrank und wollte Victors Nummer wählend Richtung Badezimmer verschwinden, da stolperte ich über die Reisetasche von Steffen, die ich gestern extra gepackt hatte, damit ich sie Steffen vor der Abfahrt noch hätte vorbeibringen können. Das könnte ich jetzt wohl vergessen. Wieso musste alles falsch laufen?

"Filip?", riss mich die Stimme des Geschäftsführers aus den Gedanken. "Ja...was gibt es", fragte ich Victor, während ich im Badezimmer verschwand. Beinahe wäre mir das Handy aus der Hand gerutscht, als dieser mir mitteilte, dass sich Sander gerade ebenfalls mit einem positiven Schnelltest abgemeldet hatte. "Ich hab jetzt alle auf halb ans Trainingszentrum bestellt, damit wir nochmal alle schnell einen Schnelltest machen, bevor wir zusammen in den Bus steigen", teilte er mir das weitere Vorgehen mit. "Klingt vernünftig", antwortete ich, während ich mir verzeifelte über die Stirn fuhr und mir ein Gähnen verdrängen musste. "Gut, dann bis gleich", verabschiedete sich Victor. Sobald er aufgelegt hatte, ließ ich mich erschöpft auf die kleine Bank im Badezimmer fallen. Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso musste eine schlechte Nachricht nach der anderen folgen? Nach der fassungslosen Stille suchte meinen Körper die pure Panik heim. Ich musste mein ganzes Konzept fürs Spiel umwerfen. Ich musste auf Sander verzichten. Einer der wichtigen Spieler in unserem Angriffsspiel. Ich hatte ihn in der Startbesetzung eingeplant gehabt. Verfluchte Scheiße. Ein Handtuch flog wütend gegen die Wand.

"Filip reiß dich zusammen! Du brauchst einen kühlen Kopf", versuchte ich selbst meinen Puls der gerade auf 180 war wieder zu beruhigen. Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken hinunter. Wieso hatte ich gestern bloß nicht weiter mit meiner Spielanalyse gemacht? Ich schaufelte mir eine Ladung kühles Wasser ins Gesicht in der Hoffnung, dass dieses Pochen in meinem Kopf so verschwinden würde. Beim Blick in den Spiegel erschrack ich an meinem eigenen Spiegelbild. Ich sah schrecklich aus. Doch für Duschen blieb keine Zeit mehr. Mit der einen Hand versuchte ich mich anzuziehen, während ich mit der anderen die Zähne putzte. Mit Wasser und Gel stylte ich mir schnell noch irgendwie die Haare, dass ich nicht ganz wie ein Penner das Haus verließ. Eilig lief ich ins Esszimmer und stopfte meine ganzen Unterlagen einfach irgendwie in meine Tasche, denn es bleib keine Zeit mehr diese zu ordnen. Das musste ich dann wohl im Bus machen. Ich lief kurz in die Küche und leerte ein Glas Wasser, nachdem ich mir provisorisch zwei Kopfschmerztabletten eingeworfen hatte, die ich bei Steffen im Nachttischchen gefunden hatte.

Everything I didn't sayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt